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Ausgabe 58-2/1994

DES KAISERS NEUE KLEIDER

Produktion: Omnia Film für KirchGruppe, ZDF und TVE, Deutschland 1993 – Regie: Juraj Herz – Buch: Bernd Fiedler – Kamera: Rudolf Blahácek – Schnitt: Gisela Haller – Musik: Petr Hapka – Darsteller: Harald Juhnke (Kaiser), Carsten Voigt (Lorenzo), Jan Kalous (Tobias), Andréa Ferréol (Herzogin), Therese Herz (Maria) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: Atlas Film (35mm) – Altersempfehlung: ab 6 J.

"Lang lebe der Kaiser" – so schallt es durch das Land. Gerade wurde eine Nacht- und eine Tagesmarke für die Untertanen eingeführt und damit schon wieder eine Einnahmequelle für "des Kaisers neue Kleider" erfunden. Alle stöhnen unter dem Modefimmel Seiner Majestät, besonders der Hofschneider Lorenzo, dem bald nichts mehr einfällt. Bei seiner Suche nach neuen Preziosen auf dem Markt begegnet ihm der Junge Tobias und die liebreizende Maria mit ihrer kleinen Tochter Jenny. Da Maria nicht zahlen kann, erleidet sie das Schicksal vieler anderer: "Umerziehung" an den Webstühlen bis zum Umfallen. Zwischen Tobias und Lorenzo entwickelt sich eine Freundschaft. Tobias ist es auch, der Lorenzo auf verwegene Ideen bringt. Der eitle Kaiser scheint seinem Hofstaat und seiner Cousine, der Herzogin Rüsche, machtlos ausgeliefert. Er ahnt, dass sie sich über ihn lustig machen. Deshalb ist er ganz Ohr, als zwei orientalische Wunderweber daherkommen und ihre kühne Kreation anbieten: Kleider aus magischen Stoffen, die für Dumme und Taugenichtse unsichtbar sind. Endlich wird der Kaiser die Dummen von den Klugen im Staate unterscheiden können. Das Ende des Märchens von Hans Christian Andersen, worauf dieser Film basiert, ist bekannt. Volk und Hofstaat heucheln, bestaunen des Kaisers neue prächtige Kleider – nur ein Kind, in diesem Falle Marias Tochter Jenny, sagt dem Kaiser die Wahrheit: "Du hast ja gar nichts an!"

Doch der Kaiser (Harald Juhnke meistert diese Rolle mit Witz und Würde) behält in dem aufwändigen Kostümfilm die leinenen Unterhosen an, seine Perücke nimmt er ab. Hervor kommt ein geläuterter Herrscher, der gar nicht mehr stottert – was ihn vorher der Lächerlichkeit preisgab – und von nun an die Geschicke seines Landes mit Weisheit leiten möchte. Er verspricht Gerechtigkeit seinen Untertanen gegenüber, deren wahre Situation er gar nicht kannte. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind beabsichtigt, allerdings wohl nicht in dieser Schlussszene, denn wo bitte gibt es auf der Welt einen solchen Herrscher? Der in München lebende, tschechische Regisseur Juraj Herz ("Die dumme Augustine") hat augenzwinkernd Bezüge zur aktuellen Politik hergestellt: wie einer immer neue Steuern und Abgaben ersinnt, um das Staatssäckel zu füllen für eigene Interessen. Insgesamt aber handelt es sich nicht um eine gesellschaftskritische Satire, sondern um ein mit Nebenfiguren, Nebengeschichten, Nebenschauplätzen angereichertes klassisches Märchen. Wie bei allen Märchenverfilmungen dieser von der Kirch-Gruppe und dem ZDF mitproduzierten Serie, bestand auch hier das Problem, aus einem kurz gefassten Märchenstoff einen langen Spielfilm zu machen. Juraj Herz hat seine reiche (Ausstattungs-)Phantasie darangesetzt – und seine Familie. Therese Herz als Maria, Tochter Annelie als Jenny, er selbst spielt den Assistenten des Hofschneiders. Alles in allem eine ziemlich konventionelle, aber akzeptable Märchenadaption.

Gudrun Lukasz-Aden

 

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Ausgabe 58-2/1994

 

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