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Ausgabe 130-2/2012

WOLFSBRÃœDER

ENTRE LOBOS

Produktion: Canal Sur Televisión; Spanien / Deutschland 2010  – Regie: José María Maroles – Buch: Gerardo Olivares – Kamera: Óscar Durán, Joaquin Guiérez Acha – Schnitt: Ivan Aledo – Musik: Klaus Badelt, Andrew Raiher – Darsteller: Juan José Ballesta (Marcos, 20 Jahre), Manuel Camacho (Marcos, 7 Jahre alt), Sancho Gracia (Atanasio), Carlos Bardem (Ceferino), Alex Brendemühl (Balilla), Vicente Romero (Hocicotocino) Luisa Martin (Isabel) u. a. – Länge: 107 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Verleih: Polyband/24 Bilder – Altersempfehlung: ab 10 J.

Kino-Geschichten von Menschen, die in der Wildnis, fernab jeglicher Zivilisation, aufgewachsen sind, gibt es viele. Man denke nur an Tarzan, den Mowgli aus dem "Dschungelbuch" oder auch François Truffauts "Der Wolfsjunge". Doch so eindringlich, so authentisch und gleichermaßen unglaublich wie "Wolfsbrüder" war bisher noch kaum eine. Der Film des spanischen Dokumentarfilmspezialisten Gerardo Olivares basiert auf einer wahren Begebenheit und erzählt die leidvolle Lebensgeschichte des Marcos Rodriguez Pantoja, der 1946 in der spanischen Provinz Cordoba geboren wird. Als Marcos sieben Jahre alt ist, verkauft ihn der mittellose Vater an einen Großgrundbesitzer. Von nun an muss der Knabe im abgeschiedenen Tal der Stille, inmitten der nahezu unbesiedelten Berge der Sierra Morena, einen alten Ziegenhirten bei dessen Arbeit unterstützen. Als dieser eines Tages stirbt, ist der kleine Marcos plötzlich auf sich allein gestellt. Um in der Wildnis zu überleben, wendet er all das an, was er von dem Greis, der ihm zum väterlichen Freund geworden war, erlernt hat: Jagen, Fallen stellen, Spuren lesen, Früchte sammeln. Eines Tages treibt ihm das Schicksal einen vier Monate alten Wolfswelpen in die Arme: Lobito wird zum Gefährten, zum ständigen Begleiter, und dessen Artgenossen schließlich zu einer Art Ersatzfamilie. Zwölf Jahre lebt Marcos mit dem Wolfsrudel zusammen, bis ihn 1965 eine Polizeipatrouille, die auf der Suche nach einem Kriminellen ist, durch Zufall aufspürt und zurück in die Zivilisation bringt.

"Wolfsbrüder" ist alles andere als ein oberflächlicher Survival-Thriller, und dennoch mindestens so spannend und aufregend. Die Tier- und Naturaufnahmen gehören zum Besten, was man bisher auf diesem Gebiet in einem Spielfilm gesehen hat. Nicht weil sie sonderlich spektakulär sind, sondern weil sie ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit haben. Das betrifft nicht nur die Szenen mit den Wölfen, sondern auch etwa jene mit einem kleinen zahmen Frettchen, das Marcos bei der Hasenjagd hilft. Zugleich ist "Wolfsbrüder" ein bewegendes Drama über das traurige Schicksal eines Jungen, dem die Armut seiner unterprivilegierten Familie letztlich zum Verhängnis wurde. Auch dass der "echte" Marcos, der am Ende des Films kurz zu sehen ist, sich nie so recht wieder unter den Menschen integrieren konnte, macht das Werk mehr als deutlich. Denn es ist auch eine Hommage an die Natur, eine Liebesgeschichte zwischen Mensch und Tier, die von tiefer Loyalität, großer Ehrlichkeit und Treue handelt. Hier wird niveauvolle, lehrreiche Unterhaltung geboten, die zum Nachdenken anregt und auch unser Leben, wie wir es führen, hinterfragt, ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu heben.

Thomas Lassonczyk

 

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Ausgabe 130-2/2012

 

Inhalt der Print-Ausgabe 130-2/2012|

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Interviews

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Hintergrundartikel

DIE KINDER VOM NAPF|


KJK-Ausgabe 130/2012

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