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Ausgabe 87-3/2001

SHREK – DER TOLLKÜHNE HELD

SHREK

Produktion: DreamWorks / Pacific Data Images; USA 2001 – Regie: Andrew Adamson, Vicky Jenson – Buch: Ted Elliott, Terry Rossio, Joe Stillman, Roger S. Schulman, nach einem Kinderbuch von William Steig – Schnitt: Sim Evan-Jones – Musik: John Powell, Harry Gregson-Williams – Länge: 90 Min. – Farbe – FSK: o. A., ffr. – Verleih: UIP (35mm) – Altersempfehlung: ab 8 J.

In einem dunklen Sumpf haust ein unansehnliches grünes Monster namens Shrek, der Oger. Da er seine Ruhe liebt, erschreckt er gerne jeden Eindringling, um diesen aus seinem Wald zu vergraulen. Eines Tages begegnet er einem sprechenden Esel, der gerade vor den Soldaten des bösen Lord Farquaad flüchtet. Der will nämlich alle Fabelwesen einfangen. Außerdem möchte der kurzgewachsene Tyrann unbedingt die schöne Prinzessin Fiona heiraten, um König zu werden. Shrek und der Lord schließen einen Handel ab: Wenn es dem Oger gelingt, Fiona zu ihm zu bringen, wird Farquaad alle Fabelwesen aus dem Sumpf vertreiben.

In einer abenteuerlichen Rettungsaktion gelingt es Shrek und dem namenlosen Esel, die Prinzessin aus ihrem abgelegenen Schloss zu befreien, das von einem Feuer speienden Drachen bewacht wird. Als Fiona erkennt, dass sich hinter der Ritterrüstung nicht der ersehnte Traumprinz verbirgt, sondern ein stinkender Sumpfbewohner, ist sie zunächst enttäuscht. Auf dem Rückweg zu Farquaads Burg stellen die beiden jedoch fest, dass sie vieles gemeinsam haben und sich eigentlich ganz gut verstehen. Außerdem wird bald klar, dass die schöne Prinzessin ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt. Die größte Prüfung steht Shrek und seinen neuen Gefährten aber erst bevor, als sie bei dem Lord eintreffen.

Das erste rein digital hergestellte Märchen stammt wie das animierte Ameisenspektakel "Antz" (1998) aus dem Studio DreamWorks, das 1994 von Steven Spielberg, dem Ex-Disney-Manager Jeffrey Katzenberg und dem Musik-Unternehmer David Geffen gegründet wurde. Mit "Shrek" legt es nun in Sachen computerhergestellter 3D-Animationsfilm sein Meisterstück vor, das für das Genre Maßstäbe setzt. Der Entwicklungssprung zeigt sich auch darin, dass "Shrek" als erster Animationsfilm seit fast 30 Jahren zum Wettbewerb des diesjährigen Festivals von Cannes zugelassen wurde.

Der flotte Familienspaß, der auf einem Kinderbuch von William Steig beruht, kommt zunächst wie ein klassisches Märchen daher, dessen Grundstruktur an das Muster von der Schönen und dem Biest erinnert, macht sich dann aber mit größtem Vergnügen und viel Einfallsreichtum daran, den Fundus klassischer Märchenfiguren zu parodieren. Produzent Katzenberg sagt dazu: "'Shrek' betrachtet praktisch alle Märchen, mit denen wir aufgewachsen sind, und macht sich einen Riesenspaß daraus, die erzählerischen Konventionen zu verdrehen und auf den Kopf zu stellen."

