Produktion: Neue Schönhauser Filmproduktion; Deutschland 2011 – Regie: Hermine Huntgeburth – Buch: Sascha Arango – Kamera: Ngo The Chau – Schnitt: Eva Schnare – Musik: Biber Gullatz, Andreas Schäfer, Moritz Freise – Darsteller: Louis Hofmann (Tom Sawyer), Leon Seidel (Huck Finn), Heike Makatsch (Tante Polly), Benno Fürmann (Indianer Joe), Joachim Król (Muff Potter) u. a. – Länge: 109 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Verleih: Majestic – Altersempfehlung: ab 10 J.
Etwas Zeitloseres und somit Beliebteres als Mark Twains Kinderromanklassiker „Tom Sawyer“ gibt es wohl kaum. Und so war es fast unumgänglich, der neuen Kinopublikumsgeneration endlich einmal wieder eine aktualisierte Leinwand-Fassung aufzutischen. Freilich hält sich Hermine Huntgeburth, dank "Bibi Blocksberg" erfahren in der Adaption großer Kinderfilmstoffe, eng an die inhaltliche Vorlage, wagt wenig Innovatives und lässt den skurrilen Charme und makabren Humor, was Twain wie kaum einen anderen auszeichnet, voll zur Geltung kommen. Und wenn man sich nach den ersten Bildern damit abgefunden hat, dass der riesige Schaufelraddampfer nur digitale Imagination und der mächtige Mississippi in Wirklichkeit die Havel ist, kann man durchaus seinen Spaß haben bei diesem Lausbubenabenteuer, dessen größtes Kapital bei den Hauptdarstellern liegt. Vor allem Louis Hofmann und Leon Seidel als Tom Sawyer und Huck Finn spielen mit einer derartigen Unbekümmertheit und Lust am Schabernack drauf los, dass es eine wahre Freude ist. Aber auch die erwachsenen Rollen sind herausragend besetzt. Bestnoten verdienen sich hier Joachim Król, der als liebenswerter Trunkenbold Muff Potter zum Opfer eines wahrhaft "höllischen" Streichs wird und später beinahe am Galgen landet, Benno Fürmann, der als Messer schwingender Indianer Joe für die gruseligen und spannenden Momente zuständig ist, und Thomas Schmauser, der als Lehrer Sprague nicht nur beim Sexualkundeunterricht für jede Menge Erheiterung sorgt.
Der Film selbst betet sketchparadenartig die Highlights, die einem aus dem Roman wohlbekannt sind, herunter, darunter natürlich auch die Geschichte mit dem Streichen des Zauns, bei der es Tom letztlich schafft, dass andere für ihn die Arbeit machen und diese dafür sogar noch etwas hergeben (und wenn‘s nur ein Stück Apfel ist). Ab der Mitte des Plots ist es aber dann mit der Unbeschwertheit des Arm-aber-glücklich-Lebens zwischen Tante Pollys Bauernhof und Hucks Tonne am Fluss vorbei, wenn die beiden Freunde nachts am Friedhof mit ansehen müssen, wie Indianer Joe Doc Robinson im Streit ersticht. Weil in der Folge Tom auch noch von einer schlimmen Alptraumsequenz geplagt wird und die fiese Fratze des rachsüchtigen Indianer Joe bis zum Finale ständig präsent bleibt, richtet sich dieser "Tom Sawyer" eindeutig an ein älteres Publikum ab zehn Jahren, das im Idealfall mit der Buchvorlage vertraut sein sollte. Diese Jungen und Mädchen werden auch bestimmt bei dem hochdramatischen Schlussakkord, der auf einer in eine Höhle herabhängende Strickleiter gesetzt wird, ordentlich mitfiebern. Und weil man von Sprüchen wie "Frei bist du nur als Pirat" oder "Willst du tot umfallen und verfaulen?" nie genug bekommen kann, steht schon jetzt fest, dass es von dieser "Stand by Me"-Variante für Präpubertierende eine Fortsetzung geben wird. "Huck Finn" ist bereits in Arbeit.
Thomas Lassonczyk
TOM SAWYER im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.
Inhalt der Print-Ausgabe 128-4/2011
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