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Ausgabe 54-2/1993

DAS STIEFELCHEN

CHAKMEH

Produktion: Shahed Group c/o Farabi Cinema Foundation, Iran 1992 – Regie und Buch: Mohammed Ali Talebi (nach einer Vorlage von H. Moradi Kermani) – Kamera: Farhad Saba – Schnitt: Hassan Hassandoust – Musik: Mohammed-Reza Aligholi – Darsteller: Samaneh Jafar-Jalali (Samaneh), Ali Atashkar (Ali), Raya Nasiri (Mutter) – Länge: 60 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Farabi Cinema Foundation, 55 Sie-Tir Ave, Teheran 11358, Iran – Altersempfehlung: ab 6 J.

Die iranischen Filmemacher, die für die Farabi Cinema Foundation arbeiten, scheinen zutiefst überzeugt, dass man mit Filmgeschichten für Humanität streiten kann. Mit ihren in der Realität fest verwurzelten Filmen für Kinder und Jugendliche wollen sie bewusst Orientierung für das Leben geben, Kenntnisse vermitteln über Normen und Werte. Oft gelingt das mit sparsamen Einstellungen, lakonisch und in stilistischer Geschlossenheit. Ein Beispiel ist "Das Stiefelchen" von Mohammed Ali Talebi.

Die kleine Samaneh muss in aller Herrgottsfrühe mit der Mutter zur Arbeitsstätte gehen, denn zu Hause ist keiner, der sich um sie kümmern könnte. Einen Vater gibt es nicht; wahrscheinlich ist er im Krieg umgekommen. Auch Kindertagesstätten scheint man im Iran nicht zu kennen. So sitzt also das kleine Mädchen still neben der Mutter in einer Ecke des Schneiderbetriebes und spielt "leise" mit ihrer Puppe oder schläft. Auf dem Heimweg – Talebi zeigt uns das Alltagsleben auf den Straßen Teherans – kann sich Samaneh ein wenig "austoben". Eines Tages kauft ihr die Mutter wunderbar knallrote Stiefel, die sie gleich anziehen darf. Als die Kleine auf der Heimfahrt im Bus eingeschlafen ist, rutscht einer der neuen Stiefelchen – natürlich eine Nummer zu groß gekauft, zum Reinwachsen – unbemerkt vom Fuß. Da die Mutter die Schlafende von der Haltestelle nach Hause trägt, bemerkt sie erst in der Wohnung den Verlust. Sie stürzt hinaus in den Regen und rennt bis zur Bushaltestelle, vergeblich. Der Kummer um das verlorene Stiefelchen ist groß.

Die bescheidene Wohnung der beiden, es ist eigentlich nur ein einziges Zimmer, liegt in einer sehr engen Gasse, in der die Jungen Fußball spielen. Nur Ali kann nicht mittun, auf Krücken gestützt schaut er zu, ihm fehlt ein Unterschenkel. Die Mutter fordert Samaneh auf, dem scheuen Ali den einzelnen Stiefel zu schenken. Der amputierte Junge – seine Seele aber ist heil – kann sich über das Geschenk nicht freuen. Ihm fehlt der Fuß, auf den der Schuh passen würde. Ali jedoch hat eine fabelhafte Idee: Er macht sich auf, den verlorenen Stiefel zu suchen.

Ali Talebi ist es gelungen, die psychologischen Strukturen seiner kleinen Darsteller auszuloten, ihre Würde nicht anzutasten. Die bei aller Einfachheit emotional erzählte Geschichte wirft ein kritisches Bild auf das entbehrungsreiche Leben einer allein erziehenden Mutter im Iran. Die Kinder, Samaneh Jafar-Jalali und Ali Atashkar, und die schöne Raya Nasiri als Mutter überzeugen durch ihre schlichte, ergreifende Präsenz.

Dorothea Holloway

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 54-2/1993 - Kinder-Film-Kritik - Das Stiefelchen

 

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Ausgabe 54-2/1993

 

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