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Ausgabe 131-3/2012

KNERTEN

Teil 1: MEIN FREUND KNERTEN (KNERTEN
Produktion: Paradox Rettigheter AS; Norwegen 2009 – Regie: Åsleik Engmark – Buch: Brigitte Bratseth, nach einer Vorlage von Anne-Catharina Vestly – Kamera: Ari Willey – Schnitt: Vidar Flataukan – Musik: Jon Rørmark – Darsteller: Adrian Grønnevik Smith (Lillebror), Pernille Sørensen (Mutter), Jan Gunnar Røise (Vater), Petrus Andreas Christensen (Philip),Lisa Loven (Vivian Løkkeberg), Åsleik Engmark (Stimme von Knerten) u. a. – Länge: 74 Min. – Farbe – FSK: o. A. – FBW: besonders wertvoll – Verleih: Polyband – Altersempfehlung: ab 6 J.

Teil 2: KNERTEN TRAUT SICH    (KNERTEN GIFTER SEG)
Produktion: Paradox RettigheterAS; Norwegen 2010 – Regie: Martin Lund – Buch: Brigitte Bratseth, nach einer Vorlage von Anne-Catharina Vestly – Kamera: Morten Halfstad Forsberg – Schnitt: Steinar Stalsberg – Musik: Magnus Beite – Darsteller: Adrian Grønnevik Smith (Lillebror), Pernille Sørensen (Mutter), Jan Gunnar Røise (Vater), Petrus Andreas Christensen (Philip), Amalie Blankholm Heggemsnes (Vesla) u. a. – Länge: 81 Min. – Farbe – FSK: o. A. – FBW: besonders wertvoll – Verleih: Polyband – Altersempfehlung: ab 6 J.

Der sechsjährige Norweger Lillebror hat sich nach dem Umzug seiner Familie aus der Stadt in ein kleines Dorf eingelebt und mit der gleichaltrigen Vesla eine Freundin gefunden. Noch immer erlebt er in der Landidylle der sechziger Jahre mit seinem besten Freund, dem sprechenden Ast Knerten, viele Abenteuer. Zum Beispiel als Vesla einen aparten Birkenzweig namens Karoline mitbringt, die mit einer rosa Schleife geschmückt ist und ebenfalls sprechen kann. Bei ihrem Anblick bekommt der redselige Knerten zum ersten Mal das berühmte Kribbeln im Bauch. Dagegen macht sich Lillebror große Sorgen, als seine Mutter auf dem Heimweg vom kleinen Dorfladen, in dem sie als Aushilfe arbeitet, mit dem Fahrrad verunglückt und ins Krankenhaus eingeliefert wird. Weil er am Unfallort ein zerbrochenes Blinkerglas findet, glaubt er, dass jemand seine Mutter mit dem Auto angefahren hat. Weil sein Vater auf Verkaufstour ist und die Polizei sich für den Unfall nicht interessiert, sucht Lillebror eben mit Knerten und Vesla nach dem Schuldigen. Erst haben die kleinen Detektive den radfahrerfeindlichen Busfahrer im Verdacht, dann die wohlhabende Mutter des gleichaltrigen Carsten, der ihm im Laden das ersehnte rote Fahrrad vor der Nase weggekauft hat. Doch dann finden Lillebror und Knerten heraus, dass die Spur in eine ganz andere Richtung führt. Lillebror muss sich sogar mit der Einsicht auseinandersetzen, dass er mit seiner lebhaften Phantasie auch Schaden anrichten kann.

Wie schon "Mein Freund Knerten" (2009), das erste Filmabenteuer um den sprechenden Ast, schildert auch der zweite Knerten-Film, "Knerten traut sich", die Abenteuer der Freunde mit viel Humor und stets aus der Perspektive des kleinen Jungen. Beide Filme beruhen auf einer Kinderbuchreihe der norwegischen Schriftstellerin Anne-Catharina Vestly, die manche gern die Astrid Lindgren Norwegens nennen. Die Fortsetzung lockte in Norwegen mehr als 400.000 Zuschauer in die Kinos.

