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Ausgabe 131-3/2012

TOM UND HACKE

TOM UND HACKE

Produktion: Kevin Lee Film GmbH / Rommel Film eK / StarFilm GmbH; Deutschland 2012 – Regie: Norbert Lechner – Buch: Rudolf Herfurtner, nach einer Vorlage von Mark Twain – Kamera: Namche Okon – Schnitt: Manuela Kempf – Musik: Martin Unterberger – Darsteller: Benedikt Weber (Tom – Thomas Sojer), Xaver Brenner (Hacke – Bartel Hacker), Julia Forstner (Biggi – Birgit Ernst), Franziska Weisz (Tante Polli), Fritz Karl (Ami Joe – Fritz Achatz), Franz Buchrieser (Lehrer Anton Schön), Götz Burger (Der Muffler – Georg Muffler) – Länge: 98 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – FBW-Prädikat: besonders wertvoll – Verleih: Zorro – Altersempfehlung: ab 8 J.

1948 in einem bayerischen Ort nahe der österreichischen Grenze: Thomas Sojer, von allen Tom gerufen, rennt durch die Gassen auf der Suche nach seinem Freund Hacke und findet ihn am Flussufer, wo er ein mit der Steinschleuder erlegtes Federvieh brät. Ein seltener Leckerbissen in einer Zeit, in der es kaum etwas zu essen gibt, außer man verfügt über begehrte Tauschware auf dem Schwarzmarkt. Tom möchte auch so eine famose Schleuder. Gut, dass Tante Polli, die ihn nach dem Tod seiner Eltern aufgenommen hat, eine Nähmaschine besitzt. Doch das gute Stück geht kaputt bei Toms Versuch, ein Stück Leder zu vernähen. Das ist eine Katastrophe, denn mit der Nähmaschine verdient die verwitwete Tante den Lebensunterhalt für sich, für ihren kleinen Sohn und für Tom. Der rennt davon mit schlechtem Gewissen und weiß nur, dass er den Schaden wieder gut machen muss. Der nächtliche Termin mit Hacke auf dem Friedhof zur Warzenbeschwörung bei Vollmond ist aber erst mal wichtiger. Da passiert etwas Unvorhergesehenes. Sie werden Zeuge eines Verbrechens. Ami-Joe, der zwielichtige Schmuggler, sticht einen Mann nieder, zum Entsetzen seines gutmütigen Komplizen Muffler. Tom und Hacke sind sich einig: Wir haben nichts gesehen. Schwören und schweigen ist die Devise. Das Schweigen fällt Tom zunehmend schwer, denn Ami-Joe hat eiskalt Muffler des Mordes bezichtigt und der sitzt seitdem im Gefängnis.

In Toms Klasse kommt derweil eine neue Schülerin, Birgit, Tochter des neuen Richters, der aus der Schweiz berufen wurde. Der gute alte Lehrer hält es für pädagogisch wertvoll, Tom neben Birgit zu platzieren, damit diese auf ihn einen guten Einfluss ausüben möge. Doch der hält es weder in der Schule noch zu Hause lange aus, ist ständig in Bewegung, schon um den vorwurfsvollen Blicken der Tante und den Petzereien ihres Sohnes zu entgehen. Tom muss erkennen, dass er mit seinen bescheidenen Mitteln niemals das kaputte Teil der Nähmaschine erstehen kann, denn die Währung auf dem Schwarzmarkt heißt "Lucky Strike". Vielleicht hat Ami-Joe dieses wertvolle Gut in der verlassenen Villa versteckt. Bei ihrer nächtlichen Inspektion werden Tom und Hacke von Ami-Joe gestört, aber nicht entdeckt. Die anstehende Gerichtsverhandlung um den nächtlichen Mord sorgt für Aufregung im ganzen Ort. Da fasst sich Tom ein Herz und zeigt im Gerichtssaal auf den wahren Mörder. Ami-Joe flieht und Hacke bezichtigt Tom des Verrats. Zum spannenden Höhepunkt kommt es schließlich in einer einsturzgefährdeten Höhle. Die Gerechtigkeit siegt, und Hacke hat sich einen Teil der Schwarzmarktwährung unauffällig gesichert. Ehrensache, dass davon eine neue Nähmaschine besorgt wird.

