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Ausgabe 114-2/2008

THE BLACK BALLOON

Produktion: Black Balloon Productions c/o Icon Entertainment International; Australien 2007 – Regie: Elissa Down – Drehbuch: Elissa Down, Jimmy The Exploder – Kamera: Denson Bakers – Schnitt: Veronica Jenet – Musik: Michael Yezerski – Darsteller: Rhys Wakefield (Thomas), Gemma Ward (Jackie), Luke Ford (Charlie), Erik Thomson (Simon), Toni Collette (Maggie) u. a. – Länge: 97 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Icon Entertainment International, London, e-mail: isabelle@icon-entertainment.co.uk – Altersempfehlung: ab 14 J.

Skeptische Blicke durch Hecken und über Zäune begleiten den Einzug des 16-jährigen Thomas und seiner Familie in deren neues Haus. Geben sich Mutter Maggie und Vater Simon nicht etwas zu locker und freizügig? Was ist mit diesem großen Jungen Charlie los, der da auf dem Rasen sitzt und selbstvergessen auf den Boden klopft? Ist es nicht ein bisschen viel, wenn die neue Nachbarin nochmals schwanger ist und bald ein Kleinkind die gewohnte Ruhe stören wird? Keiner außer Thomas scheint in der Familie die sich schnell aufbauenden Vorurteile zu bemerken. Immer wieder versucht er auszugleichen und spezifische Auffälligkeiten zurückzunehmen. Natürlich ist er damit überfordert, zumal ihn in der Schule noch ganz andere Probleme erwarten. Ausgerechnet in einem Schwimm-Leistungskurs soll er sich als mehr oder weniger Nichtschwimmer beweisen. Schnell zieht er hier den Spott seiner Klassenkameraden auf sich. Thomas wirkt angesichts all dessen ziemlich verunsichert. Doch da gibt es bei ihm noch eine andere Ebene. Der Junge strahlt mit seiner sensiblen Ernsthaftigkeit einen besonderen Stolz aus und er bewahrt auch in den peinlichsten Momenten intuitiv eine kluge Würde. Das ist ihm selber nicht bewusst, doch es wird von anderen, nicht zuletzt von Jackie, dem schönsten und sportlichsten Mädchen der Klasse, bemerkt.

Bemerkt wird das auch von den jugendlichen Zuschauern und so wird Thomas schnell zu einer überzeugenden Identifikationsfigur. Elissa Down hat in ihrem Film für Thomas' Nöte sehr schöne Bilder gefunden, sie hat seine Konflikte zugespitzt und damit für die Figur überzeugende Situationen konstruiert, in denen sich seine Stärken bewähren und ausbilden können.

Der autistische und zudem unter dem ADS-Syndrom leidende ältere Bruder beansprucht die ganze Aufmerksamkeit der Familie. Für Thomas hat niemand Zeit und darüber hinaus ist er ständig mit der Erwartung konfrontiert, wenn die Eltern es nicht schaffen, für seinen Bruder da zu sein. Dabei kommt es immer wieder zu außerordentlichen Herausforderungen für den Jungen. So als Charlie halb nackt durch die Siedlung rennt, Thomas ihn einzuholen sucht und der Wettlauf schließlich im Bad von Jackies Haus endet, wo Charlie einfach nur einmal auf die Toilette wollte. Thomas ist die Situation peinlich, doch er geht souverän damit um. Immer wieder schafft die Regisseurin solche Spannungsbögen, wo ihr Held scheinbar vor einer Niederlage steht, diese dann aber meistert. So ist es auch, als Charlie die Geburtstagsparty von Thomas schmeißt. Endlich spürt er einmal, dass alle Aufmerksamkeit der Familie auf ihn gerichtet ist, da kommt es zum Eklat und schon steht wieder der Bruder im Mittelpunkt. Thomas ist verzweifelt. Er bricht unter Tränen zusammen, fasst sich dann aber wieder, denn er weiß, sein Bruder trägt das eigentlich schwere Schicksal und ihm muss geholfen werden.

Elissa Down versteht es, einerseits sensibel Thomas' Nöte zu zeigen, andererseits dessen Stärken herauszuheben. Dabei hat sie ein überzeugendes Familienensemble, allen voran die wunderbare Toni Collette als Maggie, um ihre Hauptfigur gebaut. Von der Dramaturgie her erinnert der Film deutlich an die weltweit zunehmend beliebten und oft gut gemachten Familienserien des Fernsehens. In Australien ist es aktuell die neuseeländische Produktion "Outrageous Fortune", die ebenfalls eine ziemlich schräge Familie zeigt und die Gemüter der dortigen Fernsehgemeinde bewegt. Der Rückgriff auf solcherlei soziale Felder ist nicht verwunderlich, denn Vertrauen und Geborgenheit, was Familie ja verspricht, ist in den modernen disparaten Gesellschaften immer weniger anzutreffen und von daher als Ideal zunehmend gefragt. Zudem ermöglicht eine Familienkonstellation in einem überschaubaren Fokus ein großes Maß an gesellschaftlichen Konfliktdiskursen aufzugreifen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten.

Die Jugendjury hat "The Black Balloon" mit dem "Gläsernen-Bären" ausgezeichnet. In der Begründung heißt es: "Beeindruckt hat uns vor allem die Verbindung von fröhlichen und ernsten Momenten ..." Gemeint ist hiermit auch, dass der Film eine für die Jugendlichen spürbare Balance zwischen nur zu gut bekannten Konflikten beim Finden der eigenen Persönlichkeit und Mut machenden Lösungsmodellen findet. Solcherlei glaubwürdig zu gestalten ist nicht leicht. Elissa Down hat es geschafft und dies ist nicht zuletzt dem eindrucksvollen Spiel von Rhys Wakefield und Luke Ford, die das Brüderpaar geben, zu danken.

Klaus-Dieter Felsmann

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 114-2/2008 - Interview - "Ich wollte das Leben in all seinen Aspekten darstellen"

 

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