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Ausgabe 79-3/1999

THE RUNNER

DAVANDEH

Produktion: Institute for Intellectual Development of Children and Young Adults; Iran 1985 – Regie: Amir Naderi – Buch: Amir Naderi, Behrouz Gharibpour – Kamera: Firouz Malekzadeh – Schnitt: Bahram Beyzaie – Darsteller: Majid Niroumand, Moussa Torkizadeh, Ali Reza Gholamzadeh u. a. – Länge: 94 Min. – Farbe – Verleih: Pegasos (35mm) – Altersempfehlung: ab 10 J.

Die islamische Revolution im Jahre 1979 bescherte dem iranischen Kino eine kurze Zeit der Stagnation. Aber Mitte der 80er-Jahre blühte es trotz der übermächtigen Zensur im Lande wieder auf und erreichte vor allem in den letzten Jahren eine enorme internationale Reputation. Die Filme von Mohsen Makhmalbaf ("Gabbeh") und Abbas Kiarostami ("Der Geschmack der Kirsche") wurden auf den großen Filmfestivals mehrfach preisgekrönt. Amir Naderis schon 1985 entstandener "The Runner" kann als Vorbote eines Kinos gesehen werden, das nicht selten Kinder auf eine metaphorische Reise schickt, um über die Zustände im Lande zu reflektieren. Die "Wahrheit aus Kindermund" wurde von den Zensurbehörden offensichtlich überhört.

Naderis Film erzählt die Geschichte des 13-jährigen, familienlosen Amiro, der sich mit dem Sammeln von Leergut, Schuhputzen und dem Verkauf von Eiswasser durchschlägt. Nach der Arbeit trifft er sich mit seinen kleinen Weggefährten zu Laufwettbewerben oder winkt sehnsüchtig den Flugzeugen und Schiffen nach, die in eine fremde Welt aufbrechen. Eines Tages beschließt Amiro, lesen zu lernen, um nicht länger nur die Bilder der Ozeanriesen und Verkehrsflugzeuge aus den Magazinen ausschneiden und sammeln zu können, sondern auch mehr von ihren Zielen zu erfahren.

Mit fast dokumentarischer Strenge beobachtet Naderi seinen kleinen Protagonisten, der einem – wie alle übrigen Mitwirkenden – nie als Schauspieler entgegentritt. Dialoge und zwischenmenschliche Kommunikation finden nur ganz selten statt, sind auf die alltäglichen Verrichtungen beschränkt. Bis auf ein, zwei Szenen, etwa wenn Amiro einen Zechpreller verfolgt, versperrt sich die Inszenierung auch jeglicher Dramatisierung der Geschichte. Dafür blicken wir auf eine Generation, der die Gesellschaft die Kindheit geraubt hat, und, mit einem verstohlenen Seitenblick, auch auf das Elend der Alten und Kranken. Und wie zum Hohn auf eine "Revolution", die sich angeblich die "Erneuerung" des Staates auf ihre Fahnen geschrieben hat, unterlegt Naderi seine entlarvenden Bilder mit westlichen Schlagern: "What a wonderful world" erklingt es da aus dem Off – und nur am Ende, als Amiro die ersten erlernten Buchstaben stolz den Flugzeugen hinterher schreit, keimt so etwas wie Hoffnung auf. Eine Hoffnung, die Naderi trotz aller Traurigkeit auch mit Poesie und Lebensmut zu füllen weiß.

Rolf-Rüdiger Hamacher

 

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Ausgabe 79-3/1999

 

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