(Interview zum Film TIC TAC)
Es klingt alles fast wie ein Märchen, und ist aber doch ganz einfach wahr. Zwei Frauen in Barcelona haben zur selben Zeit dieselbe Idee: endlich einen Kinderfilm zu machen. Sie interessieren das Fernsehen dafür, wollen aber trotzdem unbedingt auf 35mm drehen, stecken auch noch eigenes Geld rein und drehen in fünf Wochen den aufwändig choreografierten Film "Tic Tac". Kurz vor Weihnachten 1996 ist er abgedreht, Schnitt, Endfertigung bis Ende Januar und Welturaufführung beim Kinderfilmfest der Berlinale am 20. Februar 1997. Ziemlich nervös, weil sie den Film selbst noch nicht auf der Leinwand gesehen hatten, saßen Rosa Vergés und Victoria Borrás in der ersten Vorführung – und waren am Ende erleichtert und glücklich über die begeisterten Reaktionen des Kinderpublikums und die vielen Fragen aus dem Saal.
Rosa Vergés: "Immer wieder fragten die Kinder, wie wir das gemacht hätten, dass Menschen in den Uhren drin seien. Oder: Wie kann der Vater Äpfel von der Lampe pflücken? Wie kann der König, die Marionette, sprechen? Sie wollten wirklich wissen, ob Magie existiert. In einer Pressekonferenz mit Erwachsenen erlebt man so etwas nie. Denn die Frage ist eigentlich schon die Antwort. Man muss sich einfach verändern, wie ich auch beim Drehen bemerkt habe: Das Team arbeitete anders als sonst, viel erfinderischer, denn jeder wollte von den Kindern verstanden werden."
Die Produzentin Victoria Borrás, die mit Rosa Vergés bereits bei deren beiden früheren Kinofilmen "Boom Boom" (mit Victor Laszlo, 1990) und "Souvenir" (1994) zusammengearbeitet hat, kann diese besondere Arbeit nur bestätigen. Ebenso wie für Rosa Vergés ist "Tic Tac" auch für Borrás der erste Kinderfilm.
Victoria Borrás: "Ich habe selbst Kinder und kann mich in die kindliche Welt problemlos einfühlen. Aber diese Filmerfahrungen waren ziemlich einzigartig, es war schon wie Magie beim Drehen. Dabei gibt es in Spanien überhaupt keine Tradition von Kinderfilmen, es war also durchaus riskant, was wir da mit 'Tic Tac' unternahmen. Vielleicht aber war es auch so etwas wie Schicksal. Denn im Mai 1995 gab es ein Gespräch mit dem katalanischen Fernsehen TV 3, wo es um die Produktion von TV-Filmen ging. Ich traf mich dann mit Rosa Vergés und schlug vor, vielleicht ein Kinderthema zu machen. Sie sagte nur: Das habe ich! Und zwei Wochen später hatten wir schon ein Treatment. Es war zwar nicht ganz einfach, TV 3 für die Produktion eines Kinderfilms zu motivieren, aber schließlich haben wir es doch geschafft. Und beim Drehen redeten sie nicht hinein, da hatten wir freie Hand, im Rahmen des Budgets natürlich. Das war mit 120 Millionen Pesetas eher low, das sind etwa 1 Million Dollar."
Rosa Vergés, Mutter eines sechsjährigen Sohnes, wollte unbedingt auch technisch beste Qualität für die Kinder, die ja gerade auf diesem Gebiet heutzutage ziemlich verwöhnt sind.
Rosa Vergés: "Nicht nur 35mm war mir wichtig, sondern auch Dolby Stereo. Für das Fernsehen war das alles höchst ungewohnt, es ist auch das erste Mal, dass TV 3 an der Finanzierung eines Kinofilms beteiligt ist, in diesem Fall mit 80 Prozent, wir mit 20. In Berlin ist 'Tic Tac' sehr gut angekommen, Verleihverhandlungen laufen, die spanische Presse ist positiv – so könnte dieser Film möglicherweise Türen öffnen beim Fernsehen für weitere Kinofilme, auch 'erwachsene'."
Es ist bemerkenswert, wie "Tic Tac" die heutigen Computer-Kids ins klassische Land der Phantasie zurückbringen kann. War da nie der Gedanke, vielleicht zu "altmodisch" zu sein?
Rosa Vergés: "Nein, überhaupt nicht. Vieles ist auch entstanden in Gesprächen mit meinem Sohn Carlos, aus Märchen, die ich für ihn vorm Einschlafen erfunden habe. Ich selbst liebe Poesie, lese viel Gedichte. Ich glaube, dafür braucht man ein bestimmtes Gefühl – die Kinder haben es, verstehen Gedichte auf diese Weise. Als ich das Drehbuch fertig hatte, habe ich es der Schuldirektorin von Carlos gegeben, die eine tolle Frau und große Pädagogin ist. Sie hat sich bei mir bedankt, ihr gefiel die Idee mit der Zeit und dass es etwas anderes ist als all die schnellen Geschichten heute. Sie hat zugegeben, dass die Kinder ein paar Probleme heute haben mit narrativer Erzählweise, sie lesen nicht sehr viel, können sich auch sprachlich nicht sehr gut ausdrücken – umso schöner ist solch eine Möglichkeit, wie 'Tic Tac' sie bietet. Das hat die Direktorin nach der Lektüre meines Scripts gesagt, jetzt bin ich gespannt, wie sie den Filmen finden wird."
Wird Rosa Vergés weiter Kinderfilme drehen?
Rosa Vergés: "Ich möchte sehr gern. Momentan arbeite ich noch an der Endfertigung einer TV-Serie mit dem Titel 'Wozu ist ein Ehemann gut?', kein Kinderthema. Aber ich muss sagen, ich habe mich wirklich verändert mit 'Tic Tac' und fühle mich sehr glücklich in dieser für mich neuen Kinder-Welt. Manchmal weiß ich nicht, ob ich überhaupt in die andere Welt zurückgehen will."
Mit Rosa Vergés und Victoria Borrás sprach Frauke Hanck
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