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Ausgabe 138-2/2014

THE WAY HE LOOKS

Bild: THE WAY HE LOOKS
© Lacuna Filmes / Berlinale

HOJE EU QUERO VOLTAR SOZINHO

Produktion: Lacuna Filmes; Brasilien 2014 – Regie und Buch: Daniel Ribeiro – Kamera: Pierre de Kerchove – Schnitt: Cristian Chinen – Darsteller: Ghilherme Lobo (Leonardo), Tess Amorim (Giovana), Fabio Audi (Gabriel), Isabela Guasco (Karina), Victor Filgueiras (Guilherme), Pedro Carvalho (Fabio) u. a. – Länge: 95 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Films Boutique, Berlin, Tel. 030-69537850, E-Mail: info@filmsboutique.com – Altersempfehlung: ab 14 J.

Für einen südamerikanischen Jugendlichen scheint es nicht einfach zu sein, sich damit auseinanderzusetzen, wie er in einer von Korruption, von Doppelmoral oder von Verbrechen geschwächten Gesellschaft dereinst als Mann auftreten will. Diesen Eindruck vermittelte zumindest die Filmauswahl der Berlinale 2014. Die darin gezeigten Vaterfiguren taugen als Vorbilder allesamt nicht; mit ungetrübtem Machismo verfolgen sie einzig und allein das eigene Glück. Und scheuen nicht davor zurück, wie in "La Tercera Orilla" von Celina Murga, hierfür den eigenen Sohn zu benutzen. Wenngleich die Sehnsucht nach einer glaubwürdigen und einnehmenden Persönlichkeit, welche die geistig-emotionale Leere zu füllen versteht, die Helden noch umtreibt. So sieht sich zum Beispiel in "Güeros" von Alonso Ruizpalacios ein Jugendlicher enttäuscht nicht nur seinem in der Wohnung versackten studierenden Bruder gegenüber, sondern auch einem senilen, verlotterten Rockstar, der einst angeblich mit seinem Spiel selbst Bob Dylan berührte. Oder Damian John Harper zeigt in "Los Ángeles", wie Söhne glauben, sich als Gangster verdingen zu müssen, damit sie ihren in die USA ausgewanderten Vätern folgen können. In "Feriado" von Diego Araujo wiederum muss der sensible und künstlerisch veranlagte Protagonist während eines Korruptionsskandals zu der Familie seines käuflichen Onkels in Ferien fahren.

In dieses inszenatorische Spiel des Verfalls von Gesellschaft mochte indes "Hoje eu quero voltar sozinho" gerade nicht mit einstimmen. Mit ruhigem und gelassenem Strich zeichnet der Regisseur eine geordnete Welt der brasilianischen Mittelschicht. Sie hat sich an vergleichsweise kleinen Problemen zu messen, obschon der Protagonist des Films von Geburt an blind ist. Leonardo muss sich vor allem gegen eine überängstliche und daher überfürsorgliche Mutter wehren. Die will ihren Sohn weiter in Watte packen. Der Held hingegen setzt alles daran, die Umwelt davon zu überzeugen, dass sein körperliches Handicap kein Hindernis darstellt, um sich selbst und die Welt zu entdecken. Bei alledem steht ihm die Freundin Giovana treu zur Seite. Allerdings fällt es dem Helden ihres steten Beistandes wegen schwer, zu erkunden, was wirklich in ihm steckt. Das ändert sich, als ein neuer Mitschüler in seine Klasse kommt und die beiden im Lauf des Geschehens entdecken, dass sie einander begehren. Der attraktive Gabriel beflügelt den schüchternen, unsicheren Leonardo bei der Abnabelung von seinen Eltern. Doch zugleich erdet er seinen behinderten Freund, macht ihm deutlich, dass er manchmal auch der Unterstützung durch die Sehenden bedarf.

Ribeiros wunderbarer Film – auf der Berlinale in der Sektion Panorama gezeigt und von der FIPRESCI Jury ausgezeichnet – besticht durch eine psychologisch feinfühlige Zeichnung der Figuren, die vor den Augen des Zuschauers langsam als facettenreiche Persönlichkeiten entstehen. Die drei Hauptdarsteller verleihen ihnen große Lebendigkeit. Dabei beobachtet der Film einfühlsam und präzise, wie sich die Dreier-Beziehung zwischen Leonardo, Gabriel und Giovana entwickelt, sich immer wieder auch verändert. Und setzt ins Bild, welche Belastungen sie aushalten muss, Missverständnisse und Eifersucht drohen sie zu zerstören, aber man nähert sich wieder an und versöhnt sich. So setzt der Film vor allem auf den Dialog zwischen den Charakteren. Mit sensiblem und treffsicherem Blick fängt die Kamera ein, wie das männliche Liebespaar sich seiner Gefühle immer bewusster wird, wie sich Nähe und Vertrautheit ganz selbstverständlich einstellen und wiederum für Momente irritiert werden durch die körperliche Anziehung, durch plötzliches Verlangen.

Ribeiro entwirft mit den drei Figuren ein ideales Bild von Freundschaft und von einer homosexuellen Beziehung. So besehen kann Ribeiros männliches Paar auch als geglückter Gegenentwurf gelesen werden zu all den verkommenen Vaterfiguren und ihren nicht gelingenden heterosexuellen Beziehungen.

Heidi Strobel

 

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