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Ausgabe 99-3/2004

ZWEI BRÃœDER

TWO BROTHERS

Produktion: Pathé Int.; Frankreich / Großbritannien 2004 – Regie: Jean-Jacques Annaud – Buch: Alain Godard, Jean-Jacques Annaud – Kamera: Jean-Marie Dreujou – Schnitt: Noëlle Boisson – Musik: Stephen Warbeck – Darsteller: Guy Pearce (Aidan McRory), Jean-Claude Dreyfus (Eugène Normandin), Freddie Highmore (Raoul), Moussa Maaskri (Saladin), Vincent Scarito (Zerbino), Oanh Nguyen (Seine Exzellenz) u. a. – Länge: 109 Min. – Farbe – Verleih: Tobis – Altersempfehlung: ab 8 J.

Indochina im Jahre 1920. Im wildromantischen Dschungel jagen sich zwei Tiger – vorbei an überwucherten Statuen und verwitterten Steinreliefs, durch Höhlen und Flussläufe. Schnitt. Auf einer Auktion beobachtet der Großwildjäger und Abenteuerschriftsteller Aidan McRory, dass Elefantenstoßzähne nicht mehr hoch im Kurs stehen, sondern dass das Kolonialistenpublikum auf Statuen abfährt. Also ändert er seinen Kurs und bricht mit einer bunten Schar Einheimischer ins Tal der Tempel auf. Dort sind inzwischen die Tiger-Jungen Kumal und Sangha auf die Welt gekommen. Der eine neugierig und draufgängerisch, der andere sanft und eher ängstlich. Die Ankunft der Menschen verspricht nichts Gutes, denn ein erlegter Tiger ist eine begehrte Trophäe in jener Zeit. In dem von McRory verursachten Chaos zerbricht die Tigerfamilie. Um Kumal kümmert sich erst mal der Großwildjäger, bevor das Tigerbaby auf dem Markt und schließlich in einem Zirkus landet. Sangha hingegen wird von dem kleinen Raoul, Sohn des örtlichen französischen Gouverneurs, gefunden und ins Haus geschmuggelt. Bald liebt er ihn so heftig wie eines seiner Plüschtiere. Doch Sangha ist eine kleine Raubkatze und als er sich auch so verhält, muss er fort. Als Geschenk kommt er in die exotische Menagerie Seiner Exzellenz, der einheimischen Herrscher-Marionette.

Ein Jahr später. Die Tigerbabys sind herangewachsen. Kumal wurde zur "blutrünstigen Bestie" dressiert und springt sogar durch den Feuerreifen. Sangha tigert wild und unruhig in seinem Verlies umher. Es kommt zur dramatischen Wiederbegegnung, als in einer Arena zwei ausgewachsene Raubkatzen in den Zweikampf geschickt werden. Das Publikum tobt, genau wie die Tiger, die aufeinander losgehen und kämpfen. Ein intensiver Tiger-Blick entscheidet den Kampf – die Brüder erkennen einander. Während die Menge in Aufruhr gerät, gelingt Kumal und Sangha die Flucht. Doch auch McRory und Raoul haben ihre Tigerbabys von einst wieder erkannt. In der Freiheit des Dschungels kommt es zur Entscheidung.

Jean-Jacques Annaud (Jahrgang 1943) knüpft mit diesem märchenhaften Tierabenteuer an seinen Film "Der Bär" (1988) an. Mit Leidenschaft widmete er drei Jahre seines Lebens den Tigern, von denen es zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als 100.000 gab und die während der Kolonialzeit eine begehrte Trophäe von Jägern aus aller Welt waren. Ihr Bestand liegt heute bei nur noch ca. 6000 weltweit. Vor diesem Hintergrund erzählt Annaud mit fesselnden Naturaufnahmen die packende Geschichte einer großen Tier-Freundschaft. Gleichwohl erzählt er von den vielfältigen Interessen der Menschen. Da geht es um Herrschaft, Korruption, Unterdrückung, Profitgier, die das Gleichgewicht der Natur zerstören – wobei all die angesprochenen Probleme und Verwicklungen den Film nicht überfrachten. Er hält geschickt das Gleichgewicht zwischen dramatischen und ruhigen Szenen, wobei die Musik von Stephen Warbeck (u. a. "Billy Elliot") eine wesentliche Rolle spielt.

Ganz nebenbei wird auch eine Lektion über Tiere in Gefangenschaft erteilt. So muss der kleine Raoul von dem erfahrenen McRory hören, dass es kein Überleben in der freien Natur für die Tiger-Brüder geben kann, weil sie das Jagen nicht gelernt haben. Eine Wahrheit, die Raoul nicht akzeptieren will. Und siehe da – das Wunder geschieht, die Tiger des Dschungels nehmen Kumal und Sangha auf in ihre Gesellschaft. Und McRory wird niemals mehr ein Gewehr in die Hand nehmen. Ein Ende, das alle glücklich aus dem Kino entlässt. Der Filmemacher Annaud hat es verstanden, seine "fast kindliche Rührung", die er angesichts des majestätischen klugen Blicks der Tiger empfand, auf das Kinopublikum zu übertragen.

Gudrun Lukasz-Aden / Christel Strobel

 

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Ausgabe 99-3/2004

 

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