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Ausgabe 95-3/2003

SCIENCE FICTION

Produktion: A Private View Films / B&T Film / Man's Film / Fu Works; Belgien / Deutschland / Niederlande 2002 – Regie: Dany Deprez – Buch: Jean-Claude Van Rijckeghem, Chris Craps, nach dem gleichnamigen Roman von Stefaan Van Laere – Kamera: Walther Vanden Ende – Schnitt: Michèle Hubinon – Musik: Loek Dikker – Darsteller: Koen De Bouw (Rick Decker, Vater), Wendy Van Dijk (Rachel Decker, Mutter), David Geclowicz (Andreas), Fran Michiels (Vero), Jurre Baguet (Kasper), Wietse Tanghe (Wietse) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Verleih: MFA (35mm) – Altersempfehlung: ab 10 J.

Der zehnjährige Andreas ist neu in der Stadt. Er hat bereits auf allen Kontinenten der Erde gelebt, weil seine Eltern Wissenschaftler sind und immer wieder Aufträge aus verschiedenen Ländern bekommen. Vero, ein Mädchen aus der neuen Klasse von Andreas, findet seine Eltern aber sehr seltsam, wenn nicht gar verdächtig. Ständig tragen sie Sonnenbrillen, auch wenn die Sonne gar nicht scheint. Sie arbeiten Tag und Nacht, stehen dauernd unter Zeitdruck und gehen nie aus. Die Kinder beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen. Eines Abends belauschen sie über ein verstecktes Babyphon ein Gespräch des Elternpaars. Es scheint so, dass die Forschungen kurz vor dem Abschluss stehen. Sie sprechen davon, dass sie mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit die Erde beherrschen und bald eine lange Reise antreten werden. Dabei ist auch von anderen Planeten die Rede. Die Kinder trauen ihren Ohren nicht. Für Vero und ihre Kameraden steht fest: Die Eltern von Andreas sind Aliens! Mit großem Eifer suchen sie nach Beweisen und beschließen, in einen stets abgeschlossenen Laborraum von Andreas Eltern einzubrechen. Auf einem Computerbildschirm machen sie eine verräterische Entdeckung.

Bereits mit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm "Der Ball" (1998) hat der 1957 in Brügge geborene Regisseur Dany Deprez gezeigt, dass er für junge Zuschauer spannend inszenieren kann. Sein neues Opus ist aber noch viel spannender ausgefallen. Das Buch dazu schrieben Jean-Claude van Rijckeghem und Chris Craps nach dem gleichnamigen Roman von Stefaan Van Laere. Der Kinderkrimi mit Science-Fiction-Elementen ist nicht nur von Walter Vanden Ende exzellent fotografiert, sondern hält kleine wie große Zuschauer äußerst geschickt bis zum Schluss im Ungewissen, ob Andreas und seine Freunde vielleicht einfach nur zu viel Phantasie haben. Für die coole bis postmoderne Ausstattung der elterlichen Villa und des futuristischen Labors sorgte Bart van Loo, der es verstand, aus einem schmalen Budget den optimalen Production Value herauszuholen.

Die belgisch-deutsch-niederländische Koproduktion besticht nicht zuletzt durch kleine, aber aufschlussreiche Details. So kommen die spionierenden Kinder bei ihren Recherchen dem geheimnisvollen Projekt "Linea" auf die Spur, dessen Buchstaben in anderer Reihenfolge das Wort "Alien" (Außerirdischer) ergeben. Deprez, der neben seiner Filmarbeit auch als bildender Künstler tätig ist, arbeitet überzeugend heraus, wie es kommen kann, dass sich ein Zehnjähriger von seinen Eltern so vernachlässigt und ungeliebt fühlt und sie für Monster hält, was er auch dann noch glaubt, als sie dies nachdrücklich bestreiten. Die existenzielle Erschütterung des Urvertrauens zwischen Kind und Eltern ist denn auch das zentrale Wirkungsmoment des packenden Thrillers.

Insofern stellt "Science Fiction" gerade für jüngere Kinobesucher keine leichte Kinokost dar. Der deutsche Produzent Rudi Teichmann, selber Vater von zwei Kindern, nimmt das bei diesem Stoff aber gerne in Kauf: "Ich möchte nicht immer nur die heile Welt erzählen. Die Zuschauer sollen auch etwas zu knabbern haben. Es ist nicht einfach für einen Achtjährigen, diese Geschichte zu konsumieren: Der Held denkt, er würde von seinen Eltern nicht richtig geliebt werden. Und begibt sich auf eine Reise ins Ungewisse." Wie diese Reise endet, sollte man sich im Kino aber unbedingt selbst ansehen.

Reinhard Kleber

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 96-3/2003 - Kinder-Film-Kritik - Science-Fiction

 

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