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Ausgabe 116-4/2008

Mit wenigen Mitteln viel erreicht

Gespräch mit Uwe Rosenbaum, Vorstandsmitglied in der Stiftung Kuratorium junger deutscher Film

Interview

KJK: Vor zehn Jahren erfolgte eine grundsätzliche Umstrukturierung des "Kuratoriums junger deutscher Film". Wie war damals die Situation innerhalb des Kuratoriums und welche Veränderungen wurden vollzogen?
Uwe Rosenbaum: "Die Situation damals war eine programmatische als auch eine personelle Unschärfe innerhalb des Kuratoriums. Der Ursprungsgedanke von Oberhausen aus dem Jahre 1965, man müsse den Autorenfilm stärken und damit der deutschen Filmszene innovative Impulse geben, hatte sich zwar nicht überholt, doch er war undeutlich geworden. Inzwischen gab es starke Länderfördereinrichtungen und auch die hatten sich die Talentförderung zur Aufgabe gemacht. Vom Kuratorium ging keine besondere Strahlkraft mehr aus und so kam von Bayern her der Gedanke auf, für diese, von den Ländern finanzierte Einrichtung gäbe es keine Notwendigkeit mehr."

Das heißt konkret, das Kuratorium stand vor seiner Abwicklung?
"So war die Situation. Es wäre aber schade gewesen, eine so sinnvolle Einrichtung, die länderübergreifend arbeiten kann, einfach aufzugeben. So entstand im Förderverein Deutscher Kinderfilm die Idee, das Kuratorium im Sinne einer komplexeren Kinderfilmförderung umzugestalten und ihm damit gleichzeitig ein den Anforderungen der Zeit entsprechendes originäres Profil zu geben. Ich war zu jener Zeit in den Vorstand des Kuratoriums gewählt worden und so habe ich mich in Frankfurt im Cafe des Filmmuseums mit dem damals ebenfalls neu gewählten Vorsitzenden Andreas Schardt zusammengesetzt, damit wir überlegen konnten, was zu machen sei. Im Ergebnis stand für uns fest, wir konzentrieren uns ganz klar auf zwei Arbeitsschwerpunkte – Talentförderung und Kinderfilmförderung – und dies wurde auch gesellschaftlich akzeptiert."

Der Kinderfilm wurde damals schon recht gut durch das BMI unterstützt. Was sollte ergänzend mit dem Kuratorium erreicht werden?
"Unser Augenmerk richtete sich von Anfang an auf die Entwicklung neuer Stoffe und wir strebten eine enge Kooperation mit den Länderförderern an. So haben wir gesagt, wir brauchen nicht mehr Auswahlgremien von es gut meinenden Medienpädagogen, die auf der Suche nach Themen für den Bildungsalltag sind, sondern wir müssen die Länderförderer beteiligen, die dann auch das Geld haben, um ordentliche Stoffe umzusetzen. Wirtschaftliches Denken sollte bei den Entscheidungen auch eine Rolle spielen. Dahinter verbarg sich auch der Gedanke, dass Projekte, die die Zustimmung eines solchen Gremiums finden, später leichteren Zugang zu weiteren Förderinstanzen haben könnten."

Ihnen wurde damals von verschiedenen Seiten der Vorwurf gemacht, sie hätten ob dieser Entscheidungen vordergründig eine Kommerzialisierung des Kinderfilms im Auge?
"Der Vorwurf wurde uns gemacht. Doch das war nie unsere Absicht und die Arbeit hat inzwischen auch deutlich gezeigt, dass eine so vereinfachte Sicht nicht gestimmt hat. Wir haben versucht, einen Weg zwischen den rein kommerziellen Produktionen, die ihre Berechtigung haben und die sich allerdings am Markt von allein durchsetzen müssen, und den absichtsvollen vordergründig pädagogisch orientierten Stoffen zu finden. Vom Kuratorium sollte eine kompetente Orientierung für die Förderer in Sachen Kinderfilm ausgehen. Von daher haben wir eine aktive Dramaturgie installiert, die für den Auswahlausschuss die besten Angebote herausfiltern und aufbereiten sollte. Solche Gremien reagieren immer unwillig, wenn sie mit einer Flut von Anträgen konfrontiert sind, wo eher naive Menschen der Meinung waren, sie müssten sich unbedingt in Form eines Drehbuchs entäußern."

