Produktion: Walt Disney Pictures, USA 1993 – Regie: Stephen Herek – Buch: David Loughery – Kamera: Dean Semler – Schnitt: John F. Link – Musik: Michael Kamen, Titelsong "All for love" gesungen von Bryan Adams, Rod Stewart und Sting: – Darsteller: Charlie Sheen (Aramis), Kiefer Sutherland (Athos), Oliver Platt (Porthos), Chris O'Donnell (D'Artagnan) u.v.a. – Länge: ca. 90 Minuten – Farbe – Verleih: Buena Vista (35mm) – Altersempfehlung: ab 14 J.
1844 veröffentlichte Alexandre Dumas den inzwischen weltbekannten Roman von den drei Musketieren. 1909 wurde der Stoff erstmals in Italien verfilmt. Dieser Film ist die fünfte amerikanische Kinofassung des Romans, seit Douglas Fairbanks 1921 den D'Artagnan in einem Stummfilm spielte. Kann man dem Stoff in der fünften Hollywoodversion, noch dazu in einer Disneyproduktion, etwas Neues abgewinnen? Die Geschichte bleibt in ihrer Grundstruktur erhalten, aber an Äußerlichkeiten erkennt man dann doch, dass – wie beim Trickfilmerfolg "Aladdin" – die alte Geschichte aus heutiger Sicht erzählt wird.
Zunächst die Geschichte: 1626 in Frankreich. Der junge Heißsporn D'Artagnan will sich der Leibwache König Ludwigs XIII. anschließen, den legendären Musketieren. Als er sich auf den Weg macht, hat Kardinal Richelieu aber bereits deren Auflösung veranlasst. Der König protestiert zwar dagegen, aber Richelieu bleibt bei seinem Dekret. Drei treue Musketiere aber, eben Aramis, Athos und Porthos, legen sich mit der Garde des Kardinals an. Ihnen begegnet D'Artagnan unter jeweils unglücklichen Umständen, so dass er in kürzester Zeit mit jedem von ihnen einen Duelltermin hat. Stattdessen kämpft er gemeinsam mit den drei Musketieren gegen Richelieus Garde. Kurze Zeit später fällt D'Artagnan in die Hände des Grafen von Rochefort, des Erfüllungsgehilfen des Kardinals. D'Artagnan entkommt, findet Athos, Aramis und Porthos und macht sich gemeinsam mit ihnen auf den Weg nach Calais, um die Gräfin de Winter abzufangen und die Pläne des Kardinals zu vereiteln, was tatsächlich gelingt. Gräfin de Winter kann sich jedoch einer Hinrichtung durch einen Sturz von den Klippen entziehen. Vorher aber verrät sie Athos, dass Richelieu den König an dessen Geburtstag ermorden lassen will. Nun ist Eile geboten. Auf dem Weg nach Paris lassen die Musketiere überall die bekannte Botschaft "Einer für alle – alle für einen" zurück. Und schon folgen ihnen alle Ex-Musketiere. Die Ermordung wird vereitelt. Richelieus Ausrede, die Musketiere hätten den Mord geplant, fliegt auf. Beim Kampf der Kardinalsgarden mit den Musketieren erfährt D'Artagnan, dass Graf Rochefort einst seinen Vater tötete. Die Musketiere verfolgen den Kardinal, der den König und die Königin in seine Gewalt gebracht hat. Der junge König schlägt schließlich den Kardinal höchstpersönlich k.o., ehe er die Musketiere wieder offiziell einführt und D'Artagnan dazu ernennt.
Man sieht, die Grundhandlung ist erhalten geblieben, auch wenn sie einige kleine Veränderungen erfahren hat und sich in manchen Punkten stärker an den Roman hält als andere Verfilmungen. Neu an diesem Film ist hingegen, dass man erstmals die Hauptrollen mit Schauspielern besetzt hat, die in etwa dem Alter entsprechen, das Dumas für seine Helden vorgesehen hatte. Und damit wird der Film viel stärker auf ein jugendliches Publikum ausgerichtet als dies bei früheren Kinofassungen der Fall war. (Schwachpunkt ist der blutjunge König, der immer aussieht, als wäre seine Hippiemähne eine schlecht sitzende Perücke.) Der jugendlichen Attitüde des Films kommt entgegen, dass die Helden Ticks, Macken und Marotten haben, die ins Hier und Jetzt passen. So äußern sich die Helden mit flotten Kommentaren ("Mann, wie liebe ich meinen Job!") oder sind technische Kampfgenies, wie etwa Porthos, der – nahezu schon in Comic-Manier – diverse Waffen für den jeweiligen Gegner zur Hand hat, etwa einen Degenabschneider, eine Bola (ein Wurfseil mit Gewichten) etc. Die Kämpfe sind von atemberaubender Akrobatik, die nicht zuletzt durch die Kameraführung Dean Semlers ("Der mit dem Wolf tanzt" u. a.) betont wird. Die Inszenierung ist um attraktive Schauplätze bemüht gewesen. Weitab von Hollywood fand man in Österreich und Liechtenstein Landschaften, Burgen und Paläste, die Lokalkolorit auch ohne allzu viel Pappe und Sperrholz opulent bieten.
Die Arbeit und Vorarbeit haben sich gelohnt. Diese Version der "Drei Musketiere" ist eine durchaus ansehnliche, moderne Kinofassung geworden, die einerseits versucht, der Romanvorlage gerecht zu werden, andererseits aber auch der Jugendkultur von heute entspricht.
Zu guter Letzt noch eine Anmerkung zur Originalversion: Sehr zum Amüsement einiger deutscher Filmkritiker wurde D'Artagnan im Original stets "Dar-TÄN-jän" genannt (mit Ausnahme von zwei Szenen, in denen Porthos den Namen D'Artagnan versehentlich französisch ausspricht). In diesem Punkt steht der neueste Musketier-Film ganz in der Hollywood-Tradition, für die Dartanjong nun mal Dar-TÄN-jän zu heißen hat. Auch das ist ein Indiz dafür, dass trotz europäischer Schauplätze dieser Film doch reines Hollywood ist, nett und gefällig, actionbetont und oberflächlich. Fast Food eben.
Wolfgang J. Fuchs
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