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Ausgabe 101-1/2005

"Der Dolch des Batu Khan"

(Hintergrund zum Film DER DOLCH DES BATU KHAN)

Regie: Günter Meyer, Deutschland 2004, 89 Min., Altersempfehlung: ab 8 J.

Dokumentation der Filmvorführungen (28. und 29. Juni 2004) beim 22. Kinderfilmfest München

Inhalt

Ausgerechnet an Sebastians 12. Geburtstag wird sein Vater, Oberkonservator des Dresdner Museums "Grünes Gewölbe", zum Fund des Schatzes vom berüchtigten Batu Khan gerufen. Doch das wichtigste Stück, der sagenumwobene Dolch, scheint zu fehlen. Als Entschädigung für den ausgefallenen Geburtstag und den wieder einmal verschobenen Urlaub darf Sebastian bei den Vorbereitungen zur Ausstellung mitarbeiten. Bei seinen Recherchen im Museumsarchiv stößt der Junge auf Hinweise über den Verbleib des Dolches. Sein Vater hat aber wie so oft kein offenes Ohr für ihn. Als Sebastian im Internet auf ein Gebot über 3 Millionen Euro für den Dolch stößt, steht für ihn fest, dass hier ein kaltblütiger Kunstraub geplant wird. Gemeinsam mit seinen besten Freunden Maria und Benny macht sich Sebastian auf die Suche nach dem Insider, den es im Museum geben muss. Verdächtig sind irgendwie alle, die im Team seines Vaters mitarbeiten. Die Detektivarbeit ist nicht ungefährlich: Sebastian wird per SMS bedroht, von einem maskierten Motorradfahrer attackiert und schließlich sogar gemeinsam mit Benny vom unbekannten Täter im Kellergewölbe eingesperrt. Doch Sebastian und seine Freunde lassen nicht locker: Mit ihrer Hilfe wird der Dolch nicht nur gefunden, sondern auch sein Diebstahl in letzter Sekunde verhindert. Und natürlich werden die Verbrecher überführt und dingfest gemacht.

Reaktionen während und nach der Vorstellung

In beiden Filmvorstellungen ist die Aufmerksamkeit von Beginn an sehr hoch. Wie es sich für einen Krimi gehört, wird eifrig über den oder die Täter spekuliert. Die Kinder tauschen sich angeregt über ihre Verdächtigungen aus; dabei werden die angebotenen Täuschungsmanöver aufgegriffen: "Das ist der Dieb!" (der unfreundliche Fotograf, der Sebastian vorm Herumschnüffeln warnt) oder etwa "Die Blonde hat was damit zu tun". Der mysteriöse Professor oder auch Sebastians Vater werden als Motorradfahrer verdächtigt (auf den tatsächlichen Täter übrigens tippt kaum einer). Auch die richtigen Hinweise werden erkannt. Ein Mädchen identifiziert den Kerzenständer aus der Schatzkiste als Versteck des Dolches. Sie regt sich auf, dass das keiner der Handelnden realisiert. Krimi-erprobte junge Zuschauer prognostizieren zutreffend, dass die entscheidende Seite aus dem Museumsführer entfernt wurde.

Die Spannung ist groß. Es herrscht zappelige Unruhe im Kinosaal, als die Verbrecher Maria übers Handy aufspüren oder als der Motorradfahrer mit dunklem Visier in der Seilbahn auftaucht. Noch größer ist das Erschrecken, als Benny und Sebastian chloroformiert werden. An dieser Stelle bemerkt ein Junge zu seinem Nachbarmädchen: "Der Film ist viel zu gruselig für dich!". Auf Waffen reagieren Jungen und Mädchen im Publikum unterschiedlich: Die Jungen zeigen sich beim Anblick von Schusswaffen oder Morgenstern, Schwert und Dolch beeindruckt ("cool!", "geil!") und deuten aufgeregt mit den Fingern auf die Leinwand. Bei den Mädchen hingegen ist keine ausdrückliche Reaktion festzustellen (nach dem Film wird der vom Regisseur mitgebrachte Filmdolch von Jungen und Mädchen gleichermaßen mit gebührendem "Respekt" begutachtet).

Die actionreichen Szenen werden besonders aufmerksam verfolgt. Bei der Motorradattacke ist extrem große Anspannung bei einem ca. siebenjährigen Jungen zu erkennen. Von anderen Kindern kommen aufgeregte Kommentare, von "Pass auf!", direkt an Sebastian gerichtet, bis zu Spekulationen wie "Der kommt doch wieder!" und Ausrufen ("Oh Scheiße!"). Die mobile Kamera-Konstruktion von Benny imponiert. Als das "coole Teil" im Showdown die Taucherin entwaffnet, wird begeistert gejohlt und geklatscht.

