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Ausgabe 66-2/1996

EINS UND EINS MACHT VIER

IT MAKES TWO

Produktion: Rysher, USA 1995 – Regie: Andy Tennant – Buch: Deborah Dean Davis – Kamera: Kenneth D. Zunder – Schnitt: Roger Bondelli – Musik: Sherman und Ray Foote – Darsteller: Mary-Kate Olsen (Amanda Lemmon), Ashley Olsen (Alyssa Callaway), Kirstie Alley (Diane Barrows), Steve Guttenberg (Roger Callaway) u. a. – Länge: 101 Min. – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: Concorde – Castle Rock/Turner (35mm) – Alterseignung: ab 8 J.

Amanda (9 Jahre) ist ein Waisenkind. Alyssa (9 Jahre) fühlt sich so, obwohl sie einen Vater hat. Aber was nutzt der, wenn er nicht da ist? Ansonsten ist alles da: Traumhaus, Privatflugzeug, Dienerschaft, Wagenpark und Reitstall, Spielzeug satt, alles vom Feinsten. Amanda dagegen besitzt nichts von alledem, dennoch scheint sie besser dran zu sein. Sie hat jede Menge Freunde und vor allem: Sie hat Diana, Sozialarbeiterin und Wunschmutter. Ein Traummann muss her, damit Diana die Adoptionsbedingungen erfüllt. Eile ist geboten, denn ein adoptionsfreudiges Paar steht auf der Matte. Bei Alyssa wird's ebenfalls brenzlig: Ihr Daddy hat sich erstmals nach dem Tod der Mutter wieder verliebt. Dass Liebe blind macht, sieht hier jedes Kind: Eine fürchterliche Zicke steht ins Haus. Diana fährt mit ihrer Truppe in eine Ferienlager, das nach dem edlen Spender benannt ist: Callaway-Camp. Der See lädt zum Baden, es lockt das Baumhaus, doch das Traumhaus am anderen Ufer lockt mehr. Was Amanda nicht weiß, was die Zuschauer schon längst wissen: Hier wohnt Alyssa, Callaways Tochter, die genauso aussieht wie Amanda.

Ehe es sich die beiden Mädchen versehen, sind sie hineingezogen in das Leben der anderen, in eine faszinierende Geschichte, die sie nicht verstehen, aber die sie mitspielen. Weil sie finden, was sie in ihrem Leben vermissen: Amanda das eigene Zimmer und einen lieben Papi, Alyssa kleine Freunde und eine liebe Diana, die an die Mutter erinnert.

Das Verhalten der getauschten Mädchen verwirrt die anderen. Für Alyssa und Amanda ist das Ganze sowieso ein Rätsel, aus dem sie unabhängig voneinander schreiend davonrennen und auf neutralem Waldboden aufeinanderprallen. Nach anfänglicher Fassungslosigkeit begreifen sie blitzartig die wunderbaren Möglichkeiten der doppelten Ausfertigung ihrer selbst. Ganz nach Bedarf tauschen sie die Rolle, treiben die Geschichte voran und hintertreiben die bösen Adoptions- und Heiratsabsichten mit dem Ziel, Diana und Daddy zu verkuppeln, die wie füreinander geschaffen sind. Doch immer, wenn Daddy und Diana sich ganz nahe sind, wenn es gefühlvoll oder gar sentimental werden könnte, bricht das Chaos aus, weil die Geschichte ja noch nicht zu Ende ist. Natürlich endet sie happy. Und die Frage, warum Amanda und Alyssa sich wie ein Ei dem anderen gleichen, wird mit kindlicher Logik beantwortet: Warum nicht? Man muss doch nicht alles im Leben erklären.

Was bei "Bodo" von Gloria Behrens, bei "Anna annA" von Greti Kläy und Jürgen Brauer und natürlich bei Kästners "Doppeltem Lottchen" funktionierte, funktioniert auch hier. Nicht zuletzt wegen der beiden Mädchen, die hinreißend spielen und einfach süß sind, der couragierten Sozialarbeiterin Diana und des blauäugigen Daddy-Milliardärs. Die Überzeichnung der anderen Figuren zeigt klar, wo das Gute und das Böse anzutreffen ist. Die Story ist turbulent, komisch und aktionsreich inszeniert, die Essensschlacht fehlt ebenso wenig wie der Wettlauf mit der Zeit per Hubschrauber und Kutsche, der Showdown in der Kirche vor dem Altar. In "Eins und Eins macht Vier" werden Kinderträume wahr: Verwechslung, Täuschung, Versteckspiel, zu zweit unschlagbar sein, das Geschehen anhalten und in eine neue Richtung lenken. Und schließlich Eltern haben, die man sich selbst ausgesucht hat.

Erstaunlich, dass dieser Film nicht nur kleinen Mädchen, sondern auch jungen Leuten beiderlei Geschlechts gefällt. Das mag auch daran liegen, dass die beiden Winzlinge Amanda und Alyssa weder altklug noch infantil sind, sondern einfach herzerfrischend.

Gudrun Lukasz-Aden

 

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Ausgabe 66-2/1996

 

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