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Ausgabe 90-2/2002

"Man muss Vertrauen in sein Kind haben"

Gespräch mit Cornelia Gröschel (14) und ihrem Vater (41) über "Heidi", den neuen Film von Markus Imboden, der im Februar 2002 bundesweit in Deutschland startete

(Interview zum Film HEIDI – 2001)

Die Dresdnerin Cornelia Gröschel spielt Heidi, das legendäre Mädchen aus den Schweizer Bergen, das hier nach Berlin verfrachtet wird, ganz ohne Dialekt, mit wachem Verstand und klarem Blick – auf die Menschen, die Dinge. Ein Mädchen, das weiß was es will, ohne große Worte darüber zu verlieren.

KJK: Ihre Tochter Cornelia ist trotz des Erfolges mit beiden Beinen fest auf dem Boden geblieben.
Herr Gröschel: "Was haben Sie gedacht? Wenn man als Familie zusammenhält, macht es für alle Beteiligten Freude, zumal meine Frau und ich auch aus dem künstlerischen Bereich kommen. Als ehemaliger Sänger im Dresdner Kreuzchor und auf Opernbühnen gebe ich die Freude am Singen auch als Gesangspädagoge weiter, und meine Frau ist Ballett-Repetitorin."

Cornelia, Du bist von Haus aus musikalisch, spielst Du noch Geige und Flöte?
"Nein, nicht mehr."

Wie geht es Dir in der Schule?
"Ich bin relativ gut, nur nicht in Latein und in den Naturwissenschaften. Meine Stärken sind Englisch, Deutsch und Sport."

Könntest Du Dir vorstellen, einmal Schauspielerin zu werden?
"Eher nicht, mehr etwas in Richtung Sport."

Herr Gröschel, Sie begleiteten Ihre Tochter zu den Dreharbeiten. Wie arbeitet Cornelia am Set?
"Sie zieht durch, reißt auf ihre Art mit. Wenn die Kamera läuft, ist sie da. Wir sind ganz erstaunt, wie sie in dieser Arbeitswelt zurechtkommt. Sie hat durch die Dreharbeiten einen Schub nach vorn bekommen, ist dabei gereift."

Brauchte Ihre Tochter elterliche Begleitung und Schutz?
"Ja, das ist ganz wesentlich. Man muss sein Kind bei den Dreharbeiten betreuen. Dazu braucht es keine professionellen Leute. Das Wichtigste ist, dass das Kind am Set und vor allem danach vertraute Menschen um sich hat, keine Betreuer, die es gut meinen. Es ist nicht immer nur schön beim Drehen. Das Kind muss stark sein, muss manches wegstecken und kann auch seinen Frust nicht rauslassen. Als Eltern kann man sein Kind auffangen. 'Lass mich in Ruhe' – das muss raus."
Cornelia: "Es war immer jemand von der Familie da. Es gab auch eine Zeit, wo meine Oma, meine Mama und mein dreijähriger Bruder zusammen anreisten."

Wie kam Ihre Tochter zum Film?
"Zufall, reiner Zufall. Es gab eine Ausschreibung für eine Fernsehserie. Wir fragten Cornelia, ob sie nicht Lust hätte, mal so etwas mitzumachen. Sie setzte sich hin und bewarb sich. Es war ihre große Chance. 'In aller Freundschaft', eine Serie von ..., in der sie von der zweiten bis zum sechzehnten Folge mitspielte und somit gleich die Handschriften dreier Regisseure erfuhr. Das hat ihr Selbstbewusstsein und Sicherheit gegeben. Die Dreharbeitsbedingungen waren optimal, im neuen Studio der Messehalle Leipzig, ein sehr guter Arbeitsplatz. Kein deprimierendes Umfeld, sondern alles solide, warm und seriös. Ein toller Einstieg. Cornelia hatte viel Glück."

Sind die Dreharbeiten beim Film anders als beim Fernsehen?
Cornelia: "Es ist so ähnlich. Manchmal ist es beim Film ein Stück genauer. Ziemlich viele Einstellungen werden auch vorher geprobt."