Das Kuratorium hat also in beiden Schwerpunktbereichen Dramaturgen installiert, die diese Arbeit geleistet haben. Im Talentfilmbereich hat diese Aufgabe Inga Pudenz bis 2004 übernommen und sie dann ab 2005 an Gabriele Brunnenmeyer weiter gegeben. Im Kinderfilmbereich war es von Anfang an Thomas Hailer und seit August 2008 ist dies Beate Völcker. Wie muss man sich deren Arbeit vorstellen?
"1998 habe ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Kollegen begeben. Durch Claus Strigel und Bertram Verhaag von der Münchner Firma DENKmal-Film wurde ich auf Thomas Hailer, der dort gerade mit dem Film 'Die grüne Wolke' beschäftigt war, aufmerksam gemacht. Mit diesem hatte ich mich dann getroffen und wir sind uns sehr schnell einig geworden. Seine Aufgabe im Rahmen des Kuratoriums war in zweierlei Hinsicht beschrieben: Zunächst galt es, vorliegende Stoffe für das Auswahlgremium zu lektorieren. Danach hat das Kuratorium aber auch Beratung durch seinen Dramaturgen für geförderte Stoffe als geldwerte Leistung zur Verfügung gestellt. Im Idealfall floss das Äquivalent dieser Dienstleistung bei Realisierung eines Drehbuchs als bare Einnahme an das Kuratorium zurück."

Liegt in einer solchen Aufgabenkonzentration auf wenige Personen nicht die Gefahr, dass potenziell wertvolle Stoffe übersehen werden könnten?
"Eine solche Gefahr möchte ich ausschließen. Abgesehen von der erwiesenen großen Kompetenz unserer Dramaturgen wird generell von jedem eingereichten Stoff ein Lektorat angefertigt. Diese Lektorate diskutieren wir dann intern, wobei durch unterschiedliche Sichtweisen durchaus noch eine Verschiebung der Prioritäten eintreten kann. Darüber hinaus stehen den Mitgliedern des Auswahlgremiums neben den empfohlenen Stoffen auch alle anderen Lektorate zur Verfügung, so dass sie sich selbst einen Überblick verschaffen können. Im Rückblick kann gesagt werden, dass sich das Auswahlgremium durch die Arbeit unseres Dramaturgen immer gut beraten fühlte und sich vorbehaltlos auf die Konstruktion eingelassen hat. Die Förderer waren über die Zusammenarbeit froh und das Kuratorium hatte wieder Substanz, die sich produktiv auswirkte. Dies zeigt sich übrigens auch in der guten Kooperation mit der Filmförderung durch den BKM. Hier haben wir entsprechend der jeweiligen Möglichkeiten eine sinnvolle Arbeitsteilung gefunden. Wir konzentrieren uns auf die Stoffentwicklung, sichten und profilieren vorhandene Ideen und Angebote und der BKM steigt auf der Grundlage ausgereifter Drehbücher in eine Produktionsförderung ein.
Wichtig ist aber auch darauf hinzuweisen, dass unsere Dramaturgie nicht nur auf Angebote reagierte, sondern selbst aktiv wurde. Kleine Ideen, deren Potenzial erkannt wurde, erfuhren eine gezielte Förderung. Als besonderes Beispiel ist in diesem Zusammenhang etwa 'Der kleine Eisbär' hervorzuheben. Darüber hinaus haben wir mehr als 800 Kinderbücher gesichtet, um relevante filmische Ansatzpunkte herauszufiltern. Inzwischen haben wir eine beachtliche Stoffdatenbank, die Produzenten zur Verfügung steht."

Dieses Angebot ist auf der Internetseite des Kuratoriums einzusehen. Es fällt überhaupt auf, dass Sie sehr viel dafür getan haben, um öffentlich wahrgenommen zu werden.
"Öffentliche Transparenz war uns von Anfang an wichtig. So haben wir unser Informationsblatt entwickelt: Die 'Informationen' des Kuratoriums liegen quartalsweise der KJK bei und wurden darüber hinaus an etwa 800 Interessenten bis vor Kurzem verschickt, inzwischen werden sie per e-mail versandt und sind im Internet einzusehen (www.kuratorium-junger-film-de). Darüber hinaus haben wir immer wieder mit Festivals kooperiert und wir sind auf Tagungen, Symposien und Gremien präsent. Wir haben auch in den Akademiegedanken investiert. So haben wir in den ersten drei Jahren im Sinne einer Anschubfinanzierung die vom Förderverein Deutscher Kinderfilm initiierte Sommer- bzw. später Winterakademie zur Profilierung von Drehbuchautoren unterstützt."

