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Ausgabe 137-1/2014

FACK JU GÖHTE

Bild: FACK JU GÖHTE
© Constantin

Produktion: Rat Pack Filmproduktion; Deutschland 2013 – Regie und Buch: Bora Dagtekin – Kamera: Christof Wahl – Schnitt: Charles Ladmiral – Musik: Beckmann, Djorkaeff, Beatzarre – Darsteller: Elyas M’Barak (Zeki Müller), Karoline Herfurth (Lisi Schnabelstedt), Katja Riemann (Gudrun Gerster), Jana Pallaske (Charlie), Alwara Höfels (Caro), Jella Haase (Chantal), Max von der Groeben (Danger), Erdal Yildiz (Attila) u.v.a. – Länge: 118 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – Verleih: Constantin – Alterseignung: ab 14 J.

Kleingangster Zeki Müller wird nach zwei Jahren aus dem Knast entlassen. Sein erster Weg führt zur treuen Freundin Charlie ins Rotlichtmilieu. Sie hat Zekis Beute auf dem Sportplatz der Goethe-Gesamtschule genauestens kartografisiert vergraben. Müller fällt fast in Ohnmacht, als dort eine neue Sporthalle steht. Clever wie er nun mal ist, bewirbt er sich als Hausmeister. Bei seiner Ankunft bricht das Chaos aus mit dem Ergebnis, dass Herr Müller als Aushilfslehrer engagiert ist, da sich wieder mal eine Lehrerin aus dem Fenster gestürzt hat – wegen der Horrorklasse 10 b. Zeki verschafft sich den Turnhallenschlüssel und gräbt nachts nach der Beute, während er tagsüber zunehmend in Schulstress gerät. Die Direktorin schickt ihn in die berüchtigte Klasse, aus der die engagierte hübsche Referendarin Lisi Schnabelstedt weinend flüchtet. Zekis Start verläuft grandios, ballert er doch mit dem Farbgewehr die Boykotteure zurück in die Klasse. Eins zu Null für ihn. Aber dann kommt es dicke, verschmiert und gefedert bleibt er zurück, was die Direktorin ziemlich kalt lässt. Jetzt packt Zeki seine Lebenstipps aus, aus dem Rotlicht- und Gangster-Milieu, und wird bewundert. Als er eine Expedition in die Randgruppen der Gesellschaft mit den Problemkindern  unternimmt, die teilweise von Karrieren als Hartz-Vierer und Dealer träumen, wird’s hart. Er öffnet ihnen die Augen, auch darüber, dass sie längst aufgegeben sind. Und verlangt, dass sie ihn im Unterricht gefälligst in Ruhe lassen, ihre Klappe halten, denn er denke überhaupt nicht daran, ihnen irgendetwas beizubringen. Gegen ihren Willen befinden sich die Loser im Lernprozess wie auch ihr Lehrer, der schon den dritten und vierten Fall beherrscht – dank Referendarin Lisi, die den frechen, aber irgendwie doch coolen Typ unter ihre Fittiche genommen hat. Rein pädagogisch natürlich.

Und so nimmt die Geschichte eine pädagogisch wertvolle Entwicklung. Die Schüler der 10 b haben mehr auf dem Kasten als sie geahnt haben, freuen sich über erste Erfolgserlebnisse in Zusammenarbeit mit den verachteten Strebern, ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, von Zeki Müller auf typisch krasse, erpresserische Weise initiiert. Dass der gehobene Schatz einem guten Zweck zugeführt wird, versteht sich von selbst. Ebenso, dass Zeki Müller soweit gezähmt ist, dass er zu einem Reclamheft greift, sogar darin liest und ganz süß um die Referendarin wirbt. Krönender Abschluss ist eine umjubelte Schulaufführung frei nach Shakespeares "Romeo und Julia" – wie bei "Hanni und Nanni 3".

