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Ausgabe 133-1/2013

DIE VAMPIRSCHWESTERN

Bild: DIE VAMPIRSCHWESTERN
© Sony Pictures

Produktion: Claussen + Wöbke + Putz Filmproduktion, in Koproduktion mit Deutsche Columbia Pictures Filmproduktion; Deutschland 2012 – Regie: Wolfgang Groos – Buch: Ursula Berger, nach der gleichnamigen Buchvorlage von Franziska Gehm – Kamera: Bernhard Jasper – Schnitt: Stefan Essl – Musik: Helmut Zerlett – Darsteller: Marta Martin (Silvania Tepes), Laura Roge (Dakaria Tepes), Christiane Paul (Elvira Tepes), Stipe Erçeg (Mihai Tepes), Michael Kessler (Dirk Van Kombast), Hans-Peter Deppe (Opa Gustav), Richy Müller (Ali Bin Schick), Jamie Bick (Helene Steinbrück), Jonas Holdenrieder (Ludo Schwarzer), Jeremias Meyer (Jacob Barton) – Länge: 97 Min. – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: Sony Pictures Releasing – Altersempfehlung: ab 8 J.

Familie Tepes zieht um. Das würde normalerweise nicht unbedingt eine komplette Filmstory hergeben, aber in diesem Fall ist es ein besonderer Umzug einer außergewöhnlichen Familie. Vater Tepes ist Vampir und die Mutter Mensch, die beiden zwölfjährigen Zwillingsmädchen halb Vampir, halb Mensch. Sie ziehen von Transsylvanien nach Bindburg, einem kleinen spießigen Ort in Deutschland. Bisher lebten sie unterirdisch mit anderen Vampiren in einer Höhlenstadt, jetzt werden sie ein richtiges Haus beziehen. Zum Glück ist das für den Vampirvater kein Problem, er kann auch – mit dunkler Sonnenbrille – am Tag wach sein. Für die Töchter Dakaria und Sylvania bedeutet der Wechsel in eine Menschenschule die allergrößte Umstellung, dürfen sie doch nun tagsüber weder fliegen noch heiße Blicke versenden oder kopfüber irgendwo runter hängen. Die Probleme lassen folgerichtig nicht lange auf sich warten. Während Dakaria lieber sowieso ganz Vampirin wäre, würde Sylvania lieber vollkommen Mensch sein. Das ist ja dann offensichtlich nur ein Tauschproblem, bei dem der Zauberer Ali Bin Schick sicher helfen kann. Leider verwechselt er beim Zaubertrunk die wichtigsten Ingredienzien und um den Fehler rückgängig zu machen, haben die Zwillinge gerade mal einen Tag Zeit bis zur nächsten Vollmondnacht.

Im Zuge des Vampir-Hypes der letzten Jahre schrieb Franziska Gehm ihre Bestseller-Reihe "Die Vampirschwestern". Die Adaption für das Kino ließ nicht lange auf sich warten, dazu wurden drei der Bücher zu einem Drehbuch zusammengefasst. Neben all den mehr oder weniger bekannten Fantasy-Versatzstücken versucht "Vampirschwestern" auch eine Botschaft zu vermitteln: "Ich bin ich – auf meine Weise", proklamiert der Titelsong des Films. Denn nicht nur die Zwillinge haben ein "Problem", sondern auch der ein oder andere Schüler in der Klasse ist anders als alle anderen. Helene ist fast taub und benötigt zwei Hörgeräte, traut sich aber nicht, das zuzugeben. Den nerdigen Ludo, Enkel des Zauberers, plagen häufig dunkle Vorahnungen, die sich zu allem Überfluss dann auch noch bewahrheiten. Erzählten frühere Vampirgeschichten vom Kampf gegen die Blutsauger, schafft es Gehm, das Unheimliche in den geordneten Alltag zu integrieren und – ganz dem überall beschworenen Inklusionsgedanken gerecht werdend – festzustellen, dass sie unter uns sind, die etwas anderen, die nicht in das bürgerliche Klischee passen. Da ist Toleranz gefragt. Das "Böse", gegen das man nun kämpfen muss, tritt in Person des spießigen Nachbarn auf, der die Eindringlinge nach allen Regeln der Kunst erledigen will. Leider überzeichnet Regisseur Wolfgang Groos ("Vorstadtkrokodile 3") diese Figur derart, dass sie aus der sonst gelungenen Anmutung des Films herausfällt. Aus der Sicht der integrationswilligen Vampirfamilie beobachten wir erstaunt die provinzielle deutsche Befindlichkeit und deren ästhetische Vorlieben. Die Korrektheit gezirkelter Vorgärten und die strengen Regeln in der Schule treten umso deutlicher hervor und lassen tief in den kleinbürgerlichen Mief blicken.

Das Bedürfnis nach Vampir-Geschichten ist seit des ersten "Twilight"-Romans offensichtlich ungebrochen und den Variationen dieses Genres sind erkennbar keine Grenzen gesetzt. So sind uns die Blutsauger schon fast ans Herz gewachsen, denn sie sind nicht zwangsläufig gefährlich für den Menschen, sondern können auch in Form einer sehr sympathischen Spezies unseren Kosmos bereichern. Mit solch ungefährlicher Variante spielt auch "Die Vampirschwestern". Die beiden Hauptdarstellerinnen sind dabei überzeugend und neben ihnen ist der Film mit hochkarätigen Schauspielern – u. a. Christiane Paul und Stipe Erceg als Eltern und Richy Müller als Zauberer – besetzt, die ganz offensichtlich Spaß am Vampirspiel haben. Fortsetzung folgt?

Katrin Hoffmann

 

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Ausgabe 133-1/2013

 

Inhalt der Print-Ausgabe 133-1/2013|

Filmbesprechungen

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Interviews

Börnsen, Wolfgang - "Stärkung des originären deutschen Kinderfilms"| Dill-Riaz, Saheen - "Fremde Kinder: Der Vorführer"| Imboden, Markus - "Dieser Junge sollte eine Zukunft haben"| Sahling, Bernd - "Wie viel Ratlosigkeit können wir Kindern in einem Film zumuten?"| Shortland, Cate - "Die Kinder von Mördern sind keine Mörder"| Zeitlin, Benh - "Poesie und Lyrik einer außergewöhnlichen Kindheit"|

Hintergrundartikel

Preisträgerfilm der "Großen Klappe" 2012|

Kinder-Film-Kritiken

"Clara und das Geheimnis der Bären"| "Fremde Kinder: Der Vorführer"|


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