Wie reagieren Deine Mitschüler, Deine Umgebung auf die Tatsache, dass Du in Film und Fernsehen zu sehen bist?
"Anfangs, als ich noch in der 5. Klasse war, bei der ersten Fernsehserie, gab es schon Probleme. Aber inzwischen ist es normal und außerdem spreche ich nicht viel darüber."

Woher wusstest Du, dass eine Darstellerin für Heidi gesucht wird?
"Meine Agentur rief mich an und so bewarb ich mich."

Kanntest Du die Heidi-Geschichte schon vorher?
"Ja, aus der Trickfilmserie im Fernsehen. Das Buch von Johanna Spyri habe ich nur angefangen zu lesen."

Wie ging es weiter?
"Ich war beim Casting. Als feststand, dass ein anderes Mädchen oder ich die Rolle bekommen würden, gab es ein weiteres Casting in Verbindung mit Peter und Klara. Es war noch eine andere Fassung mit kleineren Darstellern geplant, aber dann wurde doch für Kinder in meinem Alter entschieden."

Wie kommt es, dass Du keinen Dialekt sprichst?
"Durch meine Eltern, die haben mich gelehrt, Hochdeutsch zu sprechen."
Herr Gröschel: "Ich bin als Kind mit dem Kreuzchor schon in die Welt gereist. Wir sind dazu angehalten worden, Hochdeutsch zu sprechen. Insofern mussten wir mit Cornelia nicht üben."

Die Premiere vom Heidi-Film fand 2001 beim Kinderfilmfest der Berlinale statt. Wie war das für Dich?
Cornelia: "Ich stand auf der Bühne im Zoo-Palast. Mein Herz klopfte und ich hatte nicht den Mut, noch irgendetwas zu sagen. Aber bei der Premiere in der Schweiz waren die Leute vom Team dabei, die ich alle gut kenne, und ein anderer Schauspieler stellte mir Fragen. Das war gut!"
Herr Gröschel: "In Berlin kam von den erwachsenen Kritikern nicht so viel Positives rüber, eher: Kann man heutzutage dieses Thema überhaupt noch bringen? Manche hatten den Film aber nicht einmal gesehen, sondern nur schnell geurteilt."

Wie hält es die Familie Gröschel mit der Gage der Tochter?
Herr Gröschel: "Wir haben mit Cornelia einen gemeinsamen Modus gefunden, damit umzugehen, so dass sie sich auf der einen Seite im Sinne eines sich entwickelnden Kindes normal fühlen kann, andererseits aber mit uns Dinge auf ihre Notwendigkeiten hin bespricht. Zum Beispiel die Frage eines Handys. Es geht nicht um die Totalverweigerung von Wünschen, sondern um das Finden eines Mittelweges. Ich denke, dass es auch in Zukunft mit vielen Gesprächen geht. Man muss Vertrauen in sein Kind haben. Cornelia hat viele Voraussetzungen und viele Interessen."

Was halten Sie von der Heidi-Vermarktung in der Schweiz, wie wirkt das auf "Heidi" Cornelia Gröschel?
Herr Gröschel: "Sie schaut das aus ihrer Perspektive an. Es ist schon enorm viel, was in dieser Hinsicht abgeht. Heidi-Pfade, Heidi-Tankstelle, Wandern mit Heidi, Frühstück mit Heidi ..."

Die Dreharbeiten liegen inzwischen fast zwei Jahre zurück, Cornelia ist älter geworden. Wie sieht sie ihre Heidi-Rolle heute?
Herr Gröschel: "Sie steht zu dem, was sie gemacht hat, auch wenn sie es selbstkritisch betrachtet. Heute würde sie einiges anders machen, sagt sie. Vor allem sprachlich. Das ist natürlich kindgemäß in dem Film, und damals war es auch ihre Sprache. Aber heute nimmt sie wahr, dass man mit Sprache auch ein 'Outfit' zeigt. Ich denke, das sind gute Ansätze, egal in welchem Lebensbereich sie das mal brauchen wird."

Die Gespräche führte Gudrun Lukasz-Aden

 

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