Die Geschichte ist total unkorrekt, frauenfeindlich, lehrerfeindlich, schülerfeindlich, respektlos, manchmal richtig grob und derb – aber reinen Herzens, um es mal pathetisch zu sagen. Es werden zwar alle Protagonisten gnadenlos demontiert, aber keiner wird fallengelassen. Der Drehbuchautor und Regisseur Bora Dagtekin, Schöpfer der Fernsehserie "Türkisch für Anfänger" und des gleichnamigen Spielfilms, hat sie alle gern, die heulende Chantal wie die anderen Schulversager, die derangierte Direktorin, die herzzerreißend schluchzende Lisi, den bildungsfernen, aber verdammt gut aussehenden Zeki, der tatsächlich das Zeug zum Lehrer hat. Natürlich nicht nach den Vorgaben des Kultusministeriums. Dagtekin erzählt lustvoll und unbekümmert eine haarsträubende Schulgeschichte, Katja Riemann als Direktorin läuft zur Höchstform auf. Auch die anderen schlüpfen voller Freude in die ihnen zugedachten Rollen. Der Filmemacher schielt nicht nach Anerkennung und Ausgewogenheit, sondern übertreibt dermaßen, dass es – nicht immer und nicht für jeden – eine Freude ist. Man muss die Protagonisten mögen, das Schräge und das Schrille. Erfrischend ist auch, dass hier keiner über dem andern steht und  nicht der hohe Ausländeranteil, ADHS, Burnout und andere psychische Störungen als Ursache der Schulmisere herhalten müssen.

Elyas M’Barak, der in München geborene kongeniale Hauptdarsteller, als liebenswerter Macho-Türkensohn Cem in "Türkisch für Anfänger" unvergessen, ist als Lehrer Zeki Müller nicht mehr der obligate Türke in einer deutschen Komödie. Hier ist es völlig egal, woher sie kommen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Jugendliche Zuschauer sind begeistert von Zeki Müller und mancher Lehrer empfindet eine klammheimliche Freude über diesen Kollegen. Bis Redaktionsschluss haben sechs Millionen Zuschauer "Fack ju Göhte"  gesehen, ein riesiger Erfolg an der Kinokasse.

Gudrun Lukasz-Aden

 

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Ausgabe 137-1/2014

 

Inhalt der Print-Ausgabe 137-1/2014|

Filmbesprechungen

AM HIMMEL DER TAG| AUF DEM WEG ZUR SCHULE| BELLE UND SEBASTIAN| BETHLEHEM| DEINE SCHÖNHEIT IST NICHTS WERT| DIE EISKÖNIGIN – VÖLLIG UNVERFROREN| ELLA UND DAS GROSSE RENNEN| FACK JU GÖHTE| FÜNF FREUNDE 3| GABRIEL| DER HOBBIT – SMAUGS EINÖDE| KARSTEN UND PETRA – BESTE FREUNDE| KEINOHRHASE UND ZWEIOHRKÜKEN| KROKODILE OHNE SATTEL| PETTERSSON UND FINDUS – KLEINER QUÄLGEIST – GROSSE FREUNDSCHAFT| PIONIEREHRENWORT / ICH GEBE DIR MEIN WORT| DIE PUSTEBLUMEN| DIE SCHWARZEN BRÜDER| TRAUERE NICHT UM MICH, GÖTEBORG| VIELEN DANK FÜR NICHTS| DIE ZWÖLF MONATE|

Interviews

- Interviews mit den Filmförderern der Bundesländer zum Kinderfilm, Teil 3| Graf Rothkirch, Thilo - "Das Marketing für deutsche Animationsfilme müsste stark gefördert werden"| Klinajew, Jegor und Semjon Treskunow - "Ganz gewöhnliche Jungen"| Peters, Maria - "Diese Geschichte hat viel mit meinen eigenen Erfahrungen als Kind zu tun"| Sieben, Thomas - "Der Film ist ein Experiment"| Tabak, Hüseyin - "Man muss eine menschliche Lösung finden"|

Hintergrundartikel

Märchenfilme in ARD und ZDF zu Weihnachten 2013| „Ehrenschlingel“ für Thilo Graf Rothkirch|


KJK-Ausgabe 137/2014

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