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Ausgabe 126-2/2011

DSCHUNGELKIND

Produktion: UFA Cinema / Degeto Film, Deutschland 2010 – Regie: Roland Suso Richter – Buch: Natalie Scharf, Beth Serlin, Florian Schumacher, Richard Reitinger, nach dem gleichnamigen Buch von Sabine Kuegler – Kamera: Holly Fink – Schnitt: Bernd Schlegel – Musik: Annette Focks – Darsteller: Stella Kunkat (Sabine mit 8 J.), Thomas Kretschmann (Vater), Nadja Uhl (Mutter), Sina Tkotsch (Sabine mit 16 J.) u. a. – Länge: 131 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – Verleih: UPI (z.T. OmU) – FSK ab 12 – Altersempfehlung: ab 14 J.

Als der erste autobiografische Roman von Sabine Kuegler, die beinahe ihr gesamtes Leben im Urwald fernab jeglicher Zivilisation verbracht hatte, im Jahre 2005 erschien, gab es durchaus auch kritische Stimmen. Die einen warfen der Autorin vor, sie hätte darin zu viele persönliche Erfahrungen verwoben, die anderen sprachen davon, Kuegler würde ein verklärendes Bild vom "edlen Wilden" abgeben. All das konnte allerdings nicht verhindern, dass "Dschungelkind" zum internationalen Bestseller avancierte und sich dank seiner exotischen Schauplätze und der unkonventionellen Culture-Clash-Konstellation für eine Leinwand-Adaption empfahl. Diese Option wurde nun von Roland Suso Richter, seit einem guten Jahrzehnt ein Garant für quotenträchtige TV-Events ("Der Tunnel", "Dresden", "Mogadischu"), gezogen. Der vielseitige Filmemacher, der zwar selten Kinofilme macht (zuletzt 2000 "Eine Hand voll Gras"), aber stets in Kinobildern denkt, versteht es, das Optimum aus der literarischen Vorlage herauszuholen. Und wenn man sich einmal an die zahllosen Zwischentitel wie "Unser Heim", "Der Fluch" oder "Der erste Krieg", die den Film in zwei bis drei Minuten kurze Episödchen unterteilen, gewöhnt hat, ist man auch schon mittendrin in der faszinierenden Geschichte der achtjährigen Sabine, die mit ihren Eltern und den beiden Geschwistern nach West-Papua auswandert, wo der Vater die Sprache eines zurückgezogen im Urwald lebenden Eingeborenenstammes erforschen will. Obwohl die Ureinwohner den weißen Eindringlingen zunächst sehr skeptisch gegenüberstehen, gelingt es Sabine dank ihres offenen und neugierigen Wesens allmählich Kontakt mit Gleichaltrigen zu knüpfen. Als die Familie jedoch einen Jungen, der bei einer Auseinandersetzung zweier feindlicher Stämme schwer verletzt wurde, bei sich aufnimmt, gerät sie zwischen die Fronten und somit selbst in Gefahr. Nur dem besonnenen Auftreten von Sabines Vaters ist es zu verdanken, dass der Streit nicht eskaliert. Jahre später, Sabine ist inzwischen 16, muss sich die junge Frau entscheiden. Will sie weiterhin im Dschungel leben, den sie wie ihre Westentasche kennt, oder zurückkehren in eine Zivilisation, aus der sie zwar stammt, die ihr aber völlig fremd ist.

Für seine Geschichte vom Zusammenprall der Kulturen findet Richter die passenden Bilder. Und die sind mal gruselig wie etwa die verwesende Leiche eines Eingeborenen am Wegesrand, mal poetisch wie der Papierflieger, der zu einer ersten Annäherung zwischen den Völkern führt. Dankbare Situationen ergeben sich auch, wenn mitten in der Wildnis plötzlich "Ihr Kinderlein kommet" auf der Blockflöte gespielt wird oder die Kuegler-Geschwister bei ihrem einzigen Deutschlandbesuch zum ersten Mal in ihrem Leben mit Schneeflocken in Berührung kommen. Dass die Handlung nie ganz verflacht und Klischees geschickt umschifft werden, ist auch ein Verdienst der Darsteller, allen voran Naturtalent Stella Kunkat (als junge Sabine) und Nadja Uhl als traditionsbewusste und im positiven Sinne gluckenhafte Mutter. Und schließlich zeigt uns Roland Suso Richter auf wunderbare Weise, wie man in einer einzigen Einstellung im Kino Zeit vergehen lassen kann. Er lässt die Kinder ins Wasser springen und wenn sie ein paar Sekunden später wieder auftauchen, sind aus ihnen Jugendliche geworden.

Thomas Lassonczyk

 

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Ausgabe 126-2/2011

 

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