(Interview zum Film SCHACKO KLAK)
Das 17. Kinderfilmfestival in Frankfurt am Main zeigte im September 1991 mit "Schacko Klak" den ersten 35mm-Spielfilm aus Luxemburg, der in der Landessprache gedreht wurde. Per Film erzählt – nach dem autobiografischen Roman von Roger Manderscheid – die Abenteuer von Christian, einem kleinen Jungen in einem luxemburgischen Dorf während des Zweiten Weltkrieges. Der luxemburgische Kinomacher und ECFA-Funktionär Joy Hoffmann stellte die Produktion in Frankfurt vor. KJK-Mitarbeiter Reinhard Kleber sprach mit ihm über den Film und die Situation der Filmproduktion im kleinsten EG-Land, das gerade mal die Größe des benachbarten Saarlandes erreicht.
KJK: In welcher Form waren Sie an der Entstehung des Films "Schacko Klak" beteiligt?
Joy Hoffmann: "Ich persönlich eigentlich wenig. Ich habe ein bisschen mitgeholfen, den Anstoß zum Thema zu geben. Ich arbeite im Kulturministerium, im Centre National de l'Audiovisuel, und habe natürlich permanent Kontakt mit den Leuten im Luxemburger Filmgeschäft. Aus Interesse war ich auch mehrmals bei den Dreharbeiten, und mein Bruder hat mitgespielt ..."
In welcher Rolle?
"Er spielt den Bruder von Christian, tritt aber nur ganz kurz auf. Da ich auch ein Kino betreibe, in dem der Film gezeigt wurde, habe ich also die ganze Evolution des Films verfolgt, ohne darin direkt beteiligt gewesen zu sein."
Inwieweit haben Sie das Projekt ins Rollen gebracht?
"Es gab einen Drehbuchwettbewerb zur 150-jährigen Unabhängigkeit Luxemburgs. Der ist vom Staatsministerium ausgeschrieben worden und war mit 15 Millionen Luxemburger Franken (umgerechnet rund 750.000 DM – R.K.) dotiert. Es sollte ein Film sein, der irgendwie damit zu tun hatte. Ich kannte das Buch von Manderscheid, ich kannte die Filmleute und habe ihnen privat gesagt: Hier ist ein interessantes Thema, vielleicht solltet Ihr daran arbeiten."
Die Luxemburger Filmszene ist hierzulande wenig bekannt. Können Sie einen kurzen Abriss geben?
"Dazu muss man nach Esch gehen, einer Stadt im Süden, dort gibt's einen alten Schlachthof, in dem besteht mit Ach und Krach ein alternatives Kulturzentrum. Anfangs wurde darin Theater gemacht, auch ein Kino ist drin gewesen, und dort haben sich die Leute getroffen. Man kann sagen, dass in Luxemburg alle, die etwas mit Filmproduktion zu tun haben, sich da kennen lernten. Paul Kieffer und Frank Hoffmann trafen dort Luxemburger, die inzwischen Filmschulen besucht haben, hauptsächlich in Belgien, und die dann wieder zurückgekommen sind. Zusammen haben sie zunächst den Film 'Die Reise, das Land' gemacht und anschließend 'Schacko Klak'. – Der zweite Pfeiler im Luxemburger Filmschaffen kommt auch aus dem Süden, auch aus dem Schlachthof von Esch, das ist der Andy Bausch. Der hat inzwischen schon zwei Produktionen für das deutsche Fernsehen gemacht. Er hat durch den Film 'Troublemaker', den der Saarländische Rundfunk aufgegriffen und fertig produziert hat, viel schneller Kontakt zu einer solideren Produktionsstruktur bekommen."
Waren denn das schon die ersten Luxemburger Filme?
"Zwei Sachen muss ich dazu vervollständigen. Die wirklichen Anstöße kamen 1981 und 1983. Da hat eine Gruppe von Lehrern in Diekirch einen 16mm-Film mit Schülern gemacht, mit fast gar keinem Geld. Das war der erste Spielfilm überhaupt in Luxemburger Sprache. Nach einem kleinen Erfolg haben sie dann 1983 'Conge pour un meurtre', also 'Urlaub für einen Mord', so einen Krimi im Tatort-Stil, gedreht. Das war ein Riesenerfolg. Der Film hatte 30.000 Zuschauer, allerdings hauptsächlich dadurch, dass die von Dorf zu Dorf gingen, in alle Festhallen usw. Das war eigentlich der Anstoß, der auch das Interesse der Politiker aufs Kino gezogen hat. Zur gleichen Zeit hat der Andy Bausch ganz klein mit Super 8-Filmen angefangen."
