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Ausgabe 113-1/2008

VERWÃœNSCHT

ENCHANTED

Produktion: Walt Disney Pic. / Andalasia Prod. / Steiner Studios / James Baxter Animation / Sonnenfeld Josephson Worldwide; USA 2007 – Regie: Kevin Lima – Buch: Bill Kelly – Kamera: Don Burgess – Schnitt: Gregory Perler – Musik: Alan Menken, Stephen Schwartz – Darsteller: Amy Adams (Giselle), Susan Sarandon (Königin Narissa), Patrick Dempsey (Robert), James Marsden (Prinz Edward), Timothy Spall (Knappe Nathaniel) u. a. – Länge: 108 Min. – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: WDS (ehemals Buena Vista) – Altersempfehlung: ab 8 J.

"Verwünscht" beginnt mit dem hinlänglich bekannten, aufwändig in 3-D animierten Disney-Märchenschloss, das nach einer Kamerafahrt ins Bild kommt. Doch in diesem Fall ändert die Kamera nach der Totalansicht des Schlosses die Fahrtrichtung und bewegt sich auf ein Fenster zu. Die Kamera stößt sozusagen zum Wesenskern des Disney-Animationsfilms vor. Hinter dem Fenster liegt auf einem Podest das Buch mit dem Filmtitel. Als es – wie ein Pop-Up-Buch gestaltet – aufgeklappt wird, beginnt die Erzählerin (im Original Julie Andrews, Disneys "Mary Poppins") mit der märchenhaften Geschichte, die im Stil eines klassischen Disney-Zeichentrickfilms beginnt.

Das Mädchen Giselle, das wie Tarzan in einem Baumhaus wohnt, lebt dort mit einer Schar von Tieren – Schneewittchen lässt grüßen! – und bastelt sich mit Hilfe der mit einem trällernden Lied herbeigerufenen Tiere (im Anklang an die Ballkleidszene aus "Cinderella") ihren Traumprinzen. Der naht auch prompt, obwohl ihm die böse Königin Narissa den Knappen Nathaniel an die Seite gestellt hat, der verhindern soll, dass der Prinz je eine Prinzessin findet, weil sie ihre Macht und den Thron nur behalten kann, wenn ihr Stiefsohn nicht heiratet. Aber nach erfolgreicher Trolljagd hört Prinz Edward Giselles Gesang und weiß sofort, dass sie seine Märchenprinzessin ist. Nathaniel will das Treffen der Beiden verhindern, indem er den Troll freilässt, der prompt die Prinzessin fressen will. Den Sieg über den Troll bringt das Backenhörnchen Pip, das laut eigener Aussage wohl ein paar Nüsse zuviel verspeist hat. Man tut gut daran, sich diese Szene – wie einige andere im Film – zu merken, weil sie später noch von Bedeutung für den Ablauf der Handlung sind.

Giselle fällt bei der Rettung vor dem Troll vom Baum und dem Prinzen in die Arme. Schon am nächsten Tag soll die Hochzeit sein. Das wäre eigentlich das Ende des typischen Märchenfilms. Doch da beginnt erst die eigentliche Handlung. Die böse Königin schickt nämlich die angehende Prinzessin im Hochzeitskleid in die gar nicht märchenhafte Umwelt von New York. Dort trifft Giselle auf den märchenresistenten, alleinerziehenden Scheidungsanwalt Robert. Das Durcheinander in der Wohnung des Anwalts bringt Giselle mit ihrem Trällersong in Ordnung, der hier natürlich keine Waldtiere, sondern Ratten, Tauben und Kakerlaken zur Reinigung herbeiruft. In ihrer naiven Märchenmentalität wirbelt Giselle Roberts Leben gehörig durcheinander und bezaubert im Central Park jedermann mit ihrem Lied. Die Folge ist eine der witzigsten Musical-Tanznummern, die man sich vorstellen kann. Komplikationen ergeben sich dadurch, dass Robert verlobt ist, dass Pip Edward dazu bringt, Giselle in die Realität zu folgen, dass Narissa ihm den Aufpasser Nathaniel samt Giftäpfeln nachschickt und schließlich selbst ins Geschehen eingreift. Kurz vor Mitternacht kulminiert dann die Geschichte, ehe sie in ein märchenhaftes Ende in der realen und in der Zeichentrickwelt mündet.

Dieser kurzweilige Disney-Film ist voll gestopft mit Zitaten aus anderen Disney-Filmen, mit vielen kleinen und großen, stets treffsicher eingesetzten Gags und einer Erzählung, die sowohl märchenhaft als auch parodistisch ist. Es gab ja schon viele Disney-Imitationen und Persiflagen, aber dies ist die schönste Parodie, die zugleich den Charme und den Zauber eines Disneyfilms darbietet. Wenn man sich die gezeichneten und die realen Figuren ansieht, lernt man ganz en passant auch einiges darüber, wie reale Darsteller für Zeichentrickfilme in ein gezeichnetes Alter Ego verwandelt werden.

Die Konfrontation Märchen- und Realwelt sorgt für die Komik des Films, aber auch für die Lösung des sich daraus ergebenden dramatischen Konflikts. Es ist eben doch so, wie Giselle behauptet, dass sich Träume – wie das in den Disney-Themenparks ein geflügeltes Wort ist – realisieren lassen. Dieser Traum von einem Film ist ein köstliches Vergnügen nicht nur für Disney-Fans. Er ist auch ein Filmspaß für jeden, der Zeichentrickfilme und Märchen albern findet. Kurz, Kevin Lima, der schon bei "Tarzan" und dem "König der Löwen" als Regisseur tätig war, kann einen neuen Treffer für sich verbuchen, zu dessen Erfolg auch Filmkomponist Alan Menken (bisher acht Oscars!) einen nicht unwesentlichen Beitrag leistet.

Obwohl sich die böse Hexe am Ende in einen bösen Drachen verwandelt, der mit ein bisschen Nachhilfe von einem leicht übergewichtigen Backenhörnchen besiegt wird, gibt es in diesem Film kaum Szenen, die für zartere Gemüter zu bedrohlich wirken. "Verwünscht" ist eine singende, klingende, bunte Seifenblase, ein hübscher Filmspaß, ein bisschen was fürs Gemüt, eben in seiner scheinbar untypischen, parodistisch angehauchten Mach- und Erzählart letztlich doch auch ein typischer Disneyfilm für Jung und Alt.

Wolfgang J. Fuchs

 

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