Ja, Katzenberg treibt es sogar noch weiter: Einige Szenen und Personen lassen sich ohne weiteres als ironische Seitenhiebe auf seinen früheren Arbeitgeber Disney und dessen Chef Michael Eisner deuten. Derartige Feinheiten dürften viele europäische Kinogänger nicht entschlüsseln können, was aber gar nichts macht, denn "Shrek" birgt so viele Bedeutungsschichten und Witze, dass alle auf ihre Kosten kommen: Während sich die Kleinen über Slapstick-Nummern oder Rüpeleien amüsieren, können die Großen versuchen, möglichst viele der 31 aufgegriffenen Schlüsselmärchen und Fantasy-Kreaturen zu erkennen. Cineasten und TV-Fans wiederum dürften Vergnügen daran finden, Filmzitate wie "Matrix" oder "Lara Croft" und Anspielungen auf einschlägige Shows und Popstars zu dechiffrieren. Indem "Shrek" für jede Zuschauergruppe humorvolle Einfälle bereithält, reicht er deutlich über die gängige, meist süßlich-eindimensionale Zeichentrickware hinaus. Und wenn er so gewagte szenische Witze reißt, wie den mit der zum Luftballon aufgeblasenen Schlange, dann bringt er selbst hart gesottene Filmkritiker zum Schenkelklopfen.

Mit Hilfe neu entwickelter Computerprogramme gelingt es den Regiedebütanten Andrew Adamson und Vicky Jenson, die menschlichen Figuren lebensecht wirken zu lassen. Das Regieduo konnte hier einschlägige Erfahrungen einbringen: Adamson heimste für seine Effektarbeiten an den beiden ersten "Batman"-Filmen eine Oscar-Nominierung ein, während die gelernte Hintergrundzeichnerin Jenson als Art Directorin bei "Ferngully" und als Production Designer bei "Der Weg nach El Dorado" arbeitete.

Die Programmierer entwickelten Computerprogramme weiter, die schon bei "Antz" eingesetzt wurden. Dazu gehört ein System, das die Emotionen und Gesichtsausdrücke der Figuren steuert. So umfasst Shreks animiertes Gesicht rund 180 Ausdrucksmöglichkeiten, von der hochgezogenen Augenbraue über ein freches Grinsen bis zu einem einladenden Lächeln. Und bezogen auf den Gesamtkörper steuerten je 90 Muskeln die Bewegungen von Shrek, Fiona und Farquaad.

Als Identifikationsfigur ist der Shrek geschickt konzipiert: Mit seiner Vorliebe für Schlammbäder hat der rüpelige Außenseiter typische Underdog-Qualitäten und wirkt trotz seines unansehnlichen Äußeren mit seinen putzigen Trichterohren zugleich auch niedlich. Außerdem verbirgt sich hinter der rauen Schale ein holdes Gemüt, das die intelligente Prinzessin denn auch bald zu enthüllen versteht. Aber auch bei Fiona, die ziemlich zickig sein kann, trügt der Schein: Die grazile Schönheit kann sich mit perfekten Karate-Künsten energisch gegen die Schergen Farquaads verteidigen. Es ist nicht die einzige Überraschung ihrer schillernden Existenz, die zugleich die traditionell eher passive Märchenfigur Prinzessin um eine neue Facette erweitert.

Trotz des hohen Spaßfaktors vermittelt das Oger-Märchen auf elegante Weise dem Publikum auch gleich einige begrüßenswerte Botschaften, so etwa den Glauben an das Gute, die Freundschaft und die Liebe sowie die Notwendigkeit, sich mit den eigenen Schwächen zu akzeptieren und nicht zuletzt den Vorrang innerer Werte gegenüber äußerlicher Attraktivität.

Während die Helden in der Originalversion von den Stars Mike Myers, Cameron Diaz, Eddie Murphy und John Lithgow gesprochen werden, leihen ihnen in der deutschsprachigen Fassung prominente Darsteller wie Sascha Hehn, Esther Schweins, Rufus Beck und Randolf Kronberg ihre Stimmen. In den USA avancierte "Shrek" mit weit über 200 Millionen Dollar Einspiel zum Überraschungserfolg des Kinosommers – ein Erfolg, der sich hierzulande wiederholen dürfte. Kein Wunder, dass dem ersten Teil, der rund 112 Millionen Dollar kostete, schon bald ein zweiter Teil folgen soll.

Reinhard Kleber

 

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