(Interview zum Film KEINOHRHASE UND ZWEIOHRKÜKEN und zum Film TOBIAS TOTZ UND SEIN LÖWE)
Rothkirch gründete 1986 in Berlin die Firma Cartoon-Film, mit der er zunächst Animationsserien fürs Kinderfernsehen wie "Otto, der Straßenhund" und "Lisa und Paul" herstellte. 1999 gab er in Koregie mit Piet de Rycker sein erfolgreiches Kinodebüt mit dem Kinderfilm "Tobias Totz und sein Löwe". Danach brachte er ebenfalls mit beachtlichem Erfolg Filme wie "Der kleine Eisbär" (2001), "Lauras Stern" (2004), "Der kleine Eisbär 2 – Die geheimnisvolle Insel" (2005) und "Kleiner Dodo" ins Kino. 2011 entstand "Lauras Stern und die Traummonster" in Koregie mit Ute von Münchow-Pohl. Im September 2013 startete Warner Bros. den Animationsfilm "Keinohrhase und Zweiohrküken", bei dem Rothkirch als Autor und Produzent mitwirkte.
KJK: Was hat Sie am Stoff für Ihren jüngsten Film, "Keinohrhase und Zweiohrküken", gereizt?
Thilo Graf Rothkirch: Ich habe die Komödien "Keinohrhase" und später "Zweiohrküken" gesehen. Da hatten die beiden Figuren im Film eine Verweildauer von je unter 30 Sekunden. Trotzdem waren sie die Titelhelden. Mit diesen Figuren eine Welt zu schaffen, fanden wir höchst reizvoll. Wir, das sind Cartoon Film und Willi Geike, der Deutschland-Chef von Warner Bros., der uns mit Til Schweiger und seiner Firma Barefoot zusammengebracht hat.
Bei "Keinohrhase und Zweiohrküken" haben Sie am Drehbuch mitgeschrieben und produziert, aber nicht Regie geführt. Warum?
Als Regiepartner stand Til Schweiger fest. Wir haben den besten Gegenpart zu ihm gesucht, eine starke Regiefrau, das war Maya Gräfin Rothkirch; sie haben eng zusammengearbeitet.
Inwieweit haben Sie an der künstlerischen Gesamtkonzeption dieses Projekts mitgewirkt?
Bei allen meinen Filmen, auch wenn ich nur einer der Produzenten bin, sehe ich immer meine künstlerische Verantwortung. Ich habe die Figuren mitentwickelt, Szenen,Gegenstände, Design, Farben, sozusagen bei allem, was künstlerisch relevant ist, war ich beteiligt und habe den Cartoon-Film-spezifischen Touch hineingebracht.
Hat Til Schweiger auch auf den Animationsprozess eingewirkt?
Unsere Animation war so gut, dass er nur begeistert abnicken konnte. Vorher, bei der Storyentwicklung, hat er gute Ideen beigesteuert – und natürlich war ihm der Hase in Design und Ausdruckmöglichkeiten wichtig, da er ihm ja seine Stimme gegeben hatte. Außerdem hat er maßgeblich an der Musik mitgearbeitet.
Wenn man sich Ihre Filmographie ansieht, fällt auf, dass man über etliche Jahre hinweg immer wieder den gleichen Namen begegnet. Wie wichtig ist für Ihr künstlerisches Schaffen die Teamarbeit mit bewährten Kräften?
Das Schöne ist, dass ich den langjährigen Mitarbeitern nicht mehr viel sagen muss. Mitarbeiter wie Piet de Rycker und Alberto Campos, die seit "Tobias Totz und sein Löwe" an meiner Seite sind, wissen mittlerweile im Schlaf, welchen Qualitätsanspruch ich habe.
Wenn Sie auf ihr bisheriges filmisches Schaffen zurückblicken: Welches ist Ihr Lieblingsfilm?
Das ist immer noch "Tobias Totz und sein Löwe". Es ist eine Figur, die ich zusammen mit meinem Bruder, der Löwe heißt, entwickelt habe, und es gab in unserer Kindheit einen Nachbarn, der Totz hieß, der hat uns inspiriert. "Tobias Totz" ist der erste und der persönlichste Langfilm, und ich glaube, dass er sehr gut gelungen ist.
Und welcher Film ist der wichtigste, auch für Ihre Firma?
