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Ausgabe 58-2/1994

DER SCHWÄTZER

ZA ZUI ZI

Produktion: China Children's Film Studio, VR China 1992 – Regie: Liu Miaomiao – Buch: Yang Zhengguang, Liu Miaomiao – Kamera: Wang Jiuwen – Musik: Wen Zhongjia – Darsteller: Li Lei (Minsheng – Za Zui Zi), Cao Cuifen (Shuying), Yuanjir (Qunsheng), Lu Xiaoan (Yanmai) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – Weltvertrieb: China Children's Film Studio, No. 2 Xitucheng Street, Haidan District, TJ-Beijing 100088, Tel. (...) 861 2012367, Fax (...) 861 2012312 – Altersempfehlung: ab 10 J.

Der zehnjährige Minsheng lebt mit seinem älteren Bruder Qunsheng und seinen Eltern in einem chinesischen Bergdorf in der Nähe des Gelben Flusses. Sein Spitzname ist "der Schwätzer", weil er selbst Geheimnisse nicht für sich behalten kann. Da er auch manches weitererzählt, was er bei Gesprächen der Erwachsenen aufschnappt, schimpft seine Mutter ihn häufig. So plaudert er aus, dass die Braut seines Bruders vor ihrem brutalen Vater bei Minshengs Familie Zuflucht gefunden hat und sorgt damit für Aufruhr im Dorf und Ärger in der Familie. Dabei hat es seine Mutter ohnehin schon schwer genug, seit der Vater wegen angeblicher Veruntreuung von Staatsgeldern ins Gefängnis gesteckt wurde. Als Minsheng ein weiteres Mal den Mund nicht halten kann, muss er zur Strafe die ganze Nacht im zugigen und kalten Hof verbringen. Aus Wut läuft er weg und schläft in einer Höhle. Dort schwört er unter Tränen: "Ich rede nicht mehr!" Als Minsheng einen kleinen Goldklumpen findet, der aus den nahen Bergen stammt, entschließt er sich, doch wieder zu reden. Auf seinen Vorschlag brechen die anderen Dorfkinder mit ihm auf, um ein verschollenes Kaisergrab mit mutmaßlichen Schätzen zu finden, doch die Expedition wird von seinem besten Freund Diandian angeführt. Aus Rache gibt er dessen größtes Geheimnis preis...

In ihrem vierten Spielfilm zeichnet die dreißigjährige Regisseurin Liu Miaomiao ein stimmungsvolles Porträt einer armen Familie in einem traditionellen Bergdorf. Dabei erzählt sie konsequent aus der Perspektive des jungen Helden, der mit seiner Geschwätzigkeit viel Unheil anrichtet. Allerdings verknüpft sie in neunzig Minuten so viele Handlungsfäden und Motive miteinander, dass zumindest jüngere Kinder wohl kaum alle Details des wechselvollen Geschehens verstehen dürften. Dafür entschädigen die sehenswerten Einblicke in das kaum bekannte Alltagsleben in dieser abgelegenen Region der Volksrepublik, die ausgezeichnete Fotografie und das warme Licht, in die die karge Bergwelt immer wieder getaucht wird. Wie in einem anderen Wettbewerbsbeitrag des 17. Kinderfilmfests der diesjährigen Berlinale, "Der Goldene Ball" von Cheik Doukouré aus Guinea, spielen auch in dem chinesischen Film Mädchen keine dramaturgisch wichtige Rolle. Das zentrale Geschehen spielt sich auch hier in einer Gruppe von Jungen oder zwischen dem Helden und erwachsenen Bezugspersonen ab.

Nachdenklich stimmt an diesem ruhig inszenierten Film vor allem der Schlussteil. Der Junge lernt nicht nur auf leidvolle Weise, dass man seinen Kopf gebrauchen sollte, bevor man einfach so drauflos redet; er muss auch in frühen Jahren einige Schicksalsschläge einstecken. Nachdem sein großer Bruder bei einer Explosion von selbstgebauten Feuerwerkskörpern ums Leben gekommen ist, muss Minsheng als der einzige anwesende "Mann" in der Familie Verantwortung für seine Angehörigen übernehmen. In einem Epilog erfahren wir, dass Minsheng aus seinen Erfahrungen für das Leben gelernt hat: Der vorlaute Dorfjunge besucht später erfolgreich die Universität.

Reinhard Kleber

 

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Ausgabe 58-2/1994

 

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