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Ausgabe 104-4/2005

MILLIONS

Produktion: Mission Pic. / Pathé Pic. / Ingenious Media / BBC Films / Inside Track 2 / UK Film Counsil; Großbritannien 2004 – Regie: Danny Boyle – Buch: Frank Cottrell Boyce – Kamera: Anthony Dod Mantle – Schnitt: Chris Gill – Musik: John Murphy – Darsteller: Alex Etel (Damian), Lewis Owen McGibbon (Anthony), James Nesbitt (Ronnie), Daisy Donovan (Dorothy) u. a. – Länge: 99 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Verleih: Twentieth Century Fox – Altersempfehlung: ab 10 J.

Die Brüder Anthony und Damian ziehen nach dem Tod der Mutter mit dem Vater in einen Vorort einer nordenglischen Stadt. In der fremden Umgebung fühlen sich beide nicht so richtig wohl. Während sich der schon erstaunlich vernünftige neunjährige Anthony mit der Situation arrangiert, flüchtet sich der siebenjährige Damian, ein leidenschaftlicher Sammler von Heiligenbildern, in religiöse Phantasien und hält Zwiesprache mit einer Reihe von Heiligen, die er um Rat in schwierigen Lebensfragen bittet. In seiner Freizeit baut er sich am Bahndamm mit alten Kartons eine kleine Fluchtburg, in die er sich gerne zurückzieht.

Während Damian dort betet, fällt plötzlich eine Tasche voller Geld durch die Decke. Ein Geschenk des Himmels, wie er meint. Doch die Sache hat einen Haken: In einer Woche soll in Großbritannien der Euro eingeführt werden, danach sind die alten Pfundnoten nichts mehr wert. Während Damian wie einst Robin Hood den Armen und Bedürftigen helfen will, möchte der nüchterne Anthony im großen Stil einkaufen und in Immobilien investieren. Doch dabei müssen die Brüder feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, viel Geld in kurzer Zeit auszugeben. Die Lage spitzt sich zu, als auch noch der Ganove auftaucht, der das Geld geraubt hat, und seine Beute zurückfordert.

Der britische Regisseur Danny Boyle zeigt mit seinem jüngsten Kinofilm einmal mehr seine außergewöhnliche Vielseitigkeit. Nachdem er in der schrägen Drogengroteske "Trainspotting", dem Thriller "Kleine Morde unter Freunden", dem Aussteigerdrama "The Beach", dem Endzeit-Horrorfilm "28 Days Later" eher Interesse an düsteren, harten und gewalttätigen Stoffen, oft garniert mit einer Portion starken schwarzen Humors, bekundet hat, überrascht er nun mit einem überaus phantasievollen und einfallsreichen Familienfilm. In einer ebenso eigenwilligen wie reizvollen Kombination aus religiös grundiertem Märchen und Krimikomödie, Familiendrama und Sozialsatire erzählt er weitgehend aus der Kinderperspektive von magischen Abenteuern, kindlichen Sehnsüchten und familiären Nöten.

Die größte Stärke des Films ist das einfallsreiche und trotz seiner vielen thematischen Schlenker in sich stimmige Drehbuch von Frank Cottrell Boyce ("24 Hour Party People"), der als Vater von sieben Kindern sich offenkundig sehr gut in die Vorstellungswelt von Heranwachsenden hineinversetzen kann. Er hat die kindlichen und erwachsenen Charaktere sorgfältig ausgearbeitet und mit viel Herzenswärme ausgestattet, meidet erfolgreich die bei dieser Konstellation nahe liegenden Untiefen der Sentimentalität und liefert Boyle exzellente Steilvorlagen für dessen skurrilen Humor.

Wie in seinen vorherigen Filmen beweist Boyle eine sichere Hand bei der Schauspielerführung. Das gilt für den kleinen Alex Etel, der Damians chronische Ausflüge in Phantasiewelten glaubhaft macht, ebenso wie für James Nesbitt, der dem gestressten und überforderten Vater emotionale Tiefe verleiht. Abgerundet wird dieser anregende Abenteuerfilm für jung und alt durch ein spritziges Happy Ending, das mitten in der Adventszeit naiven Kinderträumen vom kleinen Glück wenigstens die Hoffnung auf Erfüllung lässt, auch wenn die schönen Millionen erstmal futsch sind.

Reinhard Kleber

 

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Ausgabe 104-4/2005

 

Inhalt der Print-Ausgabe 104-4/2005|

Filmbesprechungen

ALLE KINDER DIESER WELT| DIE BRIEFFREUNDIN| CERTI BAMBINI| CHARLIE UND DIE SCHOKOLADENFABRIK| ES IST EIN ELCH ENTSPRUNGEN| FREMDE HAUT| DIE GESCHICHTE VON XIAO YAN| DER KETCHUP EFFEKT| DAS KIND| DER KLEINE EISBÄR 2 – DIE GEHEIMNISVOLLE INSEL| DIE KLEINE KARTHÄUSERIN| LOST CHILDREN| MILLIONS| MONGOLIAN PING PONG| NIMM DIR DEIN LEBEN| DIE REISE DER PINGUINE| DER SCHATZ DER WEISSEN FALKEN| SOS – PETTER OHNE NETZ / FREUNDE FÜRS LEBEN| DIE STRASSENKINDER-TRILOGIE| DAS WANDELNDE SCHLOSS| WINN-DIXIE – MEIN ZOTTELIGER HUND|

Interviews

Haimovitch, Shmuel Peleg - "Der Tod kümmert uns nicht, wenn er weit weg ist."| Karlström, Ewa - "Filme an die man glaubt, letztendlich möglich zu machen – darum geht es ja"| Rothkirch, Thilo Graf - "Wir haben einen hohen Anspruch"|


KJK-Ausgabe 104/2005

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