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Ausgabe 116-4/2008

KRABAT

KRABAT

Produktion: Claussen+Wöbke+Putz / Seven Pictures; Deutschland 2008 – Regie: Marco Kreuzpaintner – Buch: Michael Gutmann, Marco Kreuzpaintner, nach dem gleichnamigen Roman von Otfried Preußler – Kamera: Daniel Gottschalk – Schnitt: Hansjörg Weissbrich – Musik: Niki Reiser – Darsteller: David Kross (Krabat), Daniel Brühl (Tonda), Christian Redl (Meister), Robert Stadlober (Lyschko), Paula Kalenberg (Kantorka), Anna Thalbach (Worschula) u. a. – Länge: 120 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – FBW: besonders wertvoll – Verleih: Fox – Altersempfehlung: ab 12 J.

Otfried Preußlers Roman "Krabat" diente bereits 1977 dem tschechischen Regisseur Karel Zeman als Vorlage für seinen Animationsfilm, doch eine Realverfilmung stand bis heute aus. Nun endlich – und viele Schulen werden schon lange auf eine Kinoversion gewartet haben – kommt eine adäquate Live-Action-Version des 1971 erschienenen und mehrfach ausgezeichneten Buches, das sich weltweit 2,1 Millionen Mal verkauft hat und in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurde, in die deutschen Kinos.

Nach der positiven Reaktion des 84-jährigen Schriftstellers auf die Verfilmung durch den Regisseur Marco Kreuzpaintner dürfte auch die große Lesergemeinde bei der bildgewaltigen, phantastischen Kinofassung von Preußlers Version der sorbischen Sage auf ihre Kosten kommen. Schließlich wartet der Film mit hohen Schauwerten, einer spannenden Story, erstklassigen Computertricks und einem prominenten Darstellerensemble auf.

Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) stirbt die Mutter von Krabat an der Pest. Mit zwei Kameraden zieht der Waisenknabe bettelnd durch die Lande und hält sich mühsam über Wasser. Als ihm ein seltsamer Müllermeister eine dreijährige Lehre anbietet, willigt der hungrige Betteljunge sofort ein. Bald findet der 14-Jährige heraus, dass die abgelegene Mühle ein Hort der Schwarzen Magie ist. Der Meister lehrt die zwölf Gesellen, sich in Raben zu verwandeln, die nachts über die Wälder fliegen können. Bei der Arbeit freundet er sich mit dem älteren Tonda an, der die Gesellengruppe anführt. Als Krabat auf einem der Ausflüge im idyllischen Dorf Schwarzkollm dem lieblichen Bauernmädchen Kantorka begegnet, verliebt er sich in sie. Doch der Meister will ihn nicht freigeben. Um Krabat auf seine Seite zu ziehen, bietet er ihm sogar die Nachfolge an. Ein verführerisches Angebot, doch dann erkennt Krabat, wie hoch der Preis ist. Der Müller muss nämlich jedes Jahr einen seiner Schüler dem Gevatter Tod überlassen, um selbst am Leben zu bleiben. Da eine Flucht aussichtslos ist, bleibt nur noch ein Ausweg: Die Kraft der Liebe.

Wer bisher die Ansicht vertritt, bei aufwändigen Historienfilmen mit großem Trickaufwand könne die deutsche Filmwirtschaft qualitativ mit Hollywood nicht mithalten, wird von "Krabat" eines Besseren belehrt. Natürlich kann man von einer elf Millionen Euro teuren Produktion nicht erwarten, dass sie mit so vielen VFX-Effekten aufwartet wie Fantasy-Spektakel vom Schlage "Harry Potter" oder "Narnia", die über mehrfach höhere Budgets verfügen. Aber die sichtbaren und unsichtbaren Bildbearbeitungen von "Krabat" – immerhin wurde jede fünfte Einstellung im Computer verändert – sind vorzüglich umgesetzt. Besonders angenehm daran: Die Tricks dienen nicht zum Angeben, sondern stehen – ebenso wie die sorgfältige Ausstattung – immer im Dienst der düsteren Geschichte, die hier in einer Verbindung von Abenteuer- und Fantasy-Film sowie Coming-of-Age-Drama erzählt wird. Auch die Bilder der einsamen, kargen Hügellandschaften, die es in dieser Unberührtheit auch in der Lausitz, wo die Sage spielt, nicht mehr gibt und deshalb im Vorland der rumänischen Karpaten aufgenommen wurden, sind beeindruckend.

Wie schon in seinem Jugendfilm "Sommersturm" zeigt der 31-jährige Regisseur Marco Kreuzpaintner, dass er die ungestüme Lebenslust junger Burschen auf die Leinwand bannen und ein breites Darstellerensemble sicher führen kann. Mit David Kross ("Knallhart") haben er und die Produzenten einen talentierten Hauptdarsteller gefunden, der die schwere Aufgabe meistert – auch wenn die Leistung des Nachwuchsdarstellers an die Leinwandpräsenz älterer Kollegen wie Daniel Brühl als Geselle Tonda und Christian Redl als Müller (noch) nicht heranreicht. Von den Jungdarstellern seien ferner die markanten Auftritte von Robert Stadlober als Halunke Lyschko und Paula Kalenberg (Kantorka) hervorgehoben. Sicher durch den Film führt die sonore Erzählerstimme von Otto Sander.

Zwar werden Literaturpuristen monieren, dass einige Motive und Erzählstränge der Vorlage im Film – aus dramaturgischen Gründen durchaus nachvollziehbar – gekürzt wurden. Und dass der seifige Popsong des Abspanns im krassen Kontrast zum sonstigen stimmungsvollen Soundtrack steht. Oder der Action-Einsatz der Müllergesellen gegen marodierende Soldaten, die Kantorkas Dorf überfallen, wie ein Fremdkörper in diesem phantastischen Mikrokosmos wirkt. Doch das sind eher Marginalien angesichts der Qualität der temporeichen Umsetzung, die trotz der unumgänglichen Kürzungen Ton und Gehalt der Vorlage gerecht wird, wie ja auch Preußler bekundet hat. Da der Roman nach wie vor Schulstoff ist, besitzt der Film zudem großes Repertoire-Potenzial. Für jüngere Kinder ist der "Krabat"-Film allerdings wegen einiger gruseliger Szenen (etwa rund um die Knochenmühle), der durchweg düster-morbiden Stimmungslage, des unseligen Paktes mit dem Tod und des Mordmotivs nur eingeschränkt geeignet.

Reinhard Kleber

Siehe auch Statements von Regisseur Marco Kreuzpaintner und Begründung für FBW-Prädikat "besonders wertvoll" in: Pressedienst Stiftung Kuratorium junger deutscher Film INFORMATIONEN No. 44

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.KRABAT im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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