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Ausgabe 49-1/1992

30 Jahre kreatives Filmschaffen

Gespräch mit Curt Linda

(Interview zum Film DAS KLEINE GESPENST)

Curt Linda, Trickfilmspezialist, hat nach dem Buch von Otfried Preußler "Das kleine Gespenst" auf die Leinwand animiert. Wir sprachen mit dem Produzenten und Regisseur in München-Schwabing, in den Räumen seiner Linda-Film, wo wir am Schneidetisch "Das kleine Gespenst" – kurz vor der Vollendung – sahen.

KJK: Wie lange haben Sie an diesem abendfüllenden Zeichentrickfilm gearbeitet?
Curt Linda: "Zwei volle Jahre. Und das mit äußerst wenig Geld ..."

Was heißt das, "äußerst wenig"?
"Ungefähr eine Million Mark. Mit sechs Millionen könnte es ein Weltfilm sein, mit der Hälfte auch noch ..."

Wie groß ist Ihr Team?
"Zwölf Zeichner, Kameramann, Cutterin."

Am Anfang war das Buch. Wann hatten Sie die Idee, daraus einen Zeichentrickfilm zu machen?
"Vor 25 Jahren war dieses Buch ja in aller Kindermund ... Ich hatte es vor Jahren in der Hand und dachte mir damals schon, das wäre ein schöner Zeichentrickfilm. Die Option hatte ich mir dann vor mehr als vier Jahren gesichert."

Was haben die Rechte gekostet?
"Die waren fürchterlich teuer, denn sie lagen ja nicht beim Autor, sondern beim Verlag. Und das ist der Thienemann Verlag, der nach der 'Unendlichen Geschichte' 120.000 Mark für das 'Kleine Gespenst' verlangte."

Wie konnten Sie Ihr Film-Vorhaben realisieren, sprich finanzieren?
"Ich reichte das Drehbuch, das ich in Abstimmung mit dem Autor geschrieben hatte, im Rahmen der Kinofilmförderung ein, Spielfilm- nicht Kinderfilmförderung, da die zu einem anderen Zeitpunkt fällig war. Als das Bundesinnenministerium zusagte, zog das ZDF nach, das ich schon vorher für dieses Projekt interessieren konnte."

Das Fernsehen als Ko-Produzent – zu welchen Bedingungen?
"Zuerst ist die Kinoauswertung vorgesehen. Fürs Fernsehen wird eine Serie in vier Teilen erstellt, die zwei Jahre nach der Kino-Premiere gesendet wird. Der Kinofilm kann nach fünf Jahren ins Fernsehen."

Unterscheidet sich die Fernsehfassung von dem Kinofilm?
"Ja, fürs Fernsehen wird eine Extra-Fassung gemacht. Der Kinofilm dauert 79 Minuten, die einzelnen Fernsehfolgen jeweils 25 Minuten. Das heißt, dass die Spielhandlung dafür etwas erweitert ist; ich habe eine kleine Rahmenhandlung geschrieben: Die Tiere kommen zusammen und erzählen, was in den vorhergehenden Folgen geschehen ist, dabei werden die wichtigsten Szenen eingeblendet. So wird in die Handlung eingeführt."

Wer hat die Figuren fürs "Kleine Gespenst" entworfen?
"Ich und mein Team. Wie die Amerikaner können wir nicht arbeiten. Die können es sich leisten, für jede Figur einen eigenen Zeichner zu engagieren. Dort bleibt dann jede Figur in einer Hand. Da kann es passieren, dass wochenlang, monatelang einer nichts zu tun hat. Das können wir uns nicht leisten. Wir entwerfen Figuren, die jeder übernehmen kann – und muss. Eine Figur, die ich zuerst festlege, wird dann von jedem gezeichnet. Wer gerade frei ist, übernimmt sie. Jeder muss alles können, auch für den Fall, dass jemand ausfällt, krank wird ..."

Woher bekommen Sie Ihre Zeichner? Welche Grundausbildung bringen die mit?
"Normalerweise habe ich von Film zu Film einen festen Stamm selbst ausgebildete Zeichner. Allerdings werden mir immer wieder Leute von der Konkurrenz weggelockt, abgeworben. Meine Hauptzeichnerin, die das Wesentliche macht, kam beispielsweise von einer Grafikschule und hatte überhaupt keine Ahnung von ihrer Begabung. Jetzt ist sie fünf Jahre bei mir und eine Spitzenkraft ersten Ranges. Ein anderer, der mit 16 oder 17 Jahren vorbeigekommen ist, weil er nicht mehr in die Schule wollte, keine Ausbildung hatte, aber gern zeichnete, ist innerhalb von drei Monaten erstklassig geworden. Er wurde mir allerdings grad' weggeholt ..."

Haben Sie schon daran gedacht, sich in den neuen Bundesländern nach Kooperationsmöglichkeiten umzusehen?
"Ja, ich habe bereits mit dem Trickfilmstudio Dresden Kontakt aufgenommen. Der Anfang war gut, aber termingemäß geht da noch nichts zusammen. Sie haben noch kein Verständnis für die wirtschaftlichen Zwänge, die bei uns herrschen. Wichtiges ist einfach liegen geblieben, weil einer im Urlaub, der andere grad' nicht da war."

