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Ausgabe 94-2/2003

KISS AND RUN

Produktion: stoked film – a division of Luna Park 64 GmbH / tvt.Postproduction GmbH / ZDF; Deutschland 2002 – Regie: Annette Ernst – Buch: Maggie Peren – Kamera: Sebastian Edschmid – Schnitt: Andrea Mertens – Musik: Thomas Mehlhorn, Andreas Lucas – Darsteller: Maggie Peren (Emma), Ken Duken (Max), Anja Herden u. a. – Länge: 88 Min. – Farbe -Altersempfehlung: ab 12 J.

Die junge Schauspielerin Emma hastet von Casting zu Casting, verdient ihr Geld aber wegen mangelnder Engagements in einer Videothek. Sie tröstet sich damit, dass viele berühmte Schauspieler erst spät entdeckt wurden. Weil der Videoladen in der Frankfurter Hochhaussiedlung durch ein angeblich lukrativeres Sonnenstudio ersetzt werden soll, bangt Emma um ihren Job. Auch einige ihrer Stammkunden verlieren damit einen wichtigen Treffpunkt, wie Max, ein Sandkastenfreund Emmas und geschwätziger Medikamententester mit anarchistischen Allüren, und die pubertierenden Jungs Leo und Banu, die derzeit nichts anderes im Kopf haben als Mädchen. Emma, die einen wichtigen Vorsprechtermin verpasst und vergeblich auf einen Anruf ihres vermeintlichen Liebhabers Dominik wartet, ist nicht die einzige, die leidet. Ihre Freundin Malia muss kurz vor ihrer Hochzeit mit Max' bestem Freund feststellen, dass ihre Beziehung festgefahren ist. Keine guten Voraussetzungen für Emmas bevorstehende Geburtstagsfeier – höchste Zeit also, dass sich in ihrem Leben etwas ändert.

Maggie Peren hat sich nicht nur als Schauspielerin, sondern mehr noch als Drehbuchautorin einen Namen gemacht. So hat sie die Bücher zu dem viel gelobten Debüt "Vergiss Amerika" von Vanessa Jopp, zu Norbert Gansels preisgekröntem Krimi "Das Phantom" und zu dem Kinohit "Mädchen Mädchen" geschrieben oder mitgeschrieben. Von ihr stammt auch das Skript zu der Tragikomödie "Ganz und gar" von Marco Kreuzpaintner.

Die Figur der Emma in "Kiss and Run" hat Maggie Peren sich sozusagen auf den Leib geschrieben und diesmal auch endlich die Hauptrolle übernommen. Für das Buch gewann sie im Jahr 2000 den Drehbuchpreis der baden-württembergischen Filmförderung. Sie spielt die Hauptrolle als ehrgeizige wie frustrierte Nachwuchsschauspielerin mit großem Engagement und überzeugender Leinwandpräsenz. In Ken Duken findet sie unter der Regie der Spielfilmdebütantin Annette Ernst (Jahrgang 1966) einen gleichrangigen Partner, der den Typus des scheinbar coolen Herumhängers glaubwürdig verkörpert.

Die flott inszenierte 'Social Comedy' nimmt die Identitätskrise Emmas genau so ernst wie die hartnäckige Weigerung von Max, endlich erwachsen zu werden und sich den Realitäten des Lebens zu stellen. Gelegentlich wirken die hitzigen Wortgefechte der beiden Protagonisten zwar etwas zu altklug und die agile Kamera von Sebastian Edschmid ("Mutanten") drängt sich auch zu oft in den Vordergrund. Der Film bietet mit seinen Reflexionen über Zukunftsängste und Glücksträume, verhinderte Liebesbeziehungen und verpasste Gelegenheiten jedoch reichlich Anknüpfungspunkte für ein junges Publikum, das hier eigene Erfahrungen und Empfindungen verdichtet gespiegelt sieht. Vor allem in der zweiten Hälfte, wenn man den Ausgang der Verwicklungen längst vorhersagen kann, überspannen Buch und Regie allerdings den Bogen der Komplikationen. Stattdessen hätte die Regisseurin lieber ein paar Slapstick-Kapriolen mehr einbauen sollen, die Leo und Banu bei ihren unbeholfenen Versuchen produzieren, die hübschen Girls aus der Nachbarschaft zu beeindrucken.

Annette Ernst, die bereits 1996 für "Wer hat Angst vorm Weihnachtsmann?" den Murnau-Kurzfilmpreis gewann, gibt als ein Ziel ihrer Arbeit an, "keine 'deutschen' Filme zu machen". 'Deutsch' im Sinne von 'kopflastig' und 'bedeutungsschwer' wirkt ihr Film denn auch keineswegs. Ihrer temporeichen Inszenierung sieht man vielmehr an, dass sie jüngere britische Sozialkomödien wie "Ganz oder gar nicht" oder "Billy Eliott" bewundert. Der Regisseurin gelingt es zugleich, auf angenehme, bisweilen auch gefällige Art zu unterhalten, womit sie den Erwartungen eines Mainstream-orientierten jungen Publikums gerecht wird.

Reinhard Kleber

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 94-2/2003 - Interview - "Ich werde darum kämpfen wie eine Löwin"

 

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