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Ausgabe 130-2/2012

VIERZEHN

VIERZEHN

Produktion: Kinderfilm GmbH; Deutschland 2012 – Regie: Cornelia Grünberg – Kamera: Heiko Merten – Schnitt: Martin Hoffmann, Michael Reysz – Musik: Carlo Inderhees, Saint Lu – Länge: 92 Minuten – Farbe – Verleih: Farbfilm – Altersempfehlung: ab 12 J.

Vier Mädchen werden mit vierzehn Jahren ungewollt schwanger: Lisa Brown in Marburg, Fabienne Renaud in Tübingen, Steffi Schmolz in einem Dorf bei Fulda und Laura Keller in Sonneberg. Sie alle sind Jahrgang 1993 und entscheiden sich bewusst für ihr Kind. In dem ebenso anrührenden wie spannenden Dokumentarfilm von Cornelia Grünberg begleiten wir die vier Kinder, die zwischen Dezember 2008 und Juli 2009 Mütter wurden. Die Regisseurin begegnet ihnen auf Augenhöhe, was von großem beiderseitigem Vertrauen zeugt. Und Hut ab, wie es Cornelia Grünberg dabei gelingt, die Balance zwischen Nähe und Distanz zu wahren. "Vierzehn" ist nicht etwa ein Aufklärungsfilm, sondern eine absolut interessante Dokumentation über ein ebenso sensibles wie relevantes Thema, das den Zuschauer emotional stark berührt.

Es beginnt und endet mit einem gemeinsamen Treffen der jungen Mütter auf einem Konzert der österreichischen Rocksängerin Saint Lu, das somit die Klammer darstellt  für die verschiedenen, im Rückblick erzählten Stationen im Leben der Mädchen, seit diese schwanger geworden sind. Saint Lu war von dem Projekt so beeindruckt, dass sie für den Film extra Songs geschrieben hat, die die jeweiligen Gefühle der Mädchen zum Ausdruck bringen. Und gleich am Anfang, nachdem sich die Jung-Mütter erstmals kennen gelernt und über ihre ursprünglichen Lebensvorstellungen ausgetauscht haben, gibt es eine Klassenszene, in der ein Zettel bis zu Laura durchgereicht wird. Der Zuschauer erinnert sich an die eigene Schulzeit und schlagartig taucht die Frage auf, was es bedeutet, als Schülerin schwanger zu sein. Dann dokumentiert der Film die Entwicklung der Mädchen vom ersten Schock, der durch die ungewollte Schwangerschaft über sie, ihre Freunde und ihre Familien hereinbricht, bis hin zur Geburt und den ersten Monaten danach. Ihre Überlegungen, ob Abbruch oder nicht, ihre Entscheidung fürs Kind, die unterschiedlichen Reaktionen von Familie, Freundinnen und Klassenkameraden, die Gespräche über die eigenen Vorstellungen sowie das Auf und Ab mit den Partnern –  alles hält die Kamera fest.

Dabei sind die Temperamente der Mädchen und ihre Lebensumstände total verschieden. Lisa, die Tochter eines farbigen amerikanischen Soldaten, erfährt zu Hause die größte Unterstützung. Ihre Tochter Leyla wird wie ein weiteres Geschwisterkind aufgenommen und sie hat die Chance, länger Kind zu bleiben. Ganz anders ergeht es der ruhigen, eher introvertierten Steffi, deren Mutter ihr immer mit einem stillen Vorwurf im Gesicht begegnet. Obwohl eine sehr gute Schülerin, muss sie die Realfachschule abbrechen, weil sie für Jason keine Kinderbetreuung findet. Laura, die einzige Gymnasiastin, impulsiv und immer direkt, streitet sich mit ihrem Freund Steven offen über die Vielfach-Belastungen der Frau. Sie leidet an der ungeliebten Hausarbeit, den ewigen Anforderungen durch den Partner und die kleine Tochter. "Du fällst von einer Depression in die nächste. Manchmal hab ich nur noch Hass auf sie. Also, langsam versteh ich die, die ihre Kinder umbringen!"

Die wohl erstaunlichste Entwicklung macht Fabienne. Mit 13 zog sie mit älteren Jungs um die Häuser, schlug sich, war aggressiv und gewalttätig. Jetzt will sie ein Vorbild für ihren Valentin sein und dafür nimmt sie allerhand in Kauf. Sie versorgt den gemeinsamen Haushalt, kümmert sich ums Kind, geht zur Schule. Sie ärgert sich nur, dass ihr Freund denkt: "Ich arbeite und sie ist den ganzen Tag zu Haus, schläft, guckt Fernsehen …" Dabei hat sie in ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt am meisten durchmachen müssen. Im fünften Monat erfährt sie, dass ihr Kind mit einer offenen Bauchdecke zur Welt kommen wird und entscheidet sich erneut für den Sohn, der dann wochenlang auf der Intensivstation liegen und insgesamt viermal operiert werden muss. Und dann auf Entzug ist, weil er monatelang Morphium gegen die Schmerzen bekommen hat. Dass Valentin überhaupt überlebt hat, verdankt er Fabienne.

Nun weiß jeder, dass die Probleme mit dem Heranwachsen der Kinder nicht weniger werden. Erst recht bei minderjährigen Müttern, die mit 18 aus der Vormundschaft von Jugendamt und Elternhaus fallen und nun vom Gesetz her voll verantwortlich für sich sind. Daher ist man schon jetzt gespannt auf "Achtzehn", die nachfolgende Dokumentation von Cornelia Grünberg, und freut sich auf ein Wiedersehen mit den Protagonisten, die einem während des Films so ans Herz gewachsen sind.

Uta Beth

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.VIERZEHN im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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Ausgabe 130-2/2012

 

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