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Ausgabe 57-1/1994

DER MANN OHNE GESICHT

THE MAN WITHOUT A FACE

Produktion: Icon/Majestic, USA 1993 – Regie: Mel Gibson – Buch: Malcolm MacRury, nach einem Roman von Isabelle Holland – Kamera: Donald M. McAlpine – Schnitt: Tony Gibbs – Musik: James Horner – Darsteller: Mel Gibson (McLeod), Nick Stahl (Chuck), Margaret Whitton (Catherine), Gaby Hoffman (Megan), Geoffrey Lewis (Sheriff Stark) – Länge: ca. 100 Minuten – Farbe – FSK: ab 6, ffr. – Verleih: Tobis (35mm) – Altersempfehlung: ab 10 J.

Wer vom Regiedebüt eines Schauspielers, der hauptberuflich Frauenherzen schmelzen lässt, belanglose Melodramatik erwartete, der konnte sich von Mel Gibsons Erstling "Der Mann ohne Gesicht" angenehm überraschen lassen.

Chuck Norstadt, ein zwölfjähriger Eigenbrötler, lernt in den Sommerferien den ehemaligen Lehrer Justin McLeod kennen, dessen Gesicht durch einen Unfall grausam entstellt ist. Chuck bittet ihn um Hilfe bei der Examensvorbereitung, und zwischen den beiden ungleichen Außenseitern entwickelt sich zögerlich eine außergewöhnliche Freundschaft. McLeod vermittelt Chuck eine nie gekannte Begeisterung für das Lernen und die Begegnung mit Kultur. Gleichzeitig nimmt er den von seinen Kameraden und Geschwistern als Spinner gehänselten Jungen, der manchmal geistig sehr weit abwesend ist, als Person ernst, von der er auch eigenverantwortliches Handeln erwartet. Als die Dorfbewohner ein Gerücht aus McLeods Vergangenheit ausgraben, das ihm sexuellen Missbrauch eines seiner früheren Schüler vorwirft, wird er zum Abstand von Chuck gezwungen.

Ein weiteres Mal beweist der Schauspieler Gibson, dass er mehr ist als ein "Stahlharter Profi" – und dass er offensichtlich die Kinderdarsteller an seiner Seite zu Hochform inspiriert; zuletzt Elijah Wood in "Forever Young", jetzt den herausragenden "Chuck" Nick Stahl. Wie selbstverständlich inszeniert der Regisseur Gibson sich selbst als Monster, auf dessen narbiger Gesichtshälfte die geschickt eingesetzte Kamera – wie Chucks Blick – zunächst kurz und schockiert, dann länger und zutraulicher verharrt, bis die Zerstörung kaum noch aufzufallen scheint. Ein sparsamer Einsatz der orchestrierten Musik rundet einen stilsicheren Film ab, der mit Ausnahme des amerikanisch-pathetischen Finales keinen Hauch von falscher Sentimentalität aufkommen lässt.

Obwohl mit einer FSK-Freigabe ab 6 ausgestattet, dürfte "Der Mann ohne Gesicht" aufgrund der gegen Ende ins Spiel gebrachten Missbrauchsproblematik (die vielleicht ein bisschen zuviel des Guten in der sowieso schon komplexen Beziehungsgeschichte ist) erst für Kinder ab ca. 10 Jahren geeignet sein – denen er von Vorurteilen, Anderssein und Freundschaft erzählt.

Bärbel Schnell

 

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Ausgabe 57-1/1994

 

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