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Ausgabe 47-3/1991

"Hätte ich gewusst, dass es so einen Rummel zu Mozart gibt, hätte ich es wahrscheinlich nicht gemacht"

Gespräch mit Karl Heinz Lotz über die Dreharbeiten zum Film "Trillertrine"

(Interview zum Film TRILLERTRINE)

Mozart, Mozart, Mozart – überall nur Mozart. Anlässlich des 200. Todestages im Dezember 1991 begegnet man seiner Musik allenthalben: in Radio und Fernsehen ebenso wie in Konzerten, Buchläden oder Zeitungen. Auch die ostdeutsche DEFA ließ sich das Jubiläum nicht entgehen. In dem Kinder-Kinofilm "Trillertrine" tritt Mozart zwar nur einmal kurz auf, doch seine Musik steht im Mittelpunkt der abenteuerlichen Geschichte. Karl Heinz Lotz, dessen Gegenwartsfilm "Rückwärtslaufen kann ich auch" den Spielfilm-Hauptpreis der Fachjury beim Kinderfilmfestival in Gera (1991) gewonnen hat, erzählt in seinem neuen Film von einer Wette zwischen armen Waisenkindern und dem sächsischen Kurfürsten. In vier Wochen soll sich zeigen, wer das berühmte Mozart-Rondo für Klavier und Orchester, KV 382, das mit dem Triller, besser spielen kann, die Kinder oder das Hoforchester. Doch zuvor muss das Mädchen Trine für die Kinder die Noten des Rondos besorgen. Auf den Spuren des reiselustigen Mozart warten ungeahnte Schwierigkeiten auf Trine. Gedreht wurde der Film in den Babelsberger DEFA-Studios.

KJK: Wie sind Sie zu dem Stoff gekommen?
Karl Heinz Lotz: "Hätte ich gewusst, dass es so einen Rummel zu Mozart gibt, hätte ich es wahrscheinlich nicht gemacht. Nach dem Film 'Die Mauerbrockenbande', den ich mit der West-Berliner Regina Ziegler-Produktion gedreht habe, bekam ich sofort ein Angebot vom Studio hier, die 'Trillertrine' zu machen. Andreas Scheinert hat mir das Projekt angeboten. Da es in den jetzigen Zeiten das Beste ist, wenn man arbeitet, sagte ich zu. Weil der Stoff beim ersten Lesen eigentlich amüsant ist, habe ich mich darauf eingelassen, merkte aber dann, dass es doch schwieriger ist, als ich erst dachte."

Wieso?
"Die Idee ist sehr lustig, diese Trillertrine, die dem Mozart hinterher fährt. Aber beim dritten Lesen kriegt man mit, dass es eigentlich nur eine Konstruktion ist. Es fehlt ein bisschen das Sinnliche, das Fleisch und Blut, das ich mir immer bei Figuren wünsche, damit es richtige lebendige Wesen sind."

Die Geschichte hört sich wie eine einzige ausgedehnte Verfolgungsjagd an. Fehlen da nicht ein bisschen die menschlichen Konflikte?
"Wenn man es sich leicht macht, wäre das eine schlichte Verfolgungsjagd. Da wird es irgendwann langweilig, wenn man nach zehn Minuten weiß: Aha, sie kriegt ihn. Die Spannung versuche ich durch lebendige Figuren zu halten."

Erläutern Sie das doch bitte!
"Die Hauptfigur ist für mich die Trine. Alles, was ich der Figur antun kann, damit sie reicher wird, tue ich und nehme lieber bei den anderen Figuren weg. Bei ihrer Jagd nach Mozart muss sie reifer werden. Also, es muss sich lohnen – das ist vielleicht die Moral des Films – sich auf ein Abenteuer einzulassen. Es muss Spaß machen."

Tritt Mozart auf?
"Trine trifft Mozart, aber weiß nicht, dass es Mozart ist. Das ist eine schöne Situation, wobei wir sagten, wir müssten noch eine kleine Szene drehen, wo sie dann die Noten von ihm bekommt. Im Szenarium war vorgesehen, dass sie ihn überhaupt nicht trifft. Ich habe aber das Gefühl, die Kinder wollen das wissen. – Der Film wird ein ganz schöner Schocker. Wir zeigen Mozart kurz vor seinem Tod wirklich als alten kaputten Mann. Man hat ja so ein Klischee von ihm. Er sah am Ende seines Lebens ganz schön desolat aus. So haben wir ihn angelegt – da gab's schon böse Reaktionen. Die Kinder lernen ihn quasi als Dreckschwein kennen. Da erschrecken die Leute alle und sagen: So einen Mozart gibt's nicht!"

Was bedeutet der Titel?
"Das Mozart-Rondo ist berühmt für diese Triller. Das verlangt eine große Perfektion, dieses schnelle Anschlagen der Tasten, diese Triller. Trine ist der Name der Hauptdarstellerin."

Wie alt ist die Hauptdarstellerin?
"Sie ist siebzehneinhalb Jahre alt."

Aus der Projektbeschreibung gewinnt man aber den Eindruck, dass die Trine und die anderen Kinder viel jünger sind. Haben Sie keine passende jüngere Darstellerin gefunden?
"Ich habe die Figur etwas älter gemacht. Auch die Waisenkinder sind alle ein bisschen älter. Wir brauchten ein Mädel, das Violine und Klavier spielen kann. In einem Kinderfilm muss man zeigen, dass sie das wirklich kann."

Hatten Sie Probleme, die Hauptdarstellerin zu finden?
"Das Problem war folgendes: Die Kinder, die perfekt musizieren können, sind meistens Kinder, die eine ganze Menge eingesteckt haben, damit sie dieses tägliche Training machen. Ich kenne das von meinem eigenen Sohn, der auch Violine spielen sollte. Kinder, die jahrelang jeden Tag üben, haben nicht mehr die Quirligkeit, die man sich bei Hauptdarstellern wünscht. Bei diesen Musikantenkindern kommt die Schönheit über die Hände. Kinder, die musizieren, haben für mich so etwas Geschniegeltes, weil sie fast wie Leistungssportler erzogen sind."

Wird der Film allein von der DEFA produziert?
"Nein, es ist eine Koproduktion mit Regina Ziegler in West-Berlin. Die DEFA hätte diesen Film wahrscheinlich nicht gemacht. Wir hatten 2,2 Millionen Mark für diesen Stoff; dafür kann man keinen historischen Film drehen. Da habe ich Frau Ziegler von dem Projekt erzählt. Sie ist eingestiegen."

Wie hoch ist das Budget jetzt?
"Knapp drei Millionen Mark."

Ist der Film fürs Kino gedacht?
"Wir drehen in Dolby Stereo, also wir hoffen, dass er ins Kino kommt. Die Österreicher müssen ihn eigentlich zum Mozart-Jahr bringen."

Wie fühlen Sie sich angesichts der vielen Vorankündigungen zum Mozart-Jahr?
"Ich habe mich nie um Jahrestage gekümmert. Und plötzlich bin ich mittendrin. Ich nehme an, es wird furchtbar. Alles wird vermarktet, was Mozart heißt, egal wie die Qualität ist. Da kommt viel Schrott auf den Markt, nehme ich an. Das wusste ich nicht, dass ich im Mozart-Massenmarathon bin."

Mit dem Regisseur sprach KJK-Mitarbeiter Reinhard Kleber

 

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