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Ausgabe 131-3/2012

EIN TICK ANDERS

Produktion: Wüste Film GmbH, in Koproduktion mit Wüste Film West GmbH und dem NDR; Deutschland 2011 – Regie und Buch: Andi Rogenhagen – Kamera: Ralf M. Mendle – Schnitt: Nicole Kortlüke – Musik: Ingo Kays – Darsteller: Jasna Fritzi Bauer (Eva), Waldemar Kobus (Evas Vater), Victoria Trauttmansdorff (Evas Mutter), Renate Delfs (Oma), Stefan Kurt (Onkel Bernie), Nora Tschirner (als Gast) u. a. – Länge: 89 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Verleih & DVD: Farbfilm – Altersempfehlung: ab 14 J.

Mitten im Satz beginnt die 17-jährige Eva plötzlich epileptisch zu zucken und stößt, ohne es zu wollen, Worte wie: Arschloch, Wichser oder Heil Hitler aus. Eva leidet am Tourette-Syndrom. Deshalb meidet sie andere Menschen und streift am liebsten allein durch den Wald. Ansonsten aber kommt sie ganz gut mit ihrer Krankheit klar, zumal sie sich mit ihren Eltern, der etwas verrückten Oma, und Onkel Bernie, einem erfolglosen Musiker, bestens versteht. Zu Hause fühlt sie sich geborgen und hier kann sie auch über ihre Ticks lachen. Eines Tages trifft Eva zufällig ihren Vater im Wald, obwohl dieser doch eigentlich früh zur Arbeit gegangen ist. Er gesteht ihr, dass er seinen Job verloren hat, die Bank den Kredit nicht weiter gewähren will und somit ein Rausschmiss aus der Wohnung droht. Eva handelt und coacht ihn zusammen mit ihrer Großmutter für ein Bewerbungsgespräch. Mit Erfolg! Der Vater bekommt einen Job in Berlin angeboten und ist fest entschlossen, diesen anzunehmen und mit der Familie umzuziehen. Für Eva aber steht fest: In die Großstadt, wo es nur so von Menschen wimmelt, geht sie nicht! Und so kommt sie auf die verrücktesten Ideen um durchzusetzen, dass sie zukünftig in ihrem gewohnten Zuhause ein eigenständiges Leben ohne Vater und Mutter führen kann.

"Die Menschen, die meinen Film lustig finden, lachen nicht über Eva, sondern mit Eva – und zwar über sich selber. Der Film löst die Distanz auf, mit der wir uns und dieser Krankheit normalerweise begegnen" – sagt Regisseur Andi Rogenhagen, der sich die Geschichte für diese wundervoll leichte, anarchische und unglaublich warmherzige Komödie ausgedacht hat, zu seinem zweiten Spielfilm. Das Thema ist nicht das Leid, das solch eine Krankheit wie das Tourette-Syndrom bringen kann, sondern hier geht es um das Anderssein und die Selbstverständlichkeit, dieses Anderssein auszuleben und damit von den Mitmenschen toleriert zu werden. So wirkt hier nicht nur Eva etwas schräg, sondern eigentlich die ganze Familie, wenn nicht gar die ganze Umgebung.

Für all diese liebenswerten, verrückten Typen hat Rogenhagen hervorragende Schauspieler gefunden: Eva wird fantastisch gespielt von Jasna Fritzi Bauer, die an der Berliner Schauspielschule "Ernst Busch" studiert und bereits auf verschiedenen Theaterbühnen gestanden hat und für ihre erste Film-Hauptrolle 2011 mit dem Nachwuchsdarstellerpreis des Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet wurde. Als Evas Onkel Bernie agiert Stefan Kurt in seiner gewohnt charmanten Art, und einfach großartig ist die inzwischen 86-jährige Renate Delfs als skurrile und resolute Großmutter. Szenen wie diese, als Eva mit Onkel Bernie bei einem Casting den Song "Arschlicht" vorträgt oder als Evas Oma ihre Enkeltochter tröstet und meint, dass sie bei ihr "alles kaputtmachen darf, aber auch alles", sind so komisch, dass sie lange in Erinnerung bleiben.

"Ein Tick anders" ist erfolgreich auf verschiedenen Festivals gelaufen und Ende März nun auch auf DVD erschienen. Wer diesen Film im Kino verpasst hat, kann ihn also zu Hause auf dem Bildschirm nachholen und sollte es auch unbedingt tun!

Barbara Felsmann

 

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Ausgabe 131-3/2012

 

Inhalt der Print-Ausgabe 131-3/2012|

Filmbesprechungen

17 MÄDCHEN| ALS HÄTTE ICH DICH GEHÖRT| AM ENDE EINES VIEL ZU KURZEN TAGES| ATTENBERG| DAS GEMÄLDE| HAVANNA STATION| INKLUSION – GEMEINSAM ANDERS| EIN JAHR NACH MORGEN| KNERTEN| DAS MEER AM MORGEN| MES – LAUF!| MOONRISE KINGDOM| NONO| POMMES ESSEN| PUNCH| SIMON| SONS OF NORWAY| EIN TICK ANDERS| TOM UND HACKE| WEST IS WEST|

Interviews

Imaizumi, Kaori - Mut brauchen wir – für uns selbst und für unser Land| Lechner, Norbert - Der Dialekt im Film ist ein Alleinstellungsmerkmal, das ist etwas wert| Steyer, Christian - Es gibt nichts Berührenderes als Einfachheit| Tolentino, Rommel - Du musst zu dem stehen, was du bist, und was draus machen – so wie Nono| von Traben, Tina - Schade, dass nicht mehr Originaldrehbücher im Kinder- und Jugendbereich verfilmt werden|

Hintergrundartikel

Unsere Erinnerung an Helmut Dziuba .,.| Freiräume zum Nachdenken und zum Widerspruch|

Kinder-Film-Kritiken

MORGEN WIRD ALLES BESSER| TOM UND HACKE|


KJK-Ausgabe 131/2012

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