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Ausgabe 54-2/1993

ZIRRI – DAS WOLKENSCHAF

Produktion: DEFA Studio Babelsberg GmbH, Bundesrepublik Deutschland 1992 – Regie und Buch: Rolf Losansky (nach dem Kinderbuch von Fred Rodrian) – Kamera: Peter Badel – Schnitt: Ursula Henning – Musik: Reinhard Lakomy – Darsteller: Babett Ikker (Schiene), Sebastian Senft (Bobby), Martin Müller (Atif), Walfriede Schmitt (Oma), Günter Grabbert (Opa) u. a. – Länge: 62 Min. – Farbe – Altersempfehlung: ab 6 J.

Der aus der ehemaligen DDR stammende Regisseur Rolf Losansky besitzt ohne Zweifel großes Gespür für phantasievolle Stoffe. Das konnte man nicht nur bei seinem viel gelobten "Schulgespenst" miterleben. Bei seinem jüngsten Film, "Zirri – das Wolkenschaf", der letzten DEFA-Produktion, hat sich der Filmemacher allerdings verrechnet. So sehr man auch die guten Absichten und das kritische Engagement in diesem Werk spürt, so sehr bleibt beim Verlassen des Kino-Saals ein Gefühl der Unzufriedenheit.

"Zirri" ist ein Traumschaf – eine fiktive Figur, ein wollweiches Comic-Wesen, recht drollig in die Realität platziert. Denn eigentlich gehört es gar nicht auf Erden. Ein kleines Mädchen, das zu ihren Großeltern aufs Land gefahren ist, entdeckt das weiße Getümchen – eine Wolke, die vom Himmel gestoßen wurde. Bei wilden Tobereien mit anderen Wolken wurde das Wesen von schwarzen (!) Wolken just aus der Milchstraße gestoßen. Die schwarzen Wolken kommen aus Industrie-Schloten und fungieren in Losanskys Film als Metapher für die Verschmutzung unserer Erde. Hier kriechen sie aus dem Schornstein einer Schnaps-Fabrik, die einem fiesen Alten gehört, der zu allem Überfluss dicke Schwaden aus seiner Zigarre paffen lässt.

Schon an dieser Figur zeichnet sich das Dilemma des Films ab: Die Charaktere sind größtenteils überzeichnet und beinahe ins Lächerliche verzerrt. Der Fabrik-Besitzer wirkt wie eine alberne Witzfigur – so verliert Losanskys Kritik an Brisanz. Die Großmutter ist auf rüstige Patent-Frau gestylt: Mit ihrer Enkelin steht sie kurz mal eben Kopf oder müht sich beachtlich beim morgendlichen Jogging-Lauf. Das mag zwar eine wohlgemeinte Kampagne zugunsten jung gebliebener Großmütter sein, hat aber den Effekt, dass solche Szenen aufgesetzt und unglaubhaft wirken. Die Eltern des Mädchens sind dagegen so blass und lieblos gezeichnet, dass es schon fast ärgerlich ist. Größtes Manko des Films ist aber, dass er keine Wärme ausstrahlt. Bis auf die Rolle des Mädchens, die die kleine Darstellerin angenehm unangestrengt und ansprechend ausfüllt, erscheinen die Figuren überdreht oder überflüssig.

Hektisch aneinandergereihte Szenen verstärken die frostige Grundstimmung; dabei hätte der Thematik des Films ein ruhiger Lauf der Dinge gut getan. Denn die Geschichte, wie das arme Wolkenschaf per Feuerwehr-Leiter wieder in den rettenden Himmel bugsiert wird und dem Industrie-Tyrannen ein Strich durch die Rechnung gezogen wird, das birgt ja viel an erzählerischem Potenzial. Ergreifende Stimmung erfährt der Zuschauer nur in großzügigen, wirklich beeindruckenden Landschaftsaufnahmen zwischen Himmel und Erde.

Dass "Zirri" als Ode an die Wolken und an die Schönheit unserer Erde gedacht ist, ist klar. Doch leider springt der Funke nicht über. Und Losanskys moralische Botschaft bleibt irgendwo stecken. Sie hat übrigens auch nicht die Kinder erreicht, die den Film auf dem Berliner Kinderfilmfest sahen; viele reagierten nach der Vorstellung ratlos und wenig begeistert. – Ein schöner Stoff, der bis auf einige Lichtblicke (und Filmtricks) verschenkt wurde.

Katja Nele Bode

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 51-2/1992 - Interview - Ein leiser Film zwischen Phantasie und Wirklichkeit

 

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