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Ausgabe 82-2/2000

TSATSIKI – TINTENFISCH UND ERSTE KÜSSE

TSATSIKI, MORSAN OCH POLISEN

Produktion: Felicia Film AB mit Film i Väst, Norsk Film AS, Per Holst Film a/S, Danmarks Radio, TV 1000; Schweden / Norwegen / Dänemark 1999 – Regie: Ella Lemhagen – Drehbuch: Ulf Stark, nach den Büchern von Moni Nilsson-Brännström "Tsatsiki och Morsan" und "Tsatsiki och Farsan" – Kamera: Anders Bohman – Schnitt: Bernhard Winkler – Musik: Popsicle; Harilaos Papadakis – Darsteller: Samuel Haus (Tsatsiki), Alexandra Rapaport (Tina), Jacob Ericksson (Göran), Jonas Karlsson (Niklas), George Nakas (Der Vater) u. a. – Länge: 91 Min. – Farbe – Verleih: Arsenal (Herbst 2000) – Altersempfehlung: ab 8 J.

Ein schmächtiges Bürschchen schleicht sich in das leere Hallenbad, das "heute geschlossen" ist, setzt sich die Taucherbrille auf, blickt auf die Wanduhr und gleitet ins Becken. Währenddessen braust eine Polizeistaffette auf Motorrädern heran, wie sich herausstellt zum wöchentlichen Badetag. Als einer von ihnen den Jungen unter Wasser entdeckt, setzt er zur vermeintlichen Rettung an – dabei war es doch nur ein neuer Rekordversuch des kleinen Tauchers. Dass er so zu einer Heimfahrt auf dem schnellen Motorrad des Polizisten Göran kommt, genießt er sichtlich. Mit dieser rasanten Schnittfolge, mit der "Tsatsiki" beginnt, ist das Interesse am Fortgang der Geschichte geweckt: Der achtjährige "Tsatsiki" heißt eigentlich Tobias Johannson und lebt in Schweden mit seiner Mutter Tina, Gitarristin in einer jungen Band, die vom großen Erfolg träumt. Der kleine Tsatsiki hingegen träumt von Griechenland und von seinem Vater, den er nur vom Foto her kennt, das in seinem Zimmer an der Wand hängt. Es zeigt einen lachenden jungen Mann mit einem Tintenfisch in der Hand. Tina hatte sich vor neun Jahren während der Ferien in Griechenland in den gut aussehenden Fischer verliebt. Von der Existenz seines Sohnes weiß der allerdings nichts. Obwohl Tsatsiki in Göran einen zuverlässigen Freund gefunden hat und es auch gern hätte, wenn die etwas chaotische Mutter an dem sympathischen jungen Polizisten, der inzwischen bei ihnen zur Untermiete eingezogen ist, mehr Gefallen fände, wird sein Verlangen, den fernen Vater kennen zu lernen, immer stärker. Schließlich gibt die Mutter nach und sie fahren nach Griechenland.

Die Begegnung nach so langer Zeit fällt zunächst anders aus und Tina gibt sich lieber nicht zu erkennen, doch Tsatsiki nimmt ohne die Mutter den Kontakt zum fremden Vater auf und gewinnt dessen Anerkennung, als er ihm hilft, sein Boot wieder flottzumachen – mit einem Tipp, den er von Göran bekommen hatte, als der sein Motorrad reparierte. Gemeinsam fahren sie aufs Meer und für Tsatsiki erfüllt sich der Traum, für den er schon lange trainiert hat – er taucht zum Tintenfischfang in die Unterwasserwelt. So wie er sich von seinem Vater, den er nun kennen gelernt hat, mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen in den nächsten Ferien verabschiedet, so wird auch bei ihrer Rückkehr nach Schweden ein optimistisches Zeichen gesetzt: Göran, der Tina und Tsatsiki bei einer Verkehrskontrolle stoppt, bekundet sein Interesse an dem Zimmer in ihrem Haus, das er vor den Ferien aufgegeben hatte ...

Der neue Film der schwedischen Regisseurin Ella Lemhagen (geboren 1965) überrascht mit Sensibilität und Zartheit, was man nach ihren schrillen Jugendfilmen, dem Spielfilmdebüt "Traumprinzen" (1996) und "Welcome to the Party" (1997), kaum erwartet hätte. Mit "Tsatsiki" bringt sie ganz andere Töne ins Spiel: warmherzig, liebevoll, von Humor aber auch Melancholie durchzogen, zum Ende hin ein bisschen märchenhaft. Aus dem Blickwinkel eines Achtjährigen wird – in durchaus konventioneller Dramaturgie – die Welt der Erwachsenen betrachtet, mit ihren Widersprüchlichkeiten und Fehlern, doch immer Raum lassend für Entwicklungen und Veränderungen. Zugleich ist es ein schönes Beispiel für eine von Respekt und Toleranz getragene Mutter-Sohn-Beziehung: Als sie nach Griechenland aufbrechen, damit der Junge seinen Vater kennen lernen kann, bittet er die Mutter "Sag nicht, dass ich sein Sohn bin, bevor ich es nicht selbst will".

Das Drehbuch dieser einfühlsamen Erzählung (das auf mehreren, in Schweden beliebten Kinderbüchern basiert) schrieb Ulf Stark (Jahrgang 1944), selbst einer der erfolgreichsten und besten Kinder- und Jugendschriftsteller Schwedens, der bereits die Drehbücher zu so bekannten Filmen wie "Sixten", "Lass die Eisbären tanzen" und "Kannst du pfeifen, Johanna" verfasste. Und mit dem achtjährigen Samuel Haus (ausgewählt unter 2500 Kindern) fand Ella Lemhagen einen Darsteller, der in seiner Rolle als Tsatsiki absolut überzeugend, mit Charme und Spielfreude, in einem stimmigen Ensemble von Schauspielern agiert (allen voran Alexandra Rapaport als glaubwürdig unkonventionelle junge Mutter, die im übrigen als "Shooting Star" bei der diesjährigen Berlinale kandidierte).

Wurde der Film bei den Nordischen Filmtagen Lübeck 1999 bereits als herausragender Beitrag mit dem "Kinderfilmpreis der Nordischen Filminstitute" ausgezeichnet, so war "Tsatsiki, Mama und der Polizist" (wie der Filmtitel originalgetreu übertragen heißt) auch der Favorit der Berliner Kinderjury und erhielt den "Gläsernen Bären" beim Kinderfilmfest der Internationalen Filmfestspiele Berlin 2000, außerdem ex aequo den Preis des Deutschen Kinderhilfswerkes. Lobenswert, dass er auch schon einen Verleih hat und damit ein Familienfilm im besten Sinne in die Kinos kommt.

Christel Strobel

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 91-2/2002 - Interview - "Bei einem guten Kinderfilm sollte man alle Fäden wieder zusammenbringen"
KJK 91-2/2002 - Hintergrund - Porträt Ulf Stark
KJK 83-2/2000 - Hintergrund - "Tsatsiki"
KJK 83-2/2000 - Kinder-Film-Kritik - Tsatsiki
KJK 82-2/2000 - Interview - "Ich möchte nicht in eine Schublade gesteckt werden"

 

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"Drei Brüder"|


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