Hier in diesen Räumen wird also gezeichnet. Und wo entsteht das andere, zum Beispiel die Sprechaufnahmen?
"Auch hier und bei Arnold & Richter. Sprechaufnahmen werden übrigens vorher gemacht. Der Film wird quasi als Hörspiel aufgenommen. Alles wird ausgezählt, die Länge ist exakt bemessen. Und genau danach wird gezeichnet."

Eine umgekehrte Synchronisation also?
"Ja, das Bild wird auf die Sprache synchronisiert."

Beim "Kleinen Gespenst" ist das unübersehbar. Man hört nicht nur, sondern sieht auch, was gesagt wird. Ist das generell so?
"Man kann's auch anders machen, einfacher, billiger und in jede Sprache übertragbar. Man lässt den Mund nur auf- und zugehen, vor sich hinplappern, kann schneiden, wie man möchte, drauf sprechen, was man möchte. Wenn's gut gemacht ist, stimmt es auch. Die Japaner arbeiten so."

Und wie ist es mit der Musik? Auch die "stimmt" beim "Kleinen Gespenst"!
"Von der Musik ist bereits beim Schreiben eine Vorstellung da. Früher war das alles ganz einfach, da kam der Komponist hierher mit seinem Metronom, sah sich die Sequenz an, stoppte mit dem Zählwerk die Längen. Gemeinsam schauten und besprachen wir, auf welchen Bildern welche Akzente gesetzt werden sollten, wo Sprache, wo Musik. Wenn alles notiert und gestoppt war, brachte der Komponist in spätestens vier Wochen die Partitur vorbei. Danach wurde gezeichnet."

Und heute? Mit Hilfe der Computer dürfte das ja noch einfacher geworden sein ...
"Nein. Der Computer verkompliziert alles. Und langwieriger ist es auch ... Diese Computer-Generation hat es schwerer. Der Komponist und sein Computer – all die vielen Möglichkeiten, die er da hat – noch dieses Instrument dazu, noch jenes, noch eine weitere Raffinesse. Ein großer Aufwand für ein paar Sekunden. Das macht es nicht einfacher. Außerdem: Der Computer kann keine Partitur liefern. Der macht erst die Musik und dann druckt er die Partitur aus. Aber dann brauche ich sie nicht mehr. Das Zeichnen dauert ja viel länger als das Komponieren. Und wir müssen vordenken. Das sind Dinge, die uns vor Probleme stellten, vor ziemlich große sogar. Es war für mich schwierig, auf die Musik zu warten. Ich war ziemlich abhängig."

Wie ist die Zusammenarbeit mit Kambiz Giahi, Ihrem Filmkomponisten, zustande gekommen?
"Ich habe ihn über Gloria Behrens kennen gelernt. Er machte ja auch die Musik für 'Bodo'."

Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis? Gefällt Ihnen die Musik?
"Ich persönlich finde die Musik gut, sehr gut sogar. Aber ich habe nicht mehr den Abstand, das objektiv beurteilen zu können."

Sie feiern in diesem Jahr Ihr dreißigjähriges Jubiläum, dreißig Jahre kreatives Filmschaffen in der eigenen Filmproduktion. Wie hat alles begonnen?
"In Budweis in einem Kino. Bei meiner Geburt. Denn ich bin im Kino auf die Welt gekommen. Meine Eltern waren Kinobesitzer im Böhmerwald. Davor war mein Vater Schauspieler gewesen, 1909, und mein Onkel reiste bereits im Jahre 1895 mit lebenden Bildern durch die Lande. Meine Berührung mit Film war also eine sehr frühe. Bei diesem familiären Hintergrund wurde ich selbstverständlich zu sämtlichen Schul- und Theateraufführungen geholt. Doch meine Mutter wollte nicht, dass ich irgendetwas mit Theater oder Film zu tun habe. Und sie tat alles, um meine Interessen umzulenken. Also studierte ich Physik. Aber das hat nichts genutzt. Es war Krieg, ich habe das Studium abgebrochen. Und nach dem Krieg, als ich kein Geld hatte, spielte ich wieder am Theater, in München im Residenztheater, erst kleine Rollen und bald auch richtige."

Und wie kamen Sie – wieder – zum Film?
"Da ich beim Theater zu wenig verdiente, riet ein Freund: Schau, dass du zum Film kommst, da ist mehr Geld. Er nahm mich mit zur Bavaria. Ich bekam tatsächlich einen Job beim Synchron. Jahrelang leitete ich dann bei der Bavaria die Synchron-Abteilung. Dachte, an der Quelle zu sein. Dachte: Jetzt kannst du endlich Trickfilme machen. Das war meine Ambition von klein auf. Aber die Bavaria wollte nicht. Ich konnte niemanden dafür begeistern."

Also begeisterte Curt Linda nach einigen weiteren Film-Ausflügen, wo er spielte, Regieassistenz machte und Drehbücher schrieb, sich selbst, gründete Anfang der 60er-Jahre seine Linda-Film und machte Trickfilme. Erst Kurzfilme und schon bald den ersten deutschen abendfüllenden Trickfilm nach dem Krieg, "Die Konferenz der Tiere" (nach dem Buch von Erich Kästner), der mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet wurde. Wir wünschen dem "Kleinen Gespenst" einen ähnlichen Erfolg. Und Curt Linda noch viele kreative Trickfilmjahre.

Gudrun Lukasz-Aden

 

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