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Ausgabe 77-1/1999

DAS ZWEITE DSCHUNGELBUCH – MOWGLIS NEUE ABENTEUER

RUDYARD KIPLINGS' THE SECOND JUNGLE BOOK, MOWGLI AND BALOO

Produktion: MDP World Wide / Raju Patel; USA 1997 – Regie: Duncan McLachlan – Buch: Bayard Johnson, Matthew Horton, nach Rudyard Kiplings gleichnamigem Buch – Kamera: Adolfo Bartoli – Schnitt: Markus Manton – Musik: John Scott – Darsteller: Jamie Williams (Mowgli), Bill Campbell (Harrison), Roddy McDowall (King Murphy), David Paul Francis (Chuchundra), Gulshan Grover (Buldeo), Dyrk Ashton (Karait) – Länge: 88 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Verleih: AFM (35mm) – Alterseignung: ab 8 J.

Mowgli ist nach dem Tod seiner Eltern im indischen Dschungel von einem Wolfsrudel aufgezogen worden. Wenn es bei seinen Streifzügen durch den Urwald mal brenzlig wird, stehen dem zehnjährigen Mowgli seine tierischen Freunde bei. Als Mowgli mit seinem 'Bruder', dem grauen Wolf, auf die Jagd geht, greift plötzlich der gefährliche Tiger Shere Khan den Buben an. Nur mit einem Satz in einen reißenden Fluss kann sich Mowgli retten. Kurz darauf landet er ausgerechnet auf den Gleisen einer Dschungeleisenbahn. Nach der Notbremsung fangen Männer aus dem Zug das Wolfskind und sperren es in den Gepäckwagen. Doch der geschickte Mowgli kann mit dem Äffchen Timo, das dem Gaukler Chuchundra entwichen ist, entkommen. Von der nächsten Stadt aus bricht der Amerikaner Harrison auf, der im Auftrag eines Zirkusdirektors nach neuen Attraktionen sucht, um Mowgli zu fangen. Unterwegs stößt auch Chuchundra zu ihnen. Harrison überredet zudem den reichen Buldeo, Mowglis Onkel, bei der Expedition mitzumachen. Buldeo trachtet Mowgli allerdings nach dem Leben, fürchtet er doch, dieser könnte ihm das üppige Erbe streitig machen. Als die Schimpansen Mowglis neuen Gefährten Timo verschleppen, entdeckt der Junge bei der Verfolgung eine vergessene Stadt im Urwald. Mowgli kann den Affen zwar entkommen, wird dafür aber von den menschlichen Verfolgern geschnappt. Damit sind seine Abenteuer noch längst nicht beendet.

"Bärig-gute Gags und affenstarke Action" verspricht der Filmverleih für diesen Abenteuerfilm, der auf Motiven des zweiten Dschungelbuchs beruht, das der Literaturnobelpreisträger Rudyard Kipling (geb.1865 in Bombay, gest.1936 in London) im Jahr 1895, ein Jahr nach seinem weltberühmten "Dschungelbuch", veröffentlichte. Kurzweilig und turbulent geht es in dem US-Dschungelmärchen in der Tat zu, das auf Kandy Mountain in Sri Lanka gedreht wurde, wo Indiana Jones im "Tempel des Todes" herumstöberte und Alec Guinness die "Brücke am Kwai" errichtete. Allerdings hangelt sich Regisseur Duncan McLachlan über weite Strecken auf Klamaukniveau von Gag zu Gag.

Viel besser geraten sind dagegen die spannenden Szenen mit Tierbeteiligung, was insofern nicht verwundert, als McLachlan als ausgebildeter Zoologe über einen großen Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet verfügt, hat er doch seit 1987 etliche preisgekrönte Naturdokumentationen und Tierfilme gedreht. Außerdem arbeiteten 15 Trainer vier Wochen lang mit den mehr als 30 tierischen Darstellern, die die Produktionsfirma aus Los Angeles nach Sri Lanka fliegen ließ, um auch die schwierigen Szenen perfekt 'spielen' zu können.

An die Dramatik und Farbenpracht des britischen "Dschungelbuch"-Klassikers von Zoltan Korda aus dem Jahr 1942 reicht das "Zweite Dschungelbuch" nicht heran, auch nicht an den Charme und Witz der Disney-Zeichentrickfassung von Wolfgang Reitherman aus dem Jahr 1967. Im Gegensatz zum amerikanischen Realfilm-Remake des ersten Dschungelbuchs durch Stephen Sommers von 1994, in der eine opulente Ausstattung und erstklassige Special Effects für gepflegte Familienunterhaltung sorgen, verzichtet McLachlan weitgehend auf die moderne Trickkiste. Im Blick auf das jüngere Publikum setzt er stattdessen auf einen Off-Erzähler mit Märchenstimme und einen Mowgli, der im Kontrast zu dem verliebten Jüngling in der Disney-Version von 1994 kindlich-naiv wirkt. Mit der Entscheidung für den 1985 geborenen Jamie Williams, der bereits in etlichen TV-Filmen und Werbespots die Hauptrolle spielte, knüpft McLachlan insofern wieder an die Darstellungstradition des jungen Sabu im Korda-Original an. Einen richtigen Bösewicht der alten Schule gibt übrigens Gulshan Grover, der mehr als 250 Mal in indischen Filmen sein fieses Lächeln zeigte und im größten Filmland der Welt "Held der Hölle" genannt wird. Im Hinblick auf den romantisch akzentuierten Zentralkonflikt zwischen einem Leben in der Wildnis oder der Zivilisation ist bemerkenswert an "Mowglis neuen Abenteuern", dass nicht nur Mowgli sich für den Dschungel entscheidet, sondern auch der Amerikaner seine Pläne aufgibt, den 'Wolfsjungen' an einen Zirkus zu verschachern bzw. ihn zu adoptieren.

Reinhard Kleber

 

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