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Ausgabe 105-1/2006

VIVA CUBA

VIVA CUBA

VIVA CUBA

Produktion: Quad Productions / TVC Productora; Kuba / Frankreich / Spanien 2005 – Regie: Juan Carlos Cremata Malberti – Buch: Juan Carlos Cremata Malberti, Manolito Rodriguez Ramirez – Kamera: Alejandro Perez Gomez – Musik: Amaury Ramírez Malberti, Slim Pezin – Darsteller: Malú Tarrau Broche, Jorgito Miló Avila, Luisa María Jiménez Rodríguez, Larisa Vega Alamar, Lieter Ledesma, Sara Cabrera, Albertico Pujols Acosta u. a. – Länge: 80 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Latido Film (Latin Beat), Carlos Lopez, Calle Veneras 9-6°, 28013 Madrid, Spanien, Tel.: +34-9-15488877, Fax: +34-9-15488878, e-mail: clopez@latidofilms.com – Altersempfehlung: ab 8 J.

Mit der Co-Produktion aus Kuba, Frankreich und Spanien, "Viva Cuba", wurde im Oktober 2005 das 10. Internationale Filmfestival für Kinder und junges Publikum 'Schlingel' in Chemnitz eröffnet: Ein brechend voller Kinosaal, tosender Applaus nach dem Film, Beifallsstürme, als Regisseur Juan Carlos Cremata Malberti zusammen mit den beiden Kinderdarstellern Malú Tarrau Broche und Jorgito Miló Avila auf der Bühne erscheint. "Viva Cuba" hat den Nerv der jungen und älteren Zuschauer getroffen. Kein Wunder, denn dieser Kinderfilm, übrigens der erste in Kuba, der mit Kindern in den Hauptrollen gedreht wurde, besticht durch seine gut durchkomponierte und nichts beschönigende Geschichte, in der sich auf exzellente Weise komische und tragische Elemente vereinen.

Die neunjährige Malú und der gleichaltrige Jorgito sind in jeder freien Minute zusammen. Sie zanken sich, sie vertragen sich und können ohne einander nicht sein. Sehr zum Ärger ihrer Mütter, denn Malú stammt aus einer begüterten Familie, Jorgito aus einfachen Verhältnissen. Doch die Streitereien der Mütter kümmern die Kinder wenig. Eines Tages stirbt Malús Großmutter. Zu ihrer Trauer muss das Mädchen erfahren, dass die Mutter Kuba verlassen und zu ihrem Freund ins Ausland ziehen will. Selbstverständlich soll Malú mitgehen. Eine Trennung von Jorgito aber kommt für sie nicht in Frage. So beschließen die Kinder, Malús Vater, der am Meer als Leuchtturmwärter arbeitet, zu suchen. Seit Jahren hat Malú keinen Kontakt mehr zu ihm, doch nun will sie ihn bitten, die Erlaubnis für eine Auswanderung seiner Tochter zu verweigern. Auf ihrer Reise durch ganz Kuba wird die Freundschaft der beiden auf eine harte Probe gestellt. Während ihre Mütter zum ersten Mal vernünftig miteinander reden und sich in ihrer Sorge um die Kinder beistehen, verzanken sich Malú und Jorgito. Erst kurz vor ihrem Ziel können sie wieder zueinander finden. Am Leuchtturm werden sie bereits erwartet, von Jorgitos und Malús Eltern. Die Wiedersehensfreude ist unbeschreiblich groß! Doch dann erfährt Malú, dass ihr Vater die Papiere bereits unterschrieben hat. Dass er seine Tochter nach ihrer Meinung hätte fragen müssen, wird ihm erst jetzt bewusst. Nun ist es zu spät. Die Mutter lässt sich auf keine Diskussion ein, im Gegenteil! Wieder streiten sich die Erwachsenen und wieder vergessen sie darüber ihre Kinder. Malú und Jorgito laufen davon. Am Schluss stehen sie Hand in Hand an der Steilküste und schauen aufs Meer. Eine riesige imaginäre Welle schließt sie ein ...

