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Ausgabe 128-4/2011

THE RUNWAY – DER FREMDE PILOT

Produktion: Fastnet Films, Dublin / Lucil Film, Luxemburg / Poderosa Pictures; Irland / Luxemburg 2011 – Regie und Buch: Ian Power – Kamera: P. J. Dillon – Schnitt: Amine Jaber – Musik: Gast Waltzing – Darsteller: Jamie Kierans (Paco), Demián Bichir (Ernesto), James Cosmo (Sutherland), Kerry Condon (Grace Thomas), Caroline Power (Laura) u. a. – Länge: 101 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Six Sales, Alto de las Cabanas 5, Las Rozas 28231 Madrid, Tel.: +34 916 361 054, e-mail: info@6sales.es – Altersempfehlung: ab 8 J.

Im April 1983 musste ein kleines mexikanisches Privatflugzeug mit mehreren Passagieren, das sich auf dem Flug von New Jersey nach München befand, nahe des Ortes Mallow im irischen Distrikt Cork wegen akuten Treibstoffmangels auf freiem Feld notlanden. Der Vorfall erweckte damals weltweites Interesse und der südamerikanische Pilot der Maschine, Reuben Ocaña, wurde als Held gefeiert. Damit die Maschine fünf Wochen später wieder starten konnte, bauten die hilfsbereiten Dorfbewohner auf Kosten der Versicherungsgesellschaft extra eine mehrere hundert Meter lange Startbahn, die bis heute erhalten geblieben ist.

Diese historische Begebenheit nahm sich der irische Regisseur Ian Power für seinen ersten Langspielfilm zur Folie einer rein fiktiven Geschichte, in der ein neunjähriger Junge im Mittelpunkt steht. Paco hat seinen spanischen Vater nie kennen gelernt. Um sich mit ihm unterhalten zu können, falls er doch einmal auftauchen sollte, lernt Paco mit Hilfe eines Kassettenrecorders heimlich spanisch. Seine Sprachkenntnisse kommen ihm zugute, als der kolumbianische Pilot und Abenteurer Ernesto Cordoba mit seiner Propellermaschine zum Erstaunen des Jungen in der Nacht wie ein Ufo buchstäblich vom Himmel fällt und eine Bruchlandung hinlegt. Paco ist im Ort der einzige, der Ernesto halbwegs verstehen kann und daher als Übersetzer dringend gebraucht wird. Der Junge hatte den Fremden ohne Wissen der Mutter zu sich nach Hause genommen und möchte die Bewohner des Ortes überreden, Ernesto zu helfen. Schnell sind alle Streitereien unter den Bewohnern vergessen. Gemeinsam arbeiten alle im Dorf daran, die demolierte Maschine zu reparieren und eine Startbahn zu bauen. Allein Paco ahnt, dass Ernesto nicht nur der Held ist, als der er sich ausgibt und ein dunkles Geheimnis trägt, das möglicherweise mit den Edelsteinen zu tun hat, die Ernesto bei sich hatte. Dieser wiederum erkennt erst spät, aber noch rechtzeitig, wie wichtig er für Paco ist, der ihn offenbar als Ersatzvater sieht. So wissen am Ende alle im Dorf, was sie zu tun haben, als Polizisten aus Ernestos Heimat auftauchen, um den Fremden, der ihnen zum guten Freund geworden ist, zu verhaften.

Mit der wahren Begebenheit hat Ian Powers zwischen Abenteuer, Krimi und Märchen angesiedelter Film also nicht viel zu tun, aber das ist nicht weiter tragisch. Denn zum einen lässt sich der Regisseur mit seiner Geschichte ganz auf die Erlebniswelt eines Kindes ein, zum anderen zeigt er damit die gelungene Begegnung mit dem Fremden und die Überwindung von Vorurteilen. Und nicht zuletzt vermittelt er auch einen wesentlichen Aspekt der wahren Geschichte, indem er den irischen Dorfbewohnern ein Denkmal setzt, die damals uneigennützig und engagiert über sich selbst hinaus gewachsen sind und mit ihrer Hilfe gezeigt haben, was sie können, wenn es darauf ankommt.

Ian Power hatte bereits fast 3.000 Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren gecastet, bis ihm der rettende Gedanke kam, dass ein jüngerer Darsteller für die Rolle von Paco weitaus stimmiger wäre, denn in seinem Alter sind Realität und Imagination eben noch nicht ganz voneinander getrennt. Genau das macht den besonderen Reiz dieser Geschichte aus. Kein Wunder also, dass der Film nicht nur in Irland mehrere Preise einheimsen konnte, sondern auf dem Kinderfilmfestival in Frankfurt neben einem Sonderpreis zur interkulturellen Kommunikation auch den LUCAS 2011 gewann. Aus der Begründung der Jury: "Der Film hat uns schwierige Dinge gezeigt, ohne dass wir davon traurig wurden." Kein Zweifel, "Der fremde Pilot" ist ein wunderbares Feel-Good-Movie für Jung und Alt, das zum "Abheben" förmlich einlädt.

Holger Twele

 

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Ausgabe 128-4/2011

 

Inhalt der Print-Ausgabe 128-4/2011|

Filmbesprechungen

ALS DER WEIHNACHTSMANN VOM HIMMEL FIEL| ATMEN| BON VOYAGE – GUTE REISE| DER STÄRKSTE MANN VON HOLLAND| GEKIDNAPPT| IM WELTRAUM GIBT ES KEINE GEFÜHLE| LAURAS STERN UND DIE TRAUMMONSTER| LOU| DER MANN, DER YNGVE LIEBTE| MONSIEUR LAZHAR| PRINZESSIN LILLIFEE UND DAS KLEINE EINHORN| DIE SCHLÜMPFE| SOMMER IN ORANGE| THE RUNWAY – DER FREMDE PILOT| THE YEAR DOLLY PARTON WAS MY MOM – ALS DOLLY PARTON MEINE MUTTER WAR| TOM SAWYER| WICKIE AUF GROSSER FAHRT| WUNDERKINDER|

Interviews

de Cloe, Mark - "Aber wir müssen eben auch an das Kind denken!"| de Jonge, Dick und Bea Appels - "Heute ist keine Zeit für Idealismus"| Niehage, Dagmar - "Pommes Essen" – Eine starke David gegen Goliath-Geschichte|

Hintergrundartikel

GEKIDNAPPT| AUF LEISEN PFOTEN|

Kinder-Film-Kritiken

"Gute Reise"| "Als Dolly Parton meine Mutter war"|


KJK-Ausgabe 128/2011

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