Sie haben in den letzten zehn Jahren über das Kuratorium mit relativ wenigen Mitteln sehr viel für die Entwicklung des deutschen Kinderfilms getan. Warum liegt Ihnen persönlich eigentlich der Gegenstand so sehr am Herzen?
"Ich bin der Meinung, das große Humanum muss zuerst die Kinder erreichen. Man muss wie in einen 'Nürnberger Trichter' das Bestmögliche in die Kinder hineingeben. Sie werden sich dann den für sie relevanten Teil schon suchen. Ich kenne das DEFA-System nur von außen. Doch ich weiß aus vielen Gesprächen, welchen Wert es hatte, dass dort, wie auch beim DDR-Fernsehen, eine Produktion für Kinder permanent auf der Tagesordnung stand. Viele der dort entstandenen Filme sprachen mich, aber auch meine Kinder in hohem Maße an. Diese Arbeit hat mich überzeugt und ich habe daraus die Gewissheit gewonnen, dass die Filmproduktion für Kinder unterstützungsbedürftig ist und somit aktiv betrieben werden muss. In der Bundesrepublik ist dagegen zu beklagen, dass Kinderfilme eher zufällig entstehen. Es gibt keinen Ort, wo dies eine absolute Verpflichtung wäre. Ich glaube, die Fördereinrichtungen wären dankbar, wenn sie in dieser Richtung Hilfe bekämen."

Sie sprachen den Zufall an. In den letzten zehn Jahren hatte der Kinderfilm in Deutschland, auch dank der Arbeit des Kuratoriums, einen spürbaren Aufschwung. Paradoxerweise zeichnet sich nunmehr aber ein Einbruch ab. Das wird allein dadurch deutlich, dass momentan nur ganz wenige Förderanträge zur Kinderfilmproduktion eingereicht werden. Ist es das, was Sie mit "zufällig" meinen?
"So kann man das sehen. Das wird immer dann besonders deutlich, wenn sich ein Mitspieler aus der Szene mehr oder weniger verabschiedet. Im Augenblick gibt es die Tendenz, dass sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, von den privaten will ich gar nicht sprechen, aus der Filmproduktion für Kinder verabschieden. Sie stecken ihr Geld in den Ankauf oder die Eigenproduktion von Serien. Das Denken konzentriert sich auf programmplatzbezogene Kontinuität. Es gibt immer weniger Sendeplätze, wo in dieser Woche Gritta, in der nächsten Pippi und in der übernächsten Max Minsky auftauchen kann. Heute heißt es, entweder eine Serie für immer oder wir lassen es.
Es fehlt an der Grundaufmerksamkeit für den originären Kinderfilm, wie es bei der DEFA üblich war und wie wir es teilweise bei den großen Sendeanstalten auch einmal hatten. Damit meine ich nicht die 53. Version von 'Emil und die Detektive'. Was wir brauchen, ist der kleine, überschaubare und ungewöhnliche Kinderfilm, der mit der Realität der Kinder spielt und nicht spektakulären Handel treibt. Dabei müsste es um Themen wie Kinder und elterliche Krisen, Kinder und Tod, Kinder und zerbrechliche Freundschaft, Kinder und Trennung oder Kinder und das Fremde gehen. Das sind Themen, die immer wieder neu durchdacht und mit Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Realität hinterfragt werden müssen.
Ohne Mitwirkung der Fernsehsender können solche Filme nicht entstehen. Der Kinomarkt allein trägt solche Projekte nicht. Offenbar müssen wir momentan beobachten, dass potenzielle Autoren solcher Stoffe sich resigniert zurückziehen, da die Umsetzung ihrer Ideen allzu vage erscheint."

Für ein Jubiläumsgespräch klingt das nun aber sehr pessimistisch. Gibt es denn eine Idee, wie man aus der angedeuteten Misere herauskommen könnte?
"Wie ich schon sagte, wir brauchen ein Zentrum, für das die Produktion von Kinderfilmen eine absolute Verpflichtung wäre. Ich könnte mir diesbezüglich eine Kinderfilmstiftung vorstellen, die alle Kräfte, die auf diesem Gebiet tätig sind, bündelt und die entsprechende Lobbyarbeit leistet. Getragen von öffentlichen Förderern, den Fernsehanstalten und Sponsoren könnten unter dem Dach einer solchen Stiftung Hochschulen, Festivals, Interessenverbände, Multiplikatorengruppen und Produzenten im Sinne eines qualitätsvollen Angebots für Kinder zusammenarbeiten. Vorstellbar wäre, dass auf der Basis der Tätigkeit der letzten zehn Jahre das Kuratorium zum Gründungskern einer solchen Stiftung werden könnte. Doch die Entscheidung darüber ist noch lange nicht getroffen. Auch die Talentfilmförderung hat ihren berechtigten Anspruch auf eine länderübergreifende Heimstatt. Zwischen Vorstand, Stiftungsrat und den Kultusministern der Länder steht eine ausführliche Debatte bevor. Wir werden sehen ..."

Mit Uwe Rosenbaum sprach Klaus-Dieter Felsmann

 

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Interviews

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Hintergrundartikel

„Dornröschen“|


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