"Viva Cuba" ist ein Roadmovie und doch auch wieder keines. Im Mittelpunkt des Films steht die Freundschaft beziehungsweise kindliche Liebe von Malú und Jorgito und die Frage, mit welchem Recht Erwachsene über das Leben und die Zukunft ihrer Kinder bestimmen dürfen. Gerade bei solch einschneidenden Entscheidungen, wie das Verlassen der Heimat, ist es eigentlich undenkbar, dass sie ohne die Zustimmung der Kinder getroffen werden. Die Realität weltweit ist natürlich eine andere.

In "Viva Cuba" stellt sich die Situation so dar: Malús Mutter möchte mit ihrem Freund zusammenleben und sie hält dieses ärmliche Leben, die Mangelwirtschaft, dieses Gefühl, dass sich in diesem Land nichts bewegt (DDR-sozialisierte Menschen wissen, wovon sie spricht), nicht mehr aus. Ihre Tochter kann das nicht verstehen. In ihrer Welt ist alles in Ordnung: Sie hat Jorgito, sie hat Freunde, genug Raum zum Spielen, eine Schule, in die sie gern geht, unfrei fühlt sie sich überhaupt nicht. Für Malú gibt es (noch?!) keinen Grund, ihr gewohntes Umfeld zu verlassen. Beide Interessen unter einen Hut zu bringen, ist schier unmöglich. Wessen Interesse wiegt also mehr – das der Mutter oder das des Kindes? Eine Antwort auf diese Frage ist nicht zu finden und wird hier auch nicht gefunden.

Regisseur Juan Carlos Cremata Malberti geht es vor allem darum, das Problem zu thematisieren, sich auf die Seite der Kinder zu stellen und den Konflikt konsequent aus ihrer Sicht zu behandeln. Dabei beobachtet er sehr genau die Momente, wo Eltern gedankenlos an ihren Kindern vorbei agieren, unfähig und oftmals nicht willens, sich in deren Gedanken- und Gefühlswelt hineinzuversetzen. Ihnen stellt er zwei selbstbewusste Kinder, insbesondere ein starkes Mädchen, gegenüber, die sich zu wehren und um ihre Interessen zu kämpfen wissen. Stark macht sie ihre Freundschaft, ihre enge Beziehung, in der Jorgito auch weich wie ein Mädchen sein darf und Malú frech und bestimmend wie ein Junge.

Mit Malú Tarrau Broche und Jorgito Miló Avila hat Malberti hervorragende Darsteller gefunden, die sehr natürlich und mit einem wundervollen Esprit agieren und es den jungen Zuschauern leicht machen, sich zu identifizieren. Die Europäische Kinderjury hat deshalb auch Malú Tarrau Broche mit dem Förderpreis "Bester Kinderdarsteller" ausgezeichnet, während sie dem Film selbst eine lobende Erwähnung aussprach. "Viva Cuba", der bereits erfolgreich auf internationalen Festivals, zum Beispiel in Cannes, Miami, Huelva, Havanna und Locarno, gelaufen ist, wurde von der Internationalen Fachjury mit dem Hauptpreis der Stadt Chemnitz bedacht. In der Jury-Begründung heißt es: "Für eine einfache Geschichte, die die Welt und die Perspektive von Kindern ernst nimmt und filmisch adäquat und fantasievoll umsetzt, ohne die politischen Hintergründe auszuklammern."

Kuba hat diesen Film, der übrigens ohne staatliche Filmförderung produziert wurde, für eine Einreichung zur Oscar-Nominierung für den besten ausländischen Film ausgewählt. Drücken wir also Juan Carlos Cremata Malberti die Daumen, dass sein Film auch tatsächlich nominiert wird, und uns, dass er vielleicht auch in die deutschen Kinos kommt.

Barbara Felsmann

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 105-1/2006 - Interview - "Ich kann keine Lösung eines Problems anbieten, das nicht zu lösen ist"

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.VIVA CUBA im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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Claus, Richard - "Ich habe kein Problem mit dem Wort Kinderfilm ..."| Hailer, Thomas - "Den Begriff Kinderfilm nicht als Gefängnis für Produkte sehen"| Malberti, Juan Carlos Cremata - "Ich kann keine Lösung eines Problems anbieten, das nicht zu lösen ist"| Munzi, Francesco - "Es gibt leider nicht viele Saimirs"| Overweg, Calle und Volker Ullrich - Unterhalten mit Welthaltigkeit|


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