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Ausgabe 137-1/2014

DER HOBBIT – SMAUGS EINÖDE

Bild: DER HOBBIT – SMAUGS EINÖDE
© Warner Bros.

THE HOBBIT: THE DESOLATION OF SMAUG

Produktion: New Line Cinema / MGM /  Wingnut Films; USA / Neuseeland 2013 – Regie: Peter Jackson – Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, Guillermo del Toro, nach dem Roman von J.R.R. Tolkien – Kamera: Andrew Lesnie – Spezial Make-Up, Kreaturen, Miniaturen, Digitaleffekte: Weta Ltd. – Senior Visual Effects Supervisor: Joe Letteri – Schnitt: Jabez Olssen – Musik: Howard Shore  Darsteller: Martin Freeman (Bilbo Beutlin), Ian McKellen (Gandalf), Richard Armitage (Thorin Eichenschild), Evangeline Lilly (Tauriel), Benedict Cumberbatch (Smaug) u. a. – Länge: 161 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – Verleih: Warner Brothers – Altersempfehlung: ab 14 J.

Vorbemerkung zur Technik
Beim Start des ersten Hobbit-Films (siehe KJK Nr. 133) wurde ja allseits ein großes Gewese veranstaltet um das ach so neue HFR-Verfahren mit erhöhter Bildfrequenz. Aber auch hier gilt: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Denn bereits in den frühen 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts experimentierte Douglas Trumbull (der Trickspezialist für Kubricks "20001 – Odyssee im Weltraum") mit diesem Verfahren, das er damals Showscan nannte: 60 Bilder pro Sekunde, gedreht auf einer modifizierten 70mm-Kamera und vorführbar nur mit Spezial-Projektoren; letzteres war wohl auch der Grund dafür, warum sich das Verfahren nie am Markt durchsetzen konnte. Allerdings hatten Kinobesucher ausgewählter Säle in Kalifornien seinerzeit die Möglichkeit Trumbulls Spielfilmdebüt "Projekt Brainstorm" im Showscan-Verfahren zu sehen.

Jetzt aber zum Film
Gandalf, Bilbo und die Zwerge setzen ihre Reise in Richtung Berg Erebor fort. Dabei werden sie auch weiterhin von einer Ork-Rotte verfolgt und bald schon müssen sie ohne Gandalf auskommen, der sich anderswo um "dringende Geschäfte" zu kümmern hat. Zwar kann er ihnen noch den Weg durch den gefährlichen Düsterwald/Mirkwood weisen, doch begleiten kann er sie nicht mehr. Prompt werden Bilbo und die Zwerge erst beinahe Spinnenfutter und dann zu Gefangenen der Waldelben um König Thranduil. Zwar gelingt ihnen die Flucht, doch schon haben sie wieder die Orks im Nacken; und wären da nicht Thranduils Sohn Legolas und die schöne Elbin Tauriel, die ein Auge auf einen der Zwerge geworfen hat, wäre ihre Reise hier zu Ende gewesen. Am Ende stehen sie dann vor ihrer größten Herausforderung: dem ebenso gefährlichen wie (leider auch) recht geschwätzigen Drachen Smaug, der im Berg Erebor Festung und Schatz des untergegangenen Zwergenkönigreichs bewacht.

Gegenüber Teil Eins ist "Smaugs Einöde" durchaus ein großer Fortschritt: Endlich gibt es mal so etwas wie verschiedene Storylines und nicht nur Achterbahnfahrt im Videospiel. Auch, dass Gandalf über weite Strecken verschwindet, ist durchaus positiv. Denn damit fehlt der deus ex machina und die Gruppe muss selber sehen, wie sie zu Rande kommt und sich woanders Hilfe suchen, wenn sie alleine nicht weiterkommt. Diesmal hat sich Peter Jackson noch viel weiter von der Vorlage entfernt: Nicht nur, dass er Legolas (der im Roman nicht vorkommt) aus dem "Herrn der Ringe" einen wie immer sehr stylischen Auftritt gönnt; mit der Elbin Tauriel hat er auch noch eine eigene Figur dazu gedichtet. Auch Gandalfs Kampf gegen den Nekromanten in Dol Goldur ist ein Zusatz von Jackson, der jedoch wie die anderen "Freiheiten" vor allem einem Zweck dient und diesen auch überzeugend erfüllt: der stärkeren Verknüpfung der Hobbit-Trilogie mit dem "Herrn der Ringe". Das betrifft nicht nur Figuren, das spiegelt sich vor allem in Konstellationen und Situationen: So heilt etwa Tauriel den Zwerg Kili vom Gift der Orkwaffe mit demselben Kraut wie Arwen Frodo in "Die Gefährten"; eine Parallele, die von Howard Shores Musik noch betont wird. Und Thorin Eichenschilds Verwandlung vom freundlichen König zum geradezu vom Schatz Besessenenen, der bereit ist, jeden aus der Gemeinschaft für das ach so hehre Ziel zu opfern, erinnert nicht umsonst an Frodos zunehmende Besessenheit durch den Einen Ring. Insofern kommt Jackson seiner Vision von einen großen Mittelerde-Film immer näher.

Dabei hat er nicht vergessen, dass Fantasy auch Action bedeutet: Höhepunkt ist sicherlich die halsbrecherische Flucht der Zwerge aus dem Waldelben-Palast: Ohne Waffen in leeren Fässern durch einen Wildwasserbach, verfolgt erst von Elben, dann von waffenschwingenden Orks; eine Sequenz, bei der man gar nicht weiß, wo man zuerst hingucken soll, denn hier ist in jeder Ecke was los. Und Orlando Bloom als Legolas darf mal wieder zeigen, dass keiner so stylisch zu kämpfen vermag wie er.

Doch wie schon bei Teil Eins erweist es sich als Manko, dass Peter Jackson hier versucht, einen nur 300 Seiten starken Roman auf über 11 Stunden Film zu dehnen – und das gerade in der Konfrontation zwischen Bilbo und Smaug: Da hat das Publikum schon über zwei Stunden Film hinter sich – und dann gibt es einen Monolog des Drachen, der gar nicht mehr enden mag. Zwar ist der Schluss wieder ein großartiger Cliffhanger, dennoch: Die Filme sind einfach zu lang.

Trotzdem bleibt es großes Popcorn-Kino mit mehr Tiefe als Teil Eins, das über weite Strecken alles bietet, was es braucht: Action, Grusel, ein wenig Humor, interessante Figuren und natürlich superbe Tricks auf der Höhe der Zeit.

Im übrigen kann ich nur empfehlen, sich den Film in der Normalfassung mit 24 B/S anzusehen, wie das bei "meiner" Pressevorführung mangels fertiger 48 B/S-DCP notgedrungen der Fall war: sieht viel natürlicher und flüssiger aus als dieses HFR, das wirklich niemand braucht.

Lutz Gräfe

 

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Hintergrundartikel

Märchenfilme in ARD und ZDF zu Weihnachten 2013| „Ehrenschlingel“ für Thilo Graf Rothkirch|


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