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Ausgabe 65-1/1996

DER INDIANER IM KÃœCHENSCHRANK

THE INDIAN IN THE CUPBOARD

Produktion: Paramount/Columbia, USA 1995 – Regie: Frank Oz – Buch: Melissa Mathison, nach einer Kinderbuch-Serie von Lynne Reid Banks – Kamera: Russell Carpenter – Schnitt: Jan Crafford – Musik: Randy Edelman – Darsteller: Hal Scardino (Omri), Litefood (Little Bear), David Keith (Boone), Rishi Bhat (Patrick) – Länge: 96 Min. – Farbe – Verleih: Columbia (35mm) – Altersempfehlung: ab 8 J.

Wer hat als Kind nicht davon geträumt, dass man eines Tages aufwacht und die Spielfiguren um einen herum sind zum Leben erwacht? Lynne Reid Banks hat mit ihrer Kinderbuch-Serie "The Indian in the Cupboard" diesen Traum wahr gemacht, und Melissa Mathison hat die Vorlage zu einem sehenswerten Familienfilm umgeschrieben. Omri ist ein ganz normaler amerikanischer Junge, der mit Eltern und Brüdern in New York lebt. Er lässt nachts die Zimmertür offen und im Flur das Licht brennen, weil er sich im Dunkeln fürchtet, und er kriecht auch noch zu seinen Eltern ins Bett. An seinem neunten Geburtstag wird er plötzlich mit Ereignissen konfrontiert, die einschneidend in seine behütete Kindheit eingreifen: Als er das Geschenk seines besten Freundes Patrick, einen Spielzeugindianer, in das Wandschränkchen einschließt, das er von seinen Brüdern bekommen hat, erwacht der Indianer zum Leben. Omri und der aus dem Jahre 1761 in die Jetztzeit versetzte Little Bear schließen Freundschaft. Der Junge zeigt dem winzigen Indianer seine Welt und Little Bear erzählt von seinem Leben. Immer, wenn die Gefahr des Entdecktwerdens droht, stellt Omri Little Bear wieder in den Schrank, dreht den Schlüssel zweimal herum – und der Zauber ist vorbei.

Doch das Spiel wird bald zum bitteren Ernst: Little Bear wird im Garten von einem Vogel angefallen, und Omri muss eine Sanitäter-Figur ins Leben zaubern, die Little Bear verarztet. Als Omris Freund Patrick hinter das Geheimnis kommt und trotz der ausdrücklichen Warnung einen Cowboy aus dem 19. Jahrhundert samt Pferd zum Leben erweckt, eskaliert die Situation. Der Cowboy und der Indianer bekämpfen sich sofort, gerade noch rechtzeitig können die Kinder den Kampf stoppen. Omri nimmt beide am nächsten Tag mit zum Unterricht, und in der engen Schultasche schließen Little Bear und Boone Frieden. Aber der währt nicht lange: Während sie gemeinsam mit Omri und Patrick einen Western im Fernsehen sehen, verwischen sich für sie die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Ein Kampf auf Leben und Tod beginnt, bei dem Little Bear mit einem Pfeil Boone schwer verletzt. Omri will den Sanitäter zu Hilfe holen, doch der Schrank ist verschwunden. Als er ihn endlich findet, fehlt der Schlüssel, und zu allem Unglück ist auch noch das Haustier seiner Brüder, eine Ratte, aus ihrem Käfig ausgebrochen. Und sie wuselt genau da unter den Dielen herum, wo Little Bear nach dem Schlüssel sucht. Nur wenn er ihn rechtzeitig findet und der Ratte entkommen kann, wird Boone gerettet werden können und die Geschichte ein Happy End haben.

In dem "Muppet"-Mitschöpfer Frank Oz fand die Produktion einen Regisseur, der es verstand, die fantastische Vorlage in kongeniale Bilder umzusetzen, ohne dass sie von der beeindruckenden Tricktechnik der Industrial Light & Magic-Spezialisten zugedeckt würden. Das Staunen über die in überlebensgroßen Kulissen agierenden Schauspieler weicht bald dem Eintauchen in die spannende und humorvolle Geschichte. Buch und Regie benutzen die Story, um ihren kleinen Zuschauern den Übergang zwischen Kindheit und Jugend nahe zu bringen: Omri lernt Verantwortung zu übernehmen, sich mit fremden Kulturen und Menschen auseinander zu setzen, und Patrick lernt, dass man Freunden vertrauen und sein Wort halten muss. In der Figur des Cowboys und des Indianers stehen sich der rassistische Westerner und der seines Landes beraubte Ureinwohner Amerikas gegenüber – wobei die Sympathien klar verteilt sind.

Vielleicht kommt Oz' Warnung vor den schädlichen Wirkungen der Mediengewalt etwas vordergründig daher, weil er einen kausalen Zusammenhang zwischen Gesehenem und direkter Reaktion herstellt. Aber immerhin thematisiert er einmal das Thema Gewalt, das im amerikanischen Film in immer exzessiverer Form zur Gewohnheit geworden ist. Gegen den Strich hat Frank Oz auch die Kinderrollen besetzt: Es sind nicht die süßen, kleinen Jungen, die von der Leinwand lächeln, sondern ganz "normale Durchschnittsgesichter", die umso mehr Möglichkeit zur Identifikation bieten. Die Inszenierung bleibt trotz allem tricktechnischen Aufwand immer der Geschichte und seinen Figuren verbunden, so dass der in einem für dieses Thema erstaunlich ruhigen Rhythmus erzählte Film auch für junge Zuschauer nachvollziehbar bleibt. Allerdings schrieb Randy Edelman einen Soundtrack, der allzu sehr "auf die Pauke" haut und dem Film eine unangemessene Action-Attitüde aufdrückt.

Rolf-Rüdiger Hamacher

 

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Ausgabe 65-1/1996

 

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