Mit "Mein Freund Knerten" realisierte der Kinodebütant Åsleik Engmark einen der schönsten Kinderfilme der letzten Jahre für die jüngsten Kinogänger, seine stilsichere Inszenierung besticht durch den beschaulichen Erzählton, die warmherzige Atmosphäre, geschickt eingebaute Filmtricks und die poetische Schilderung einer tiefen Freundschaft zwischen einem Buben und einem belebten Stock, der mit ihm sprechen kann. Bei der Fortsetzung führte der 1979 in Oslo geborene Martin Lund Regie, auch er ein Kinoneuling. Unübersehbar verschiebt Lund, dessen erster Kurzfilm "Huemmekamp" (2004) den Publikumspreis beim Hamburger Kurzfilmfestival erhielt, den Schwerpunkt von der märchenhaften Freundschaftsgeschichte hin zur Detektivgeschichte mit romantischer Zugabe. Auf der einen Seite widmet sich Knerten nun mehr der neuen hölzernen Gefährtin als seinem Menschenfreund, auf der anderen Seite investiert auch Lillebror mehr Zeit in die Aufklärung des mysteriösen Kriminalfalls als in die Pflege der Freundschaft mit Knerten. Bemerkenswert auch, dass die Familie hier deutlich in den Hintergrund tritt: Der Vater, ein Vertreter für Strümpfe, und der ältere Bruder treten nur kurz auf, die liebevolle Mutter verschwindet unfallbedingt relativ schnell aus dem Film, dessen Charme insgesamt nicht an Teil 1 heranreicht.

Demgegenüber hat Lund die kindgerechte Erzählweise und das einfühlsame Plädoyer für Werte wie Freundschaft, Familiensinn und Toleranz beibehalten. So werden die liebevoll verknüpften Episoden mit ihren überschaubaren Spannungsbögen weiterhin konsequent aus Kindersicht erzählt. Und der neue Zweig wird ebenso liebevoll animiert wie der alte, während etliche Erwachsenenfiguren – wie zum Beispiel die Automechanikerin – erneut mit hübschen Schrullen aufwarten. Wie selbstverständlich werden die märchenhaften Ausflüge ins Phantasiereich, in dem Äste sprechen können, in eine kindgerechte Dramaturgie eingebunden, die behutsam typisch kindliche Verlustängste anspricht. Und auch hier lernt der aufgeschlossene Junge eine Lektion fürs Leben. Auch das Ensemble, allen voran Adrian Gronnevik Smith, der den Lausbub frisch und natürlich verkörpert, überzeugt wieder mit großer Spielfreude.

Während die kleinen Zuschauer sich über Slapsticknummern wie den Streich, den Lillebror und sein älterer Bruder Philip dem Vater spielen, köstlich amüsieren, richten sich sorgfältig eingebaute filmgeschichtliche Zitate und Anspielungen an erwachsene Begleitpersonen. Etwa wenn der Busfahrer eine Mundharmonika wie im Western "Spiel mir das Lied vom Tod" spielt oder ein entführter Mercedes zur Walzermusik aus Kubricks "2001 – Odyssee im Weltraum" in Zeitlupe durch die Luft segelt.

Reinhard Kleber

 

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Ausgabe 131-3/2012

 

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Interviews

Imaizumi, Kaori - Mut brauchen wir – für uns selbst und für unser Land| Lechner, Norbert - Der Dialekt im Film ist ein Alleinstellungsmerkmal, das ist etwas wert| Steyer, Christian - Es gibt nichts Berührenderes als Einfachheit| Tolentino, Rommel - Du musst zu dem stehen, was du bist, und was draus machen – so wie Nono| von Traben, Tina - Schade, dass nicht mehr Originaldrehbücher im Kinder- und Jugendbereich verfilmt werden|

Hintergrundartikel

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Kinder-Film-Kritiken

MORGEN WIRD ALLES BESSER| TOM UND HACKE|


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