Am wichtigsten war "Der kleine Eisbär", denn mit ihm haben wir sehr früh großen Erfolg gehabt. Wir haben damit international erheblich an Standing gewonnen. Das war sozusagen die Messlatte. Durch diesen Film haben wir uns die stabile Partnerschaft mit Warner Bros. erarbeiten können. Der zweitwichtigste Film ist "Keinohrhase und Zweiohrküken", weil es uns gelungen ist, auf allen Gebieten mit den besten Kräften zusammenzuarbeiten – den United Artists, wie es Willi Geike genannt hat.
Welches Metier ist Ihnen persönlich am liebsten: Regie, Drehbuch oder Produktion?
Was mir mittlerweile am besten gefällt, ist die Produktion, denn ich habe bei allen Gewerken etwas mit zu entscheiden. Als Produzent habe ich letztlich gemeinsam mit den anderen Produzenten die Verantwortung für die gesamte Produktion, und damit auch für Drehbuch, Regie, Design, Animation, den Schnitt usw. Als Produzent ist man nicht der Macher, sondern hat den Blick von oben und kann besser beurteilen.
Gehört Cartoon-Film noch immer zu den wenigen Studios in Deutschland, die von A bis Z alles im Haus herstellen?
Nein, das hat sich durch die digitale Technik geändert. Zwischenphasen und Kolorierung gibt es nicht mehr, es gibt nur noch Daten. Diese Daten kriegen wir zum Teil von unseren Dienstleistern, mit denen wir seit Jahren zusammenarbeiten, wie Motion Works aus Halle und Animationsfabrik aus Hamburg und aus Kostengründen teilweise aus China und Indien. Natürlich müssen wir auch in China und Indien produzieren, weil die Produktionskosten dort wesentlich niedriger sind als bei uns. Dadurch können wir uns die Topkräfte aus Europa leisten, die wir brauchen, um in der Cartoon-Film Qualität produzieren zu können.
Die Animationsfilme der großen Hollywood-Studios scheinen mit ihrer Marketing-Maschinerie fast übermächtig. Kann sich der europäische Animationsfilm auf Dauer behaupten?
Ich glaube, der europäische Animationsfilm hat es grundsätzlich sehr schwer, weil der Markt zu klein ist, um für Marketing so viel ausgeben zu können wie die Amerikaner, die den Weltmarkt vor sich haben. Die Amerikaner haben genug Etat, um auch inhaltlich anspruchslosere Animationsfilme gut zu vermarkten. Unsere 'guten' Filme können gegen die amerikanische Konkurrenz nur in Ausnahmefällen bestehen.
Früher haben Sie auch mit europäischen Koproduktionspartnern kooperiert. Ist das immer noch wichtig für Sie?
Das war zu der Zeit von "Tobias Totz" wichtig. Ich konnte damals von dem erfolgreichen Produzenten Eberhard Junkersdorf lernen. Wenn man erfolgreich produzieren und auch auswerten will, braucht man möglichst viele Rechte. Wenn man mit Koproduzenten zusammenarbeitet, gibt man Rechte ab. Deswegen arbeiten wir lieber mit Dienstleistern und behalten die Rechte. Solange wir uns das leisten können, bleiben wir dabei. Außerdem redet ein Koproduzent logischerweise immer mit.
Was ließe sich an den Strukturen der Förderung für Animationsfilme hierzulande verbessern?
Das Marketing für deutsche Animationsfilme müsste stark gefördert werden.
Bisher hat Warner Bros. alle Ihre Filme ins Kino gebracht. Wie wichtig ist der Verleiher für die Auswertung Ihrer Filme?
Seit "Tobias Totz" arbeiten wir mit Warner Bros. sehr erfolgreich zusammen. Wir entwickeln alles zusammen. So eine Beziehung gibt es nicht noch einmal, zumindest in Europa. Warner Bros ist mitentscheidend für unseren Erfolg.
Die Deutsche Filmakademie vergibt bisher keinen Deutschen Filmpreis für Animationsfilme. Sollte eine solche Kategorie eingeführt werden?
Ja, auf jeden Fall. Beim Oscar hat man sie selbstverständlich. Der Animationsfilm braucht eine eigene Kategorie.
Das Gespräch mit Thilo Graf Rothkirch führte Reinhard Kleber
Zu diesem Film siehe auch:
KJK 137-1/2014 - Hintergrund - „Ehrenschlingel“ für Thilo Graf Rothkirch
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