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Ausgabe 131-3/2012

ALS HÄTTE ICH DICH GEHÖRT

KIKOETERU, FURI WO SITA DAKE

Produktion: Imaizumi Production; Japan 2011 – Regie und Buch: Kaori Imaizumi – Kamera: Hiroshi Iwanaga – Schnitt: Kaori Imaizumi – Musik: Haruna Maemura – Darsteller: Hana Nonaka (Sachi), Meru Gouda (Nozomi), Takayuki Sugiki (Sachis Vater), Aki Etchu (Miyuki), Yasumi Yashima (Yumiko), Yukari Karato (Lehrerin), Mutsuko Kudo (Nozomis Mutter) u. a. – Länge: 99 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Uplink, Tokyo, Japan, E-Mail: film@uplink.co.jp – Altersempfehlung: ab 12 J.

Die Toten entschwinden nicht in ein Jenseits, ihre Geister wachen weiter über die Geschicke der Lebenden. Mit diesen Worten wollen die Erwachsenen die 11-jährige Sachi über den Tod der Mutter trösten, und der Vater überreicht ihr ein rotes Halsband mit einem Ring seiner Frau. Der Glücksbringer soll sie des Beistandes der Mutter versichern. Doch es ist ein magerer Trost. Sachi weiß nicht, wo sie die ihr angeblich immer noch nahe Mutter greifen soll. Fragend schwenkt ihr Blick mit der Kamera über das gedrängte Küchenmobiliar, dessen strahlende Funktionalität sich geradezu unheimlich von dem schwarzen Kleid der Trauernden abhebt; er bleibt an der ordentlich gefalteten Schürze der Mutter über der Stuhllehne hängen, als hätte sie sie eben erst da abgelegt. Bleibt etwas von der Mutter in den von ihr benutzten Gegenständen haften? Kann ihr Geist leblose Dinge beseelen? Ja, scheint die Antwort zu lauten, Sachi lässt die Schürze erst einmal dort liegen. Dem Vater wird sein Glaube zur Krankheit. Es ist schlimm für die Tochter, mit anzusehen, wie er sich in seinem Schmerz selbst mehr und mehr totstellt, bis er nur noch in stumpfer Trauer vor dem Hausaltar hockt.

Kaori Imaizumis feinfühlig komponierter Film, in dem sie eigene Erfahrungen verarbeitet hat, lässt den Zuschauer nicht wieder los. In ruhigen, sprechenden Bildern erzählt sie von der Leere, die der Tod hinterlässt, und von dem verzweifelten Wunsch, die mütterliche Geborgenheit festzuhalten. Man kann die lähmende Stille im Haus, das Alleinsein der beiden Protagonisten spüren; keine Musik begleitet und mildert es. Die Welt hinter dem Fenster gleißt in abschreckend grellem Licht, lockt nicht wirklich hinaus, während die in warmen Farben ausgeleuchtete Wohnung dem Vater jeden Tag mehr zum Zufluchtsort wird.

Es geht in dem anrührenden Film auch darum, welche Fragen traditionelle japanische Todesvorstellungen bei Kindern aufwerfen, die in einer modernen, hochindustrialisierten Welt zuhause sind. Und um den Zweifel und die Melancholie. Vorzüglich fängt die Regisseurin mit ihrer Geschichte den Zwiespalt ein, den die junge Generation im modernen Japan in sich auszutragen hat. Die technische Rationalität treibt der Gesellschaft animistisch inspirierte Vorstellungen zwar aus, wiewohl sie von einer lustvoll-obsessiv mit Geistern befassten Kultur forttradiert werden. Die Qual, beides in Einklang bringen zu müssen, stehen vor allem sensible oder ängstliche Kinder aus.

Nach Sachis Rückkehr an die Schule kommt eine neue Schülerin in die Klasse, Nozomi, die sich in den Augen der Mitschüler noch ziemlich kleinmädchenhaft aufführt. Aus Angst vor Geistern macht sie sich lieber in die Hosen, statt sich alleine in die gefürchtete Stille der Toilette zu trauen. Glänzend hat die Regisseurin die zwei ungleichen Mädchenrollen besetzt. Wie ein Störton wirkt die schreckhafte Nozomi mit der hohen, schrillen Stimme und dem rosa-plüschigen Outfit im Bild. Er rüttelt Sachi aus ihrem dumpfen Brüten schmerzlich wach und deckt auf, worin echter Trost liegt: Ihre Mutter wird sie nicht mehr behüten können, aber sie hat Freundinnen. Auf sie kann sich Sachi verlassen.

Heidi Strobel

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 131-3/2012 - Interview - Mut brauchen wir – für uns selbst und für unser Land

 

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