Das sommerliche Schlussbild zeigt drei glückliche Kinder, Tom, Hacke und Birgit, die sich in der unberührten Flusslandschaft die gebratenen Tauben schmecken lassen. Und diese Leichtigkeit zieht sich durch Norbert Lechners neuen Film, frei nach Motiven von Mark Twains "Tom Sawyers Abenteuer". Rudolf Herfurtner erhielt für sein Drehbuch auf dem diesjährigen Kindermedienfestival "Goldener Spatz" den Preis des MDR Rundfunkrates. Aus der Begründung der Fachjury: "Der Film zeigt eindrucksvoll und warmherzig, wie Kinder trotz schwieriger Umstände ihren Weg gehen und gestärkt aus ihren Abenteuern hervorgehen."

Die Nachkriegsjahre – für die Erwachsenen eine Zeit der Not und des Mangels, für die Kinder jedoch bedeuteten diese Jahre Abenteuer und Freiheit. Hier hatten sie viele Möglichkeiten, sich dem kontrollierenden Blick und der Bevormundung durch die Erwachsenen zu entziehen. So ist die Verlegung der amerikanischen Originalgeschichte von Ende des 19. Jahrhunderts in die ungeordnete Nachkriegszeit des ländlichen Oberbayerns eine geniale Idee, die überzeugt.

Wie schon in seinem ersten Spielfilm "Toni Goldwascher" verlässt sich Norbert Lechner ganz auf sein Gefühl und sein Gespür für regionale Verwurzelung der Menschen, was sich auch in deren Dialekt ausdrückt. Die Kinder sind so authentisch, als lebten sie in jener Zeit – Kleidung, Einrichtung, Requisiten stimmen und erscheinen ganz selbstverständlich, werden nicht absichtsvoll im Bild ausgestellt. Schade nur, dass Kinder anderer Regionen nicht alles verstehen können, was gesprochen wird. Andererseits ergeben Geschichte, Bilder und Musik, die mit einer gelungenen Mischung aus Western- und bayrischen Instrumentalklängen die Handlung unterstützt, ein atmosphärisch-stimmiges Gesamtwerk, das überall verstanden wird.

Gudrun Lukasz-Aden / Christel Strobel

Zum Film "Tom und Hacke" hat die brandenburgische Institution für schulische Filmbildung FILMERNST ein umfangreiches Unterrichtsmaterial erarbeitet, abrufbar unter www.filmernst.de / Filmdatenbank

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 131-3/2012 - Interview - Der Dialekt im Film ist ein Alleinstellungsmerkmal, das ist etwas wert
KJK 131-3/2012 - Kinder-Film-Kritik - TOM UND HACKE

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.TOM UND HACKE im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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Ausgabe 131-3/2012

 

Inhalt der Print-Ausgabe 131-3/2012|

Filmbesprechungen

17 MÄDCHEN| ALS HÄTTE ICH DICH GEHÖRT| AM ENDE EINES VIEL ZU KURZEN TAGES| ATTENBERG| DAS GEMÄLDE| HAVANNA STATION| INKLUSION – GEMEINSAM ANDERS| EIN JAHR NACH MORGEN| KNERTEN| DAS MEER AM MORGEN| MES – LAUF!| MOONRISE KINGDOM| NONO| POMMES ESSEN| PUNCH| SIMON| SONS OF NORWAY| EIN TICK ANDERS| TOM UND HACKE| WEST IS WEST|

Interviews

Imaizumi, Kaori - Mut brauchen wir – für uns selbst und für unser Land| Lechner, Norbert - Der Dialekt im Film ist ein Alleinstellungsmerkmal, das ist etwas wert| Steyer, Christian - Es gibt nichts Berührenderes als Einfachheit| Tolentino, Rommel - Du musst zu dem stehen, was du bist, und was draus machen – so wie Nono| von Traben, Tina - Schade, dass nicht mehr Originaldrehbücher im Kinder- und Jugendbereich verfilmt werden|

Hintergrundartikel

Unsere Erinnerung an Helmut Dziuba .,.| Freiräume zum Nachdenken und zum Widerspruch|

Kinder-Film-Kritiken

MORGEN WIRD ALLES BESSER| TOM UND HACKE|


KJK-Ausgabe 131/2012

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