Die spannenden Szenen werden immer wieder durch Situations- oder Wortkomik aufgelockert. Wortspiele wie zum Beispiel "Kugel" statt "Google"-Internetsuchmaschine oder das Missverständnis der Asiaten, den Ausruf "Scheiße!" auf das WC zu beziehen, rufen großes Gelächter hervor. Benny hat die witzigsten Dialoge ("Du bist ja nicht nur ein Ochse, du bist ja 'ne ganze Herde!"). Wenn er Sebastian imitiert, wie er sich bei Maria benimmt, lacht und kichert der ganze Saal.

Neben dem Krimiplot bewegt auch Sebastians familiäre Situation: Die Mutter seit drei Jahren tot, der überarbeitete Vater selten da für seinen Sohn. Die Kinder im Publikum fühlen mit dem traurigen und enttäuschten Sebastian mit. Ein Mädchen ruft leise aus: "Oh nein, jetzt hat er schon wieder keine Zeit!", als Sebastians Vater mit "Blondie" über ein Händelkonzert spricht und seinen Sohn schnöde abwimmelt.

Auf eine Besonderheit sei noch hingewiesen: Der Titelsong über den finsteren Batu Khan, der sich als Videoclip aus dem Internet wiederholt auf den PC-Monitor zaubert, findet bei den Jungs im Publikum großen Anklang. Im Laufe des Films singen einige Jungen mit "dunklen Stimmen" den Refrain mit. Auch nach der Vorstellung ist ihnen das Lied noch präsent. Danach befragt, betiteln sie den Song samt zugehörigem Videoclip als "cool".

Die Filmkritik von Tobi, 8 Jahre alt, spricht für sich: "Der Film war sehr spannend bis zum Schluss. Was ich am besten fand, war der Schluss im Rittergewölbe. [...] Dass mir der Film nicht gefallen hat, kann man nicht sagen!"

Verwendbarkeit des Films für die Kinderkulturarbeit

Das größte Vergnügen an "Der Dolch des Batu Khan" besteht sicherlich im detektivischen Spekulieren um die Identität der Täter, an dem sich der kindliche Zuschauer beteiligen darf. Der Film bedient das klassische Whodunit-Prinzip – wer ist der Täter – mit ausreichend falschen Fährten und einem überschaubaren Kreis von Verdächtigen. Der Umstand, dass das eigentliche Verbrechen noch gar nicht stattgefunden hat und auch nicht stattfinden wird, kann dabei vernachlässigt werden. Dabei kommt der kriminelle Plot – Verschwörung, Kunstraub, Bedrohung, tätliche Angriffe und Freiheitsberaubung – obendrein unblutig und ohne Leiche aus.

Die Handlung ist in der heutigen Erlebnis- und Erfahrungswelt von Kindern angesiedelt. Dies schafft eine vertraute und nachvollziehbare Atmosphäre. Das realistische Umfeld (alleinerziehender Elternteil, Stadt Dresden) wird angereichert mit exotischen Elementen (Dolch, Figur Batu Khan) und abenteuerlicher Szenerie (z. B. Museumsgewölbe). Identifikationspotenzial besitzen die kindlichen Hauptakteure, die ohne übermenschliche oder übertrieben "erwachsene" Fähigkeiten auskommen. Sie setzen Internet, Computer und Handy klug bei der Aufklärung des Falls ein und verlassen sich aufeinander, halten zusammen, auch gegen die Erwachsenen. Auch müssen sie sich mit alltäglichen Schwierigkeiten auseinandersetzen, z. B. mit dem Alleingelassensein durch ein überfordertes Elternteil.

Insgesamt meistert "Der Dolch des Batu Khan" die Balance zwischen Spannung und Action, Spaß und Emotionen. Auch der Gegensatz von moderner Gegenwart und historischer Komponente ist reizvoll inszeniert. Actionreiche Szenen wechseln sich ab mit ruhigeren Sequenzen, in denen u. a. die Nebenschauplätze Liebesgeschichte (Sebastian und Maria), Freundschaft (das Trio Sebastian, Benny, Maria) und Familie (Sebastian und sein Vater) abgehandelt werden. Diese drei Elemente bleiben zuweilen auf der Strecke. Gerade das Potenzial des Vater-Sohn-Konflikts wird zugunsten der straffen Krimidramaturgie leider nicht voll ausgeschöpft.

Nicht zu unterschätzen ist der Spannungseffekt. Manche Szenen können auf kleinere Kinder gruselig oder bedrohlich wirken (Kellergewölbe, Motorradattacke, Chloroform, Schusswaffe). Für ältere oder reifere Kinder ist diese "Suspense" jedoch gut auszuhalten, zumal oft mit dem comic relief gekoppelt. Hier bietet "Der Dolch des Batu Khan" uneingeschränktes Krimivergnügen.

Ulrike Seyffarth

 

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