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Ausgabe 54-2/1993

ANNA ANNA

Produktion: FAMA Film AG / Rhewes Film GmbH / Samsa Film, Schweiz / Deutschland / Luxemburg 1992 – Regie: Greti Kläy, Jürgen Brauer – Buch: Greti Kläy, Jürgen Brauer, Lukas Hartmann (nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Lukas Hartmann) – Kamera: Jürgen Brauer – Schnitt: Rainer Trinkler – Musik: Niki Reiser, Oliver Truan, David Klein – Darsteller: Lea Hürlimann (Anna), Wanda Hürlimann (annA), Ilona Schulze (Mutter), Steve Karier (Lehrer) u. a. – Länge: 76 Min. – Farbe – Verleih: Progress Film-Verleih (35mm) – Altersempfehlung: ab 6 J.

Die neunjährige Anna braucht ein neues Lesebuch, weil sie ihr altes zu oft beim Spielen mit ihrer Puppenfamilie Gygax zu Hause liegen lässt. Heimlich schleicht sie sich ins Lehrerzimmer, um das Buch auf einem großen Kopiergerät zu kopieren. Als der Hausmeister plötzlich vorbeikommt, versteckt sie sich im Fotokopierer. Dabei berührt sie versehentlich den Startknopf. Der nette "Copy", der sogar sprechen kann, legt los und kopiert das Mädchen. Der Hausmeister traut seinen Augen nicht, als plötzlich zwei Annas vor ihm stehen.

Jetzt fangen die Schwierigkeiten erst richtig an. Anna richtet für ihre Doppelgängerin, die den Spiegelschrift-Namen "annA" bekommt, eine Schlafstelle auf dem Dachboden ein. Um die Existenz von "annA" vor der Mutter und den Nachbarn zu verheimlichen, muss sich Anna einiges einfallen lassen. Während die eine zum Beispiel zur Schule geht, hat die andere frei und kann sich etwa im Zoo vergnügen. Doch eines Tages schöpft die Mutter, die sich schon über die merkwürdigen Launen ihrer Tochter gewundert hat, Verdacht ...

Für diese internationale Koproduktion, die in einer westdeutschen Großstadt spielt, aber in einem ostdeutschen Studio gedreht wurde, haben eine Schweizer Regisseurin und ein ostdeutscher Kollege einen Luxemburger Lehrer und Schweizer Zwillinge für die Hauptrollen engagiert. Greti Kläy schrieb zwar das erste Drehbuch für ihr Regiedebüt auf Schweizerdeutsch, der Film wurde dann aber doch auf Hochdeutsch gedreht. Beim Filmfestival "Goldener Spatz" sagte sie in Gera, dass es sogar der erste Schweizer Kinderfilm seit 25 Jahren sei. In Luxemburg und der Schweiz lief "Anna annA" bereits mit großem Erfolg in den Kinos.

Der ebenso spannende wie witzige Kinderfilm ist mit viel Phantasie inszeniert. Dabei tragen vor allem die lustigen Puppentrick-Passagen um die Familie Gygax viel bei. Während sie sich zu Beginn häufig mit Real-Szenen abwechseln, werden sie nach dem effektvoll dargebotenen Kopierspektakel zunehmend von dem aufregenden Verwirrspiel um die beiden Annas verdrängt. Das Ungleichgewicht lässt sich aber dramaturgisch durchaus rechtfertigen. Zunächst wird Anna als zurückhaltendes Einzelkind vorgestellt, das den neuen Freund ihrer offenbar allein stehenden und stets geschäftigen Mutter nicht leiden kann und sich in die Traumwelt der Puppen flüchtet. Je mehr sie sich mit ihrer Doppelgängerin auseinandersetzen muss, umso mehr verliert das Phantasiereich um die Gygax-Figuren an Bedeutung.

Zum Animationsteil dürfte wohl der erfahrene ostdeutsche Co-Regisseur Jürgen Brauer ("Das Herz des Piraten", "Tanz auf der Kippe") einiges beigetragen haben. In dem Märchenfilm „Gritta vom Rattenschloss“ (1984) hat er bereits erfolgreich mit animierten Teilen gearbeitet. Im dominierenden Erzählstrang um die vervielfältigte Anna ist es dem Regie-Duo gelungen, durch witzige Einfälle und die Nutzung der modernen Technik für ihre Variation des bekannten Doppelgängermotivs eine zeitgemäße Form zu finden.

"Anna annA" beruht auf dem gleichnamigen Roman von Lukas Hartmann. Es kommt nicht allzu oft vor, dass ein Schriftsteller die filmische Umsetzung eines eigenen Werkes lobt. In diesem Fall war es so: "Ich glaube nicht an den Vorwurf, dass die Verfilmung eines Buches die Phantasie abtötet. Buch und Film, die die gleiche Geschichte erzählen, können einander auf spannende Weise ergänzen. Wer allerdings im Film mein Buch gleichsam Wort für Wort zu finden hofft, wird enttäuscht sein. Ich bin es nicht; ich freue mich darüber, dass meine Figuren selbstständig geworden sind und ich mich von ihnen trotzdem nicht verraten fühle. Das ist für jeden Autor ein Geschenk."

Reinhard Kleber

 

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Ausgabe 54-2/1993

 

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