Produktion: Pixar; USA 1998 – Regie: John Lasseter, Andrew Stanton – Buch: Andrew Stanton, Donald McEnery & Bob Shaw, nach einem Entwurf von John Lasseter, Andrew Stanton und Joe Ranft – Kamera: Sharon Calahan – Schnitt: Lee Unkrich – Musik: Randy Newman – Sprecher: Tobias Meister, Hendrick Bruch, Hartwig Rudolz, Anja Kling, Hartmut – Länge: 95 Min. – FSK: ab 6 – Verleih: Buena Vista (35mm) – Altersempfehlung: ab 8 J.
Um es gleich vorweg zu sagen: Dies ist ein Film, bei dem man auch beim Nachspann sitzen bleiben sollte, denn da haben sich die Macher noch ein paar besondere Gags einfallen lassen. Im Nachspann werden nämlich Szenen gezeigt, die man normalerweise nur bei einem Realfilm erwarten dürfte. Und das sind: Versprecher, misslungene Szenen, Darsteller, die aus der Rolle fallen oder den Text vergessen. Die im Computer erzeugten "Insekten" als ganz "normale" Schauspieler. Eine Fiktion über die Fiktion. Klasse! Wie der ganze Film.
Nachdem die Produktionsfirma Pixar in Zusammenarbeit mit den Disney Studios 1995 mit "Toy Story" bewiesen hat, dass man einen Spielfilm komplett im Computer herstellen kann, wenn man nur will, hat sie nun den Film von einst an Raffinesse und an der Zahl der handelnden Figuren noch weit übertroffen. Ein kompletter Ameisenhaufen, ein Schwarm übler Heuschrecken und eine Truppe artistischer Käfer und Raupen sind die Hauptakteure in dieser actionreichen Filmkomödie.
Die Heuschrecken sind ein wenig wie die Halbstarken in dem Film "Der Wilde". Sie fallen jedes Jahr wie eine Motorradgang auf der glückseligen Insel der Ameisen ein, um das für sie gesammelte Futter aufzufressen. Der Ameiserich Flik will mit einer Erntemaschine helfen, die Heuschrecken mit ihrem "Schutzgeld" zu versorgen und gleichzeitig ausreichend Futtervorräte für die Ameisen anzulegen. Damit stößt er nicht nur auf Unverständnis, er sorgt mit seiner Vorrichtung auch dafür, dass die Heuschrecken kein Futter mehr finden und deshalb die Ameisen erst recht bedrohen. Prinzessin Atta, die von der Ameisenkönigin die Regierungsgewalt übernehmen soll, ist darüber ungehalten und deshalb froh über Fliks Plan, von jenseits der Insel Hilfe zu holen will, weil man davon ausgehen kann, dass der tölpelhafte Erfinder nicht zurückkommen wird. Aber weit gefehlt. In der "großen, weiten Welt" entdeckt Flik eine Gruppe von Insekten, die sich als Zirkusartisten durchs Leben schlagen. Da sie sich erfolgreich ihrer Haut zu wehren verstehen, engagiert Flik sie kurzerhand. Alles lässt sich gut an, bis man herausfindet, dass die Helfer "nur Artisten" sind. Aber Flik gibt nicht auf. Er konstruiert mit Hilfe der Jungameisen und der Künstler einen künstlichen Vogel, der die Heuschrecken verjagen helfen soll. Schließlich ist es soweit: Die Heuschrecken kommen. Aber zunächst geht alles schief ... Die Oberheuschrecke erkennt in Flik den Aufrührer, dessen Niederlage den Sieg der Heuschrecken bringen könnte. Doch Flik steckt seine Schläge ein und fordert gleichzeitig die Ameisen zum Zusammenhalt auf. Als es dann auch noch gelingt, mit Hilfe des angelockten echten Vogels den Ober-Heuschreck auszuschalten, ist am idyllischen Happy End mit Flik Seite an Seite mit der Prinzessin (und neuen Königin) nicht mehr zu rütteln.
Ein hübsches, modernes Märchen wird hier erzählt, mit allem nur erdenkbaren technologischen Aufwand. Das geschieht mit überaus leichter Hand, so dass man sich nur gelegentlich klar macht, dass das auf der Leinwand ablaufende Geschehen in Wirklichkeit nur schöner Schein, Computeranimation ist. Die Figuren sind sehr prägnant gestaltet, sie handeln flott und agieren in einer Geschichte, die man so oder ähnlich zum Beispiel auch im klassischen Western finden könnte. Die Bedrohung einer Gemeinschaft wird durch Eigeninitiative eines Einzelnen und durch sein Vorbild für die Gemeinschaft überwunden.
Das ist mit so viel Liebe zum Detail gemacht, und man kann den Erzählern dieser Mär nur Respekt bekunden und an diesem Film seine helle Freude haben. Na gut, es ist kein Monumentalfilm, aber dennoch eine monumentale Leistung, was hier geboten wird. Der Zuschauer hat seinen Spaß und sein Vergnügen an diesem kurzweiligen Film, einer bonbonfarbenen Seifenblase, die schlicht und einfach gut unterhalten will. Und die das auch tut. Dass man daraus auch noch was fürs Leben lernen kann, ist auch nicht übel.
Wolfgang J. Fuchs
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