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Ausgabe 64-4/1995

CHANG

Produktion: Adolph Zukor und Jesse Lasky, USA 1927 – Ausführende Produzenten, Buch und Regie: Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack – Musik: Bruce Gaston, Fong Naam – Darsteller: Kru, Chantui, Nah und Ladah Muang, 500 Jäger aus dem Nan District und Chumphon, Siam (Thailand), der Gibbon Bimbo, 400 Elefanten, Tiger, Leoparden, Pythons und andere wilde Tiere – Länge: 68 Min. – Schwarzweiß – Vertrieb: Milestone Film & Video Release, 275 West 96th Street, Suite 28C, New York, New York 10025 USA, Tel. (212) 865-7449. Fax (212) 222-8952 – Altersempfehlung: ab 8 J.

"Chang" erzählt die Geschichte einer jungen Bauernfamilie im Nordosten von Siam, die sich von anderen Menschen abgeschieden am Rande des Dschungels niedergelassen hat. Kru und seine Frau Chantui haben drei kleine Kinder, den Jungen Nah, das Mädchen Ladah und ein Baby. Ein weiterer Hausbewohner ist der Gibbonaffe Bimbo: eine stete Quelle der Freude und des Ärgers, weil er nichts als Unfug im Sinn hat. Der Film zeigt uns, mit welchen Schwierigkeiten die Menschen vor der Stufe der Zivilisation lebten, wie ihr täglicher Überlebenskampf aussieht und wie sie sich mit der Natur, dem Dschungel und den Tieren arrangieren müssen: das Fällen der Bäume zum Bau der Hütten, die Versorgung der Tiere, das Bestellen der Felder, die Zubereitung der Mahlzeiten und andere häusliche Verrichtungen. Alle, auch die Kinder, sind vollauf beschäftigt.

Wenn die Familie schläft, wacht der Dschungel auf. Ein Leopard verunsichert die Gegend, fällt das Vieh an. Kru baut eine Falle und kann den Eindringling töten. Eine weitere Gefahr droht von einem Tiger. Um ihn zu fangen, bedarf Kru der Hilfe erfahrener Jäger aus dem benachbarten Dorf. Mit vereinten Kräften gelingt das lebensgefährliche Unternehmen, bei dem Kru sich im letzten Augenblick noch auf einen Baum retten konnte.

Die größte Gefahr aber geht von den Elefanten – "Changs" – aus. In dem Augenblick, als Kru den mühsam angebauten Reis ernten will, wird das Feld zerstört. Eine Herde trampelt seinen Hof und das Dorf nieder. Die Menschen konnten sich zuvor in Sicherheit bringen und bauen aus Holz einen riesigen Kral, in den sie später die Elefanten treiben. Nach und nach richten sie sie als Arbeitstiere ab. Kru, Chantui, die Kinder und Bimbo kehren zu ihrer Farm zurück und fangen neu an. Dabei hilft ihnen ein "Chang" – aus dem gewalttätigen, früheren Feind ist nun ein kräftiger und loyaler Mitarbeiter geworden. Die Zeit geht weiter, noch ist es friedlich. Aber wie lange – Tage, Monate oder Jahre?

Der wie ein Dokumentarfilm anmutende Film zeigt das Dschungelleben in stimmungsvollen, ausdrucksstarken Schwarzweiß-Bildern. Er nimmt sich Zeit für genaue Beobachtungen und geht in seiner Beschreibung der einzelnen Episoden – wie z. B. der Bau einer Falle oder die Treibjagd auf die Elefanten – liebevoll ins Detail. "Chang" steht in der Tradition der Filme von Flaherty ("Nanook") und Murnau ("Sunrise"); er vermittelt keine verkitschte Tarzan-Idylle, sondern hat die Qualität einer Kipling-Story, da er eine einfache, aber eindrucksvolle Geschichte effektvoll aufbereitet und mit Spannung und Humor würzt. Die Bilder, die von glücklichen, friedlichen Zeiten berichten, stehen in einem angemessenen Verhältnis zu denen über Gewalt und Zerstörung. Da alle bedrohlichen, Angst einflößenden Momente von der Kamera nicht spektakulär arrangiert, sondern zurückhaltend gefilmt wurden, ist "Chang" wegen seiner Originalität und Frische ein Film, der sich besonders für Kinder eignet.

"Chang" wurde am 28. April 1927 im Rivoli Theatre, New York City, uraufgeführt und für den Academy Award ("Artistic Quality of Production") nominiert. Die Kopie des Films war lange Zeit – über 60 Jahre – in irgendwelchen Archiven versteckt. Die Firma Milestone Film & Video in New York hat sie restauriert und den Film 1991 erstmals wieder aufgeführt. 1994 gewann er beim Aubervilliers Children's Film Festival den Großen Preis; 1995 erlebte er beim Filmfest München im Kinderkino im Olympiadorf seine deutsche Kino-Erstaufführung.

Rechtzeitig zu den Geburtstagsfeierlichkeiten "100 Jahre Film" ist ein Meisterwerk von Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack entdeckt worden, das wie ihre Filme "King Kong" und "Grass" zu den Klassikern des Phantastischen Films zählt. Das, was sich während der Produktion des Films bei den Dreharbeiten in Siam ereignet hat, gibt genug Stoff für einen eigenen Abenteuerfilm her. Für Cooper ist "Chang" der beste Film, den er je gemacht hat und der dem Motto der Cooper-Schoedsack-Produktionen zur Ehre gereicht: "The Three Ds: Keep it Distant, Difficult and Dangerous."

Horst Schäfer

 

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Ausgabe 64-4/1995

 

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