Welche Rolle spielte denn das Fernsehen?
"Zu erwähnen ist das Fernsehprogramm in Luxemburger Sprache: 'Hei elei, kuck elei' wird jeden Sonntag zweieinhalb Stunden ausgestrahlt. Ich glaube, die erste Produktion stammt von 1985. Das war ziemlich katastrophal. Danach haben die aber einen Film zum Thema Zweiter Weltkrieg gedreht, der sehr viel Interesse geweckt hat. Dieser Film ist auf 16mm gedreht, hat über zwei Stunden gedauert und war als Fernsehserie in vier Folgen konzipiert. Wir haben ihn später zusammengeschnitten, ohne den Ton aufzufrischen, um ihn im Kino auszuwerten, mit großem Erfolg. Es war ein ähnliches Thema wie 'Schacko Klak', nur formal war der Film nicht so gelungen."
Wie wurde "Schacko Klak" überhaupt finanziert?
"15 Millionen Luxemburger Franken sind vom Staat gekommen. Viele Mitwirkende verzichteten, weil das Geld sehr knapp war, auf einen Teil ihrer Honorare. Außerdem haben wir noch einen extra 'Tax-Schalter' gesetzt."
Würden Sie das bitte erläutern?
"Dazu muss ich ein bisschen ausholen: Das ist eine Initiative vom Wirtschaftsministerium, mit dem Gedanken im Hinterkopf, in Luxemburg ein Medienzentrum zu errichten als Alternative zu anderen ökonomischen Bereichen. Wir haben ja auch den Astra-Satelliten, der ein Riesenerfolg ist, und der den Ansporn gegeben hat, Luxemburg zu einem audiovisuellen Zentrum zu machen. Es geht darum, ausländische Produktionen hierher zu holen, so dass eine Infrastruktur entsteht. Deshalb werden große steuerliche Erleichterungen angeboten für Ausländer, die in Luxemburg drehen. Sie können bis zu 25 Prozent der Kosten in Luxemburg durch einen komplizierten Mechanismus zurückerstattet bekommen."
Sind in Luxemburg weitere Kinderfilmprojekte geplant?
"Nein. Auch 'Schacko Klak' war keineswegs als Kinderfilm geplant. Es gibt aber trotzdem ein gewisses Bewusstsein unter den Filmschaffenden für den Kinderfilm. Das wird auch unterstützt vom Kulturministerium. Ich stehe ebenfalls dahinter, ich bin ja stark bei ECFA (Europäischer Kinderfilmverband) engagiert. Die gleichen Leute von der Firma 'Samsa', die 'Schacko Klak' produzierten, koproduzieren inzwischen einen Kinderfilm mit der Schweiz und Deutschland: 'Anna, annA' (Regie: Greti Kläy und Jürgen Brauer)."
Welche sonstigen Filmprojekte sind in Arbeit?
"Es stehen zwei Luxemburger Projekte an. Das eine heißt 'Three Steps to Heaven' und ist eine Krimigeschichte im Bankenmilieu von Luxemburg; es beruht auf einer Idee von Andy Bausch, der auch Regie führt. Das zweite Projekt ist ein Originaldrehbuch von Frank Feitier und heißt 'Dju' eine Komödie über einen Kapverdianer, der nach Luxemburg kommt."
Da gleich zwei der wenigen Luxemburger Filme über den Zweiten Weltkrieg gedreht wurden, scheint dieser für Ihre Mitbürger eine große Rolle zu spielen. Wieso eigentlich?
"Die Wichtigkeit dieser Zeit für Luxemburg ist ganz einfach, da durch den Zweiten Weltkrieg die Luxemburger Identität verstärkt wurde. Bei den Unabhängigkeitsfeiern zum 150. Jahrestag ist das viel diskutiert worden: Was ist Luxemburger Identität? Was ist ein Luxemburger? Außer der Sprache ist diese Periode ein wichtiges Element, wo sich die Leute zusammengerauft haben und gemeinsam gegen einen Feind gekämpft haben. Das hat sehr stark geholfen, diese Nation zusammenzukitten."
Interview: Reinhard Kleber
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