Produktion: Prime Time; Belgien 1998 – Regie und Buch: Patrice Toye – Kamera: Richard van Oosterhout – Schnitt: Ludo Troch – Musik: John Parish – Darsteller: Aranka Coppens (Rosie), Sara De Roo (Irene), Joost Wijnant (Jimi), Dirk Roofthooft (Bernard), Frank Vercruysse (Michel) u. a. – Länge: 97 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Celluloid Dreams, Paris, Tel. 0033-1-49700370, Fax 0033-1-49700371 – Altersempfehlung: ab 14 J.
Ein 13-jähriges Mädchen wird in ein Erziehungsheim eingewiesen. Die Atmosphäre ist nüchtern, aber nicht unfreundlich. Sie wird nach ihren Lebensverhältnissen gefragt und ob sie bereut, was sie getan hat. Der Zuschauer erfährt, dass Rosie bei ihrer Schwester lebt; was sie getan hat, bereut sie nicht und es bleibt zunächst im Dunkeln.
Rückblende: Eine Wohnung in einer tristen Industrievorstadt am Rand von Antwerpen. Schnell enthüllt sich, dass die 'Schwester' Irene in Wirklichkeit ihre Mutter ist, die bei der Geburt kaum älter war als jetzt Rosie; einen Vater gibt es nicht. Irene liebt Rosie und sorgt für sie, hat aber ihre eigenen Probleme, so dass für die Tochter nicht viel Zeit bleibt. Rosie sehnt sich nach mütterlicher Zuwendung und leidet unter dem Zwang, Irene ihre Schwester nennen zu müssen. Ihre Sehnsucht, geliebt zu werden, wendet sich nach außen. Auf dem Schulweg lernt sie den gleichaltrigen Jimi kennen, einen recht unscheinbaren, schlaksigen Jungen, den sie jedoch zu ihrem Traumprinzen stilisiert, der ihr Leben verändern wird. Daheim hat sich Irenes Bruder Michel eingenistet, ein nichtsnutziger Zocker, der sich durchs Leben schmarotzt. Anfangs versteht er sich gut mit Rosie, aber bald legt er Erzieherallüren an den Tag und versucht, ihr Vorschriften zu machen, was sie sich nicht gefallen lässt. Unterdessen hat Irene Bernard, einen verwitweten Apotheker, kennen gelernt, was Michel nicht gerne sieht, da er sein gemachtes Nest in Gefahr sieht.
Rosie widmet sich immer mehr ihrer Freundschaft zu Jimi. Abenteuerlustig unternehmen sie zunächst noch relativ harmlose, dann zunehmend gewagte Streiche, bei denen Rosie die eigentliche Akteurin ist, während Jimi immer nur zusieht. Nach und nach wird deutlich, dass Jimi lediglich ein Produkt ihrer Phantasie, eine Wunschprojektion ist. Schließlich raubt Rosie, um sich den Wunsch nach einer Familie zu erfüllen, ein Baby, mit dem sie jedoch völlig überfordert ist. Bei wildfremden Leuten gibt sie es wieder ab. Die familiäre Lage spitzt sich zu. Nach einem heftigen Streit, bei dem offenbar wird, dass Michel nicht nur Rosies Onkel ist, sondern auch ihr Vater, wirft Irene ihn aus der Wohnung. Als er zurückkommt und gewalttätig wird, versucht Rosie, ihn umzubringen.
Die Regisseurin Patrice Toye hat sich lange Zeit mit straffällig gewordenen Jugendlichen befasst und will mit ihrem Film zeigen, dass sie, so schrecklich ihre Taten auch gewesen sein mögen, empfindende Menschen sind und nicht nur die Monster, als die sie in Sensationsberichten erscheinen. In Aranka Coppens hat die Regisseurin nach langer Suche eine ideale Darstellerin gefunden. Kindlich verspielt und kokett zugleich, liebevoll und widerborstig bis zur Bösartigkeit. Rosie ist im Grunde ein ganz normaler Teenager in der Pubertät mit all den typischen Problemen mit sich selbst und für die Umgebung, die dieses Alter ohnehin mit sich bringt; noch Kind in ihrem Anlehnungs- und Schutzbedürfnis, aber schon auf dem Weg zur Erwachsenen in ihrem Freiheitsdrang und ihrem Wunsch, attraktiv zu wirken, der sich in ungeschickten Schminkversuchen und 'nuttiger' Kleidung äußert. Ihre Entwicklung bis hin zum versuchten Mord an Michel wird, wenngleich nicht als zwangsläufig, so doch nachvollziehbar geschildert. Es ist die Verwirrung der Gefühle, die enttäuschte Sehnsucht, geliebt zu werden und lieben zu dürfen, die sie in die Flucht aus der Realität treiben.
Gerold Hens
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