Produktion: Bartel Laupert Dierbach Prod. / HFF München; Deutschland 2007 – Regie und Buch: Niels Laupert – Kamera: Christoph Dammast – Schnitt: Hansjörg Weissbrich – Musik: Michael Heilrath – Darsteller: Ludwig Trepte (Adam), Martin Kiefer (Tommek), Jil Funke (Sarah), Karin Baal (Oma), Antonio Wannek (Bartek), Jennifer Ulrich (Ella) u. a. – Länge: 80 Min.-Farbe – FSK: ab 16 – Verleih: timebandits – Altersempfehlung: ab 16 J.
Der Titel ist der pure Zynismus. Er klingt nach Freiheit, Ausflug, Familie, doch er steht für Perspektivlosigkeit, Sackgasse und Einsamkeit. Und das Bittere daran: Es ist alles wahr. Nicht nur die grausame Geschichte, die Niels Laupert in seinem Debütfilm erzählt, sondern auch sämtliche Begleitumstände: Das Dasein seiner beiden Hauptfiguren Adam und Tommek führen Tausende von Jugendlichen, die mit oder ohne Schulabschluss keine Lehrstelle finden oder nach der Lehre keine Arbeit. Ihre Woche hat sieben Sonntage. Sie sind Dauerurlauber, die die Einöde des Alltags mit Alkohol füllen und sich die Langeweile mit Gewalt vertreiben. Gewalt gegen Sachen, Gewalt gegen Menschen; was gerade da ist.
Es ist nicht mal ein schwacher Trost, dass sich das Ereignis, das Lauperts Film zugrunde liegt, 1996 in Polen zugetragen hat. Polen ist überall: Trabantenstädte wie Pabianice in der Nähe von Lodz gibt es in Deutschland auch. Und damit sich eine entsprechende Distanz gar nicht erst aufbauen kann, hat Laupert die Handlung am Rande einer deutschen Großstadt angesiedelt. Adam und Tommek, beide 16, leben in den Tag hinein, machen kleineren und größeren Unfug, bestehlen am Bahnhof einen Reisenden, den Tommek überdies auch noch grundlos verprügelt. Der Junge ist ein typischer Halbstarker: große Klappe, nicht viel dahinter; aber mit gefährlichem Aggressionspotenzial. Adam ist anders. Er lebt bei seiner Oma und ist unübersehbar verliebt in die gleichaltrige Sarah, an der auch Tommek rumbaggert. Das Unglück nimmt seinen Lauf, als Adam glaubt, Sarah habe was mit Tommek gehabt. Der wiederum ist abgeblitzt. Büßen müssen den Frust zwei Männer, die zufällig den Weg der Jungs kreuzen. Die zweite Tat hat Laupert dankenswerterweise ausgespart. Zwar findet auch die erste vor allem im Kopf des Betrachters statt, doch dort ergeben sich erfahrungsgemäß ohnehin die drastischeren Bilder. Man sieht nur Adams weit ausholende Bewegungen: wie er mit einer Gabel zusticht und das Opfer dann auch noch mit dem abgebrochenen Hals einer Flasche malträtiert, immer wieder, bis er selbst blutüberströmt ist.
Laupert gestaltet das Regiedebüt ähnlich minimalistisch wie Andres Veiel sein Werk "Der Kick". Beide Filme schildern eine sinnlose Tat als Ausdruck von Amoral, beide suchen nicht nach den anderswo unvermeidlichen Motiven oder psychologischen Erklärungsmustern. "Ich wette, dass du keinen Menschen umbringen kannst", hatte Tommek seinen Freund zuvor provoziert.
Lauperts Film dauert gerade mal gut siebzig Minuten, aber selbst das ist fast zu viel: weil er konsequent auf jede klassische Dramaturgie verzichtet. Die Bluttat ist nicht etwa Klimax, sondern allenfalls zufälliger Schlusspunkt. Wäre Adam bei Sarah über seinen Schatten gesprungen, wären die beiden Taten nicht passiert; zumindest nicht an diesem Tag. Die beiden Jungs sind wie Treibholz in einem Fluss, und ähnlich spannend ist es, ihnen bei ihrem Treiben zuzuschauen. Ausgerechnet die ausgezeichneten Leistungen der beiden Hauptdarsteller verstärkt die Antipathie gegen den Film noch, selbst wenn es sich dabei in Wirklichkeit um eine Antipathie gegen die Figuren handelt: Martin Kiefer spielt Tommek als typischen therapie-resistenten Jugendlichen, der in einer eigenen Welt jenseits aller gewohnten Normen und Regeln lebt. Aber die größere Reizfigur ist naturgemäß Adam, den der schon vielfach ausgezeichnete Ludwig Trepte ähnlich vielschichtig anlegt wie seine Rebellen in den TV-Dramen "Guten Morgen, Herr Grothe" und "Ihr könnt euch niemals sicher sein": Adam ist ein offenkundig sensibler Junge, dem Tommeks Großspurigkeit ebenso auf die Nerven geht wie seine Aggressionen. Umso schockierender ist es, dass gerade Adam zum Mörder wird.
Die beiden Polen, obschon noch minderjährig, wurden seinerzeit aufgrund der Grausamkeit ihrer Taten nach Erwachsenenrecht mit 25 Jahren Gefängnis bestraft. Sie hatten sich beide schuldig bekannt und keinerlei Reue gezeigt.
Tilmann P. Gangloff
Inhalt der Print-Ausgabe 118-2/2009
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