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Ausgabe 124-4/2010

IEP!

(Hintergrund zum Film IEP!)

Produktion: Lemming Film, Amsterdam, in Koproduktion mit A Private View und NPS; Niederlande / Belgien 2009 – Regie: Ellen Smit (Pseudonym, da Regisseurin sich vom Film distanziert hat) – Drehbuch: Mieke De Jong, nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Joke van Leeuwen – Darsteller: Kenadie Jourdin-Bromley (Viegelchen), Joke Tjalsma (Tine), Huub Stapel (Warre), Madelief Vermeulen (Loetje) – Länge: 81 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Delphis Films, Kanada – Altersempfehlung: ab 8 J.

Dokumentation einer Vorstellung der Sektion Generation Kplus im Rahmen der 60. Berlinale 2010.

Reaktionen während der Vorstellung
Die ausverkaufte Vorstellung beginnt mit großer Verspätung, die das junge Publikum zwischen 7 bis 14 Jahren ungeduldig und aufgeregt werden lässt. Ein junges Mädchen ruft erwartungsvoll: "Es kann losgehen." Die aufgeregte Stimmung legt sich auch während des Vorspanns, in dem verschiedene Vogelarten vorgestellt werden, noch nicht. Die Kinder tauschen sich flüsternd über die aufgezählten Vögel aus.
Bereits in der ersten Szene findet Warre das Baby mit den gefederten Flügeln und einige Kinder äußern erstaunt: "Was ist das?" "Oh, ein Baby?"
Als Warres Frau Tine feststellt, dass das Vogel-Kind "Viegelchen" mehr Mensch als Vogel ist, bestätigen dies einige Kinder mit "Finde ich auch", "Ja, stimmt".
Für Überraschung und viel Getuschel sorgt der plötzliche Wachstumsschub von Viegelchen, die von einer Szene zur nächsten um einiges älter wurde, ohne dass die vergangene Zeitspanne klar dargestellt wurde. Eine vergleichbare Sequenz am Ende des Films wird entsprechend unsicher kommentiert: "Ist das Viegelchen?", "Ist die groß geworden?"
Besonders belacht werden die Sprachfehler von Viegelchen, die als piepsender Vogel-Mensch keine U's und O's sprechen kann. Aus diesem Grund beschließt Tine das kleine "Vögelchen" lieber "Viegelchen" zu nennen. Die Kinder lachen und wiederholen im Laufe der Vorstellung das Wort Viegelchen immer wieder.
Viegelchens genüsslicher Verzehr von Insekten wird mit lautem Widerwillen kommentiert. Für Begeisterung bei den jungen Zuschauern sorgen daraufhin deren Tischmanieren, denn als beflügeltes Wesen muss man mit den Füßen das Besteck halten und das ist schwer zu erlernen. So fallen, sehr zur Freude des Publikums, die Regenwürmer und Spinnen immer wieder von der Gabel und landen auf dem Boden. In Szenen, in denen Tine und Warre über die Zukunft ihres Zieh-Vogel-Kindes diskutieren, wird es auffällig laut im Saal. Einige Kinder scheinen der Unterhaltung nicht folgen zu können und reden leise miteinander.
Als schließlich Viegelchen wegfliegt, herrscht große Anspannung bei den Kindern. Es wird aufgeregt geflüstert und einige Kinder lehnen sich gespannt in ihren Sesseln vor.

Immer wieder schafft es Viegelchen vor Warre, Tine und der siebenjährigen Loetje wegzufliegen. Die jungen Zuschauer kommentieren durchaus kritisch diese Szenen mit. Trotzdem wird auch der Anblick des mitten in einem Vogelschwarm fliegenden Viegelchens positiv gesehen.
Als Viegelchen endlich auf das Meer zufliegt, um in den Süden zu gelangen, kommentiert ein Kind "Schön, das Meer", ein anderes meint zu dem unsicheren Flug weitsichtig: "Nein! Sie stürzt ab!". Als Viegelchen tatsächlich fällt, ist so große Aufregung im Saal, dass viele Kinder emotional sehr mitgehen. Erleichtert klatschen und lachen die Kinder, als Warren Viegelchen aus dem Wasser fischt. Am Ende darf Viegelchen endlich in den Süden fliegen. Die Szene wird laut beklatscht und kommentiert.
Während des Abspanns wiederholen einige Kinder die Wörter der Viegelchen-I-Sprache, wie "Viegelchen", "Tschieß", "Erdnießbitterbrit" (Erdnussbutterbrot).

Verwendbarkeit des Films für die Kinderkulturarbeit
"Iep" ist ein phantasievoller und humorvoller Film über Toleranz und den natürlichen Umgang mit dem Ungewöhnlichen, aber auch über Freiheit und Loslassen.
Dieses seltsame Wesen namens Viegelchen sorgte während der insgesamt sehr unruhigen Vorstellung (die Unruhe kann sicherlich auch auf die ungewöhnliche Figur von Viegelchen zurückgeführt werden) für viele Diskussionen. Trotzdem nahmen die Kinder das kleine Viegelchen als Mensch wahr und identifizierten sich mit ihr. Der natürliche Umgang, den die einsame Loetje mit ihrem neuen Spielkameraden pflegte, vermittelte ebenfalls ein Bild der Normalität. Mit einem Vogel-Kind lässt sich ganz prima spielen und vor allem auf Bäume klettern. Auch Viegelchens "I-Sprache" wird von Loetje erfreut übernommen.
Ein wenig anarchistisch ist das kleine Viegelchen schon und besticht dadurch die Kinder mit einem unaufgeregten Charme. Viegelchen darf alles, was Kinder gerne tun. Sie darf zu Tisch ihre Späßchen machen, die Gabel und das Messer mit den Füßen halten und dabei das Essen auf den Boden verteilen. Sie darf auf Bäume fliegen / klettern und in einer eigenen Sprache sprechen. Das sind alles Dinge, die Kindern Spaß machen und denen sie gerne zusehen. Ein wenig erinnert diese anarchistische Attitüde Viegelchens an den unberechenbaren "Karlsson vom Dach". Man hätte dafür aber noch ein wenig mehr über Viegelchen erfahren müssen. Stattdessen konzentriert sich die Geschichte sehr stark auf das ältere, sehr liebenswürdige Ehepaar Warre und Tine und ihre Suche nach Viegelchen. Doch mit den beiden kann sich das junge Publikum nicht identifizieren.
Das "Abschiednehmen" und "Loslassen" wird in einigen Szenen sehr überspitzt dargestellt und erntet daher viel Gelächter. Besonders Tines Abschied von Viegelchen und die Verabschiedungsszene mit Loetje zeigen mit übertriebenem Gestus, wie schmerzvoll eine Trennung sein kann.

Mit "Iep" lässt sich sicherlich medienpädagogisch arbeiten, denn Themen wie Andersartigkeit, Toleranz, Abschied und Loslassen werden humorvoll angesprochen. Für jüngere Kinder könnten einige Szenen mit Warre und Tine langweilig werden und auch die Reise-Etappen, mit einigen sich wiederholenden Szenen, verlangen viel Konzentration von den Kindern. Offen bleibt, ob auch die jüngeren Kinder fliegen als Freiheit und Befreiung sehen, oder dies nicht eine Wunschvorstellung von Erwachsenen ist. Für Kinder, die eine Lebenswelt voller Grenzen haben, kann auf Bäume klettern bereits Freiheit bedeuten.
Im Anschluss an die hier dokumentierte Vorstellung folgte kein Filmgespräch. Daher wurde die an primordialem Minderwuchs leidende Hauptdarstellerin Kenadie Jourdin-Bromley nicht, wie in anderen Vorstellungen innerhalb des Festivals, dem Publikum vorgestellt. So war nach dieser Vorführung die Figur des "Viegelchens" kein Kind, das an einer seltenen Krankheit leidet, sondern blieb eine phantasievolle, surreale Engelsgestalt, die die Phantasie der Kinder anregen kann. Altersempfehlung ab 8 Jahren.

Julia Gebefügi

 

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KJK-Ausgabe 124/2010

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