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Ausgabe 80-4/1999

AMY

Produktion: Cascade Films; Australien 1997 – Regie: Nadia Tass – Buch: David Parker – Kamera: David Parker – Schnitt: Bill Murphy – Musik: Philip Judd – Darsteller: Alana DeRoma (Amy), Rachel Griffiths (Tanya, Amys Mutter), Ben Mendelssohn (Robert), Nick Barker (Will, Amys Vater) u. a. – Länge: 104 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Beyond Films, 22 Newman Street, London W1P 3HB, Tel.0044-171-6369613, Fax 0044-171-6369614 – Altersempfehlung: ab 10 J.

Die achtjährige Amy muss miterleben, wie ihr geliebter Daddy, ein umjubelter Rockstar, während eines Konzerts durch einen Stromschlag getötet wird. Von diesem Zeitpunkt an ist sie stumm und taub. Amys Mutter versucht alles – vom Physiotherapeuten bis zum Psychiater – um ihr zu helfen. Doch durch nichts gelingt es, ihre Tochter, die beinahe schon autistische Züge zeigt, zu heilen. Als dazu noch die staatliche Fürsorge versucht, Amy von ihrer Mutter zu trennen, "flüchtet" diese mit ihr vom Land in die Großstadt Melbourne.

In dieser – zunächst heruntergekommenen und feindlich erscheinenden – Umwelt findet Amy von unerwarteter Seite Hilfe: Hier wohnt Robert, ein Musiker, der wie ihr Daddy auch eigene Texte schreibt. Zu ihm fühlt sich Amy sofort hingezogen. Als eines Tages das Fürsorge-Auto in ihrer Straße auftaucht, versteckt sie sich bei Robert. Der verrät sie nicht, sondern spielt unbeirrt weiter auf seinem Keyboard – nach einiger Zeit begleitet von der zaghaften Singstimme Amys. Nun wird ihm klar, wie er mit Amy kommunizieren kann: Er singt zu ihr – und sie antwortet ihm singend. Von nun an hat Amy ein Mittel mit ihrer Umwelt in Kontakt zu treten und beginnt langsam aus sich herauszugehen.

Dies ändert sich jedoch jäh, als sie eines Tages mit ansehen muss, wie der Vater des Nachbarjungen, bei dem sie zu Besuch ist, dessen Mutter schlägt und diese wie tot liegen bleibt. Bei diesem Anblick läuft Amy davon. Das ganze Viertel startet eine Suchaktion. Ihre Mutter und Robert finden Amy schließlich bei einem Konzert im Stadtpark, als gerade ein Lied ihres Vaters gespielt wird. Nun kann sie endlich mitteilen, was sie in sich verschlossen hatte: Sie meint, an dem Tod ihres Vaters schuld zu sein. Erst nachdem ihr klar gemacht werden kann, dass sie keinerlei Schuld trägt, findet sie zur Sprache zurück und kann zusammen mit ihrer Mutter ein neues Leben beginnen.

Der australischen Regisseurin Nadia Tass, die selbst Psychologie studiert hat, ist mit "Amy" ein einfühlsamer Film darüber, wie ein kleines Mädchen mit dem Tod eines geliebten Elternteils umgeht, gelungen. An dieses Thema, das in den letzten Jahren im Kinderfilm verstärkt enttabuisiert worden ist, geht sie sehr behutsam heran. Mit ruhigen schönen Bildern macht sie den Zuschauer zum Teilnehmenden, der für die Tapferkeit Amys nur Bewunderung aufbringen kann. Noch verstärkt durch die beeindruckende schauspielerische und musikalische Leistung der Hauptdarstellerin lässt sich eine leichte Gänsehaut während der Schlüsselszene, als Amy das erste Mal beginnt zu singen, kaum unterdrücken. Bewegend sind auch die folgenden Sequenzen, in denen nach und nach die gesamte Umgebung auf diese Weise mit dem Mädchen kommuniziert – leider wird dieses Bild etwas überzogen, als sogar die Polizisten auf ihrer Suchaktion im Chor singen.

Durch das musikalische Element wird hier ein ganz eigener Weg aufgezeigt, durch den ein Kind seinen Schmerz überwinden kann und ins Leben zurückfindet. Die ruhige und dennoch eindringliche Darstellung dieses Weges erinnert unwillkürlich an "Ponette". Verstärkt wird diese Eindringlichkeit noch dadurch, dass die Vergangenheit in mehreren kleinen Rückblenden dargestellt wird, was anfangs den Tod von Amys Vater und damit den Grund ihrer Taubstummheit nur erahnen lässt. Die einzige Rolle, die etwas ambivalent wirkt, ist die der Mutter: Sie will zwar ihrer Tochter mit allen Mitteln helfen, steht aber den eher unkonventionellen Versuchen von Robert, an Amy heranzukommen, zunächst sehr ablehnend gegenüber.

Insgesamt ist "Amy" ein wunderschöner Film, dessen brillante Darstellung auch die etwas ungewöhnliche Tatsache rechtfertigt, dass die Geschichte zwar erst für ältere Kinder zu empfehlen ist, als Identifikationsfigur aber ein achtjähriges Mädchen zeigt. Vollkommen zu Recht ist Nadia Tass für ihren Film beim Festival International de Cineme Jeune Public in Laon mit dem Hauptpreis der Jugendjury ausgezeichnet worden.

Charis Finkbein

 

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Ausgabe 80-4/1999

 

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