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Ausgabe 67-3/1996

WHITE SQUALL

WHITE SQUALL

Produktion: Mistral Worldwide / Largo Entertainment; USA 1995- Regie: Ridley Scott – Buch: Todd Robinson – Kamera: Hugh Johnson – Schnitt: Gerry Hambling – Musik: Jeff Rona – Darsteller: Jeff Bridges (Sheldon), Caroline Goodall (Dr. Alice Sheldon), John Savage (McCrea), Scott Wolf (Chuck Gieg) u. a. – Länge: 128 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – Verleih: Intertainment (35mm) – Alterseignung: ab 14 J.

Im Herbst 1960 quartiert sich der 17-jährige Chuck Gieg im Hafen von Tampa, Florida, auf dem Segelschulschiff "Albatross" ein. Ein Jahr lang sollen er und elf weitere Jungen aus wohlhabenden Familien sich dort auf den Highschool-Abschluss vorbereiten und zugleich zu richtigen Matrosen ausgebildet werden. Der strenge Kapitän Sheldon bringt den pubertierenden Jünglingen erst einmal Disziplin bei. Im Verlauf der Fahrt durch die Karibik treten die persönlichen und familiären Probleme der Schüler bald zu Tage. So leidet Dean seit dem Unfalltod seines Bruders unter Höhenangst, während der unterdrückte Frank vergeblich seinem autoritären Vater zu entfliehen versucht. Die harte Arbeit und gemeinsam bestandene Bewährungsproben schmieden die Gruppe jedoch rasch zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammen. In der Nähe des Galapagos-Archipels gerät das Schiff urplötzlich in einen Sturm: die Titel gebende White Squall (Weiße Bö). Sie bringt das Schiff in Minutenschnelle zum Sinken. Dabei kommen zwei Schüler, der Schiffskoch und die Frau des Kapitäns ums Leben. Für ihren Tod muss sich Sheldon schließlich vor dem Seegericht verantworten.

Die wunderschönen exotischen Szenerien auf den Westindischen Inseln, die grandiosen Sturmszenen im riesigen Meerwassertank von Malta, ein stets grimmig dreinblickender Star wie Jeff Bridges (König der Fischer), ein Soundtrack mit Hits aus den 60er-Jahren – es hilft alles nichts: Der Abenteuerfilm von Ridley Scott will nicht recht zünden. Zu lange zieht sich das Geplänkel zwischen den Halbstarken dahin, zu rot sind die Sonnenuntergänge, zu klischeehaft die meisten Figuren, zu vordergründig ist die Botschaft ins Bild gesetzt. An Welterfolge wie "Alien", "Blade Runner" oder "Thelma & Louise" vermag Scott trotz des unbestreitbaren Könnens mit dieser 40-Millionen-Dollar-Produktion nicht anzuknüpfen.

Dabei war die Ausgangslage durchaus günstig. Mit Chuck Gieg und Kapitän Sheldon standen zwei Überlebende der historischen Katastrophe als Berater zur Verfügung. Gieg, der seine Erlebnisse in einem Buch veröffentlicht hat, schrieb sogar am Drehbuch mit und gab den jungen Darstellern bei den Dreharbeiten Tips. Mit der "Eye of the Wind", gebaut im deutschen Brake und schon eingesetzt in dem Film "Die blaue Lagune", hatte man ein stolzes Segelschiff als attraktiven Drehort gefunden. Der historische Fall enthält viele Identifikationsangebote, was auch Gieg klar war. Das Presseheft zitiert ihn mit den Worten: "Auch heute noch können sich viele junge Leute und sogar Erwachsene mit den Figuren des Films identifizieren. Die Wünsche und Träume, die wir damals hatten, sind bis heute die gleichen geblieben. Jungen in der Pubertät brauchen den Rat und die Freundschaft älterer, erfahrener Männer, um sich auf dem Weg ins Erwachsenenleben Selbstvertrauen und Wissen anzueignen. Ich bin überzeugt, dass sich auch in den 90er-Jahren nichts daran geändert hat."

Im Verlauf von 128 Minuten verzettelt sich Scott jedoch in Nebensträngen wie ersten Liebeserfahrungen mit dänischen Schülerinnen oder einer Hafendirne, Schlägereien und Saufgelagen bei einem Landgang. Mit nur einer kurzen Episode, der dramatischen Begegnung mit einem kubanischen Patrouillenboot, wird der politische Hintergrund der Kuba-Krise abgespeist. Der zentrale Konflikt des Erwachsenwerdens dagegen – gerade im nahe liegenden Vergleich zu dem Schülerdrama "Der Club der toten Dichter" – bleibt vage, nicht zuletzt, weil die Rollenverteilung zwischen dem wetterfesten Patriarchen und seinen formbaren Schützlingen nie in Frage gestellt wird. Allzu plakativ ist dagegen der Schluss geraten, der überaus pathetisch den alten Musketier-Leitspruch anpreist: "Alle für einen, einer für alle".

Reinhard Kleber

 

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