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Ausgabe 58-2/1994

DER GOLDENE BALL

LE BALLON D'OR

Produktion: Chrysalide Films / Le Studio Canal+ / France 2 Cinéma / Bako Productions, Frankreich / Guinea 1993 – Regie: Cheik Doukouré – Buch: Cheik Doukouré, David Carayon, Martin Brossolet – Kamera: Alain Choquart – Schnitt: Michèle Robert-Lauliae – Darsteller: Aboubacar Sidiki Soumah (Bandian), Salif Keita (Karim), Agnès Soral (Isabelle), Habib Hammoud (Bithar) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Le Studio Canal+, Daniel Marquet, 17, rue Jumont D'Urville, F-75016 Paris, Fax (...) 47201358 – Altersempfehlung: ab 8 J.

In einem kleinen Dorf in Guinea lebt der etwa zwölfjährige Bandian, der so schnell laufen kann, dass er "Turbo von Makono" genannt wird. Gemeinsam mit anderen Dorfjungen spielt er leidenschaftlich gerne Fußball, wenn er nicht beim Viehhüten oder bei der Feldarbeit helfen muss. Der sportliche Junge träumt davon, ein Fußballstar wie sein Vorbild Roger Milla zu werden. Eines Tages schenkt ihm eine französische Ärztin einen gebrauchten Lederball, den Bandian mit goldener Farbe bemalt. Nach einem unglücklichen Zwischenfall läuft Bandian mit seinen Ersparnissen und dem Ball aus dem Dorf weg und fährt zu seiner Schwester Fanta in die Hauptstadt Conakry.

Unterwegs beobachtet er ein Fußballspiel, bei dem gerade der Ball kaputtgegangen ist. Bandian stellt seinen Ball unter der Bedingung zur Verfügung, dass er mitspielen darf. Mit einem erfolgreichen Auftritt erregt er das Interesse eines wohlhabenden Fischhändlers, der den talentierten Kicker mit einer Videokamera filmt. Als der Händler Bandian bei einem Länderspiel in Conakry wieder trifft, verhilft er ihm zu einer Ausbildung an einer berühmten Fußballschule. Doch die Förderung ist nicht uneigennützig: Der Händler vermittelt das afrikanische Kickertalent gegen ein lukratives Honorar an einen Fußballclub in Frankreich. Nach einigem Zögern reist Bandian nach Europa, wo er auf eine große Karriere hofft.

Beim 17. Kinderfilmfest der diesjährigen Berlinale vergab die Kinderjury den von Maria Schell gestifteten Sonderpreis an die Koproduktion von Frankreich und Guinea. In seinem zweiten Spielfilm nach "Blanc d'Ebène" (1991) erzählt der Regisseur Cheik Doukouré aus Guinea die sympathische Erfolgsstory eines talentierten Jungen, der aus der Armut seiner Heimat ins "gelobte Land" aufbricht, wo er sein Glück machen will. Die atmosphärisch dichte Inszenierung besticht durch farbenfrohe Bilder aus einer exotischen Lebenswelt, reichlich Situationskomik und fröhliche Musik. Mit Aboubacar Sidiki Soumah hat der Regisseur einen überzeugenden Darsteller für den quirligen Helden gefunden, der mit seinen Ballkünsten und seinem naiven Wagemut viele Identifikationsmöglichkeiten bietet.

Der humorvolle Kinderfilm weist trotz der turbulenten Handlung einige Längen auf. So sind etwa manche Ausschnitte aus Fußballspielen für Zuschauer, die keine Fußballfans sind, zu ausführlich geraten. Im Hinblick auf den Kinoeinsatz wiegt eine andere Schwäche jedoch schwerer: Mädchen treten allenfalls als Statisten auf, dramaturgisch spielen sie in diesem Sportlerfilm keine Rolle. Während man der leichthändigen Inszenierung mit ihren märchenhaften Zügen während des Films gerne folgt, macht es sich der Regisseur am Schluss zu einfach. Zu rasch überwindet Bandian skeptische Einwände der Ärztin und von Verwandten gegen eine zu frühe Abreise des Minderjährigen, zu problemlos trickst der Junge die Kontrollbeamten am Flughafen mit gefälschten Papieren aus, die ihn im Handumdrehen gleich um mehrere Jahre älter machen. Auch dass sich Bandian auf dem Flughafen in Paris einfach ins Taxi setzt, um Hunderte von Kilometern zu seinem neuen Club zu fahren, löst zwar Gelächter aus, entfernt sich jedoch zu sehr von der Realität.

Alles in allem ist Doukouré dennoch ein kraftvoller Film gelungen, dessen afrikanische Lebensfreude rasch aufs Publikum überspringt und der zugleich dazu ermutigt, an die eigenen Träume zu glauben. Beim Berliner Kinderfilmfest erhielt "Der goldene Ball" viel Applaus. Bleibt nur zu hoffen, dass er auch den Weg in die deutschen Kinos findet.

Reinhard Kleber

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 60-2/1994 - Kinder-Film-Kritik - Der goldene Ball

 

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Ausgabe